Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Die Klä­ge­rin, die frü­he­re Rats­frak­ti­on Die Re­pu­bli­ka­ner/DSU, be­gehrt von der Be­klag­ten die Zah­lung von 116 802,94 € an Frak­ti­ons­zu­schüs­sen für die Wahl­pe­ri­ode 2004 bis 2009, die sie an ih­ren frü­he­ren Ge­schäfts­füh­rer ab­ge­tre­ten hat. Kla­ge und Be­ru­fung blie­ben er­folg­los. Die Be­klag­te ha­be bei den im Haus­halt be­reit­ge­stell­ten Mit­teln für die Fi­nan­zie­rung der Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung den Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit zu wah­ren. Mit die­sem Grund­satz sei­en ver­schie­de­ne Mo­del­le der Fi­nan­zie­rung ver­ein­bar. Der von der Be­klag­ten ge­wähl­te Ver­tei­lungs­maß­stab, der sich an der An­zahl der Frak­ti­ons­mit­glie­der ori­en­tie­re und nicht auf­ge­teilt sei in ei­nen So­ckel­be­trag und ei­nen Be­trag Pro-Kopf der Frak­ti­ons­grö­ße, sei sach­lich ge­recht­fer­tigt.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung zu­ge­las­sen. In ei­nem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sei die in der Be­schwer­de sinn­ge­mäß auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge zu klä­ren, ob der Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit stets oder un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ner aus­schlie­ß­lich nach der Frak­ti­ons­stär­ke be­mes­se­nen Ver­tei­lung der Zu­wen­dun­gen zur Fi­nan­zie­rung der Ge­schäfts­füh­rung der Rats­frak­tio­nen ent­ge­gen­ste­he.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 62/2012 vom 05.07.2012

Ver­tei­lung von Zu­wen­dun­gen an Stadt­rats­frak­tio­nen nur nach Frak­ti­ons­stär­ke be­nach­tei­ligt klei­ne­re Frak­tio­nen gleich­heits­wid­rig

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heu­te ent­schie­den, dass die Fi­nan­zie­rung der Ge­schäfts­füh­rung von Rats­frak­tio­nen, de­ren Hö­he sich nur nach der je­wei­li­gen An­zahl der Frak­ti­ons­mit­glie­der rich­tet, klei­ne­re Frak­tio­nen dis­kri­mi­niert.


Die Säch­si­sche Ge­mein­de­ord­nung sieht vor, dass die Rats­frak­tio­nen zu ih­ren säch­li­chen und per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen aus dem Haus­halt der Ge­mein­de er­hal­ten kön­nen. Die Stadt Chem­nitz stellt ih­ren Rats­frak­tio­nen die be­nö­tig­ten Sach­mit­tel (Räu­me, PC, Te­le­fon, In­ter­net) im We­sent­li­chen un­mit­tel­bar zur Ver­fü­gung und ge­währt zu den per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen der Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung ei­nen fi­nan­zi­el­len Zu­schuss.


Der kla­gen­den ehe­ma­li­gen Frak­ti­on PRO CHEM­NITZ.DSU wur­den wäh­rend der Wahl­pe­ri­ode 2004 bis 2009 zu­nächst auf der Grund­la­ge ei­nes Rats­be­schlus­ses aus dem Jah­re 1999 Mit­tel zur Fi­nan­zie­rung ih­rer Ge­schäfts­füh­rung zur Ver­fü­gung ge­stellt, de­ren Ver­tei­lung an­hand ei­nes fes­ten Be­tra­ges je Frak­ti­on (zwei Drit­tel) und ei­nes va­ria­blen Be­tra­ges nach der An­zahl der Frak­ti­ons­mit­glie­der (ein Drit­tel) er­folg­te. Im Ja­nu­ar 2005 än­der­te der Stadt­rat die­sen Ver­tei­lungs­maß­stab da­hin, dass nur­mehr die je­wei­li­ge An­zahl der Mit­glie­der der Frak­tio­nen die Hö­he der Zah­lung be­stimm­te. Da­durch ver­min­der­te sich die Zu­wen­dung an klei­ne­re Frak­tio­nen wie die Klä­ge­rin er­heb­lich, wäh­rend gro­ße Frak­tio­nen ent­spre­chend mehr be­ka­men. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Kla­ge blieb vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt oh­ne Er­folg. Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin wies das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück.


Die­se Ent­schei­dun­gen hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt auf­ge­ho­ben, weil sie ge­gen das ver­fas­sungs­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­ge­bot ver­sto­ßen. Die­ses ver­langt ei­ne sach­ge­rech­te, am Zweck der Frak­tio­nen aus­ge­rich­te­te, be­darfs­ori­en­tier­te Mit­tel­ver­tei­lung. Ei­ne Ver­tei­lung al­lein nach dem Kopf­teils­prin­zip be­schnei­det das Mit­wir­kungs­recht ei­ner Frak­ti­on, wenn die­se des­we­gen ih­re In­for­ma­ti­ons-, Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Ko­or­di­na­ti­ons­auf­ga­ben nicht mehr wahr­neh­men kann. Das ist bei klei­ne­ren Frak­tio­nen nicht aus­zu­schlie­ßen, wenn der zu­wen­dungs­fä­hi­ge Be­darf für die Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung zu ei­nem er­heb­li­chen An­teil von der Frak­ti­ons­stär­ke un­ab­hän­gig ist. Ei­ne sol­che Ver­tei­lung wird dann dem Zweck der Frak­ti­ons­fi­nan­zie­rung nicht ge­recht.


Der Rat der Stadt Chem­nitz muss nun rück­wir­kend für die Jah­re 2005 bis 2009 ei­nen neu­en Ver­tei­lungs­schlüs­sel be­schlie­ßen.


Fuß­no­te:

§ 35a Abs. 3 Sächs­Ge­mO lau­tet:


Die Ge­mein­de kann den Frak­tio­nen Mit­tel aus ih­rem Haus­halt für die säch­li­chen und per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen für die Ge­schäfts­füh­rung ge­wäh­ren. Die­se Mit­tel sind in ei­ner be­son­de­ren An­la­ge zum Haus­halts­plan dar­zu­stel­len. Über ih­re Ver­wen­dung ist ein Nach­weis in ein­fa­cher Form zu füh­ren.


BVer­wG 8 C 22.11 - Ur­teil vom 05. Ju­li 2012

Vor­in­stan­zen:

OVG Baut­zen, 4 A 442/09 - Ur­teil vom 23. No­vem­ber 2010 -

VG Chem­nitz, 1 K 269/05 - Ur­teil vom 29. Au­gust 2007 -


Be­schluss vom 17.10.2011 -
BVer­wG 8 B 43.11ECLI:DE:BVer­wG:2011:171011B8B43.11.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 8 B 43.11

  • Säch­si­sches OVG - 23.11.2010 - AZ: OVG 4 A 442/09

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 8. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 17. Ok­to­ber 2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt
Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert und die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt
Dr. von Heim­burg und Dr. Held-Daab
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on ge­gen sein Ur­teil vom 23. No­vem­ber 2010 wird auf­ge­ho­ben, so­weit die­ses Ur­teil die Be­klag­te zu 2 be­trifft.
  2. Die Re­vi­si­on wird in­so­weit zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens folgt der Kos­ten­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che.
  4. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren vor­läu­fig auf 116 802,94 € fest­ge­setzt.

Grün­de

1 Die Klä­ge­rin wen­det sich mit der Be­schwer­de aus­schlie­ß­lich ge­gen die Ab­wei­sung ih­rer Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 2. Der Se­nat legt die Rechts­mit­tel­schrift des­halb da­hin aus, dass sich das Rechts­mit­tel nur ge­gen die Be­klag­te zu 2 rich­tet.

2 Die Be­schwer­de ist be­grün­det. Der Rechts­sa­che kommt grund­sätz­li­che Be­deu­tung ge­mäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO zu. In ei­nem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist vor­aus­sicht­lich die in der Be­schwer­de­be­grün­dung sinn­ge­mäß auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge zu klä­ren, ob der Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit stets oder un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ner aus­schlie­ß­lich nach der Frak­ti­ons­stär­ke be­mes­se­nen Ver­tei­lung der Zu­wen­dun­gen zur Fi­nan­zie­rung der Ge­schäfts­füh­rung der Rats­frak­tio­nen ent­ge­gen­steht.

3 Die Streit­wert­fest­set­zung er­gibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 8 C 22.11 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl I S. 3091) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO ver­tre­ten las­sen.

Ur­teil vom 05.07.2012 -
BVer­wG 8 C 22.11ECLI:DE:BVer­wG:2012:050712U8C22.11.0

Leit­sät­ze:

1. Die Ver­tei­lung von Haus­halts­mit­teln für die Ge­schäfts­füh­rungs­tä­tig­keit von Stadt­rats­frak­tio­nen ist am all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und nicht am for­ma­li­sier­ten Gleich­heits­satz aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG zu mes­sen.

2. Der Ver­tei­lungs­maß­stab muss sich am Zweck der Frak­ti­ons­bil­dung und dem dar­aus re­sul­tie­ren­den Be­darf für die Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung ori­en­tie­ren.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 8 C 22.11

  • VG Chem­nitz - 29.08.2007 - AZ: VG 1 K 269/05
  • Säch­si­sches OVG - 23.11.2010 - AZ: OVG 4 A 442/09

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 8. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 5. Ju­li 2012
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt
Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert und
die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von Heim­burg, Dr. Hau­ser,
Dr. Held-Daab und Dr. Ru­dolph
für Recht er­kannt:

  1. Das Ur­teil des Säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts vom 23. No­vem­ber 2010 und das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Chem­nitz vom 29. Au­gust 2007 wer­den ge­än­dert, so­weit es den ge­gen die Be­klag­te zu 2 ge­rich­te­ten Kla­ge­an­trag zu 4 be­trifft.
  2. Die Be­klag­te zu 2 wird ver­ur­teilt, über den An­trag der Klä­ge­rin auf Ge­wäh­rung von Haus­halts­mit­teln für die säch­li­chen und per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen für die Ge­schäfts­füh­rung in den Jah­ren 2005 bis 2009 un­ter Be­ach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Ge­richts neu zu ent­schei­den. Im Üb­ri­gen wird die Kla­ge im Kla­ge­an­trag zu 4 ab­ge­wie­sen.
  3. Die Klä­ge­rin trägt ne­ben den au­ßer­ge­richt­li­chen Kos­ten des Be­klag­ten zu 1 die Hälf­te der Ge­richts­kos­ten und der au­ßer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Be­klag­ten zu 2 aus al­len drei Rechts­zü­gen. Die Be­klag­te zu 2 trägt die Hälf­te der Ge­richts­kos­ten und der au­ßer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Klä­ge­rin. Im Üb­ri­gen tra­gen die Klä­ge­rin und die Be­klag­te zu 2 ih­re au­ßer­ge­richt­li­chen Kos­ten selbst.

Grün­de

I

1 Die Klä­ge­rin war seit der Stadt­rats­wahl vom 13. Ju­ni 2004 Frak­ti­on im Rat der be­klag­ten Stadt. Sie be­gehrt die Nach­zah­lung von Frak­ti­ons­zu­schüs­sen für die Jah­re 2005 bis 2009. Die Wahl­pe­ri­ode lief am 30. Ju­ni 2009 ab.

2 Am 11. Au­gust 1999 hat­te der Stadt­rat Richt­li­ni­en zur Fi­nan­zie­rung der Ge­schäfts­tä­tig­keit der Frak­tio­nen und frak­ti­ons­lo­sen Stadt­rä­te des Stadt­ra­tes be­schlos­sen. Da­nach glie­der­ten sich die im Haus­halt hier­für ein­ge­stell­ten Mit­tel in ei­nen fes­ten Be­trag (zwei Drit­tel), der zu glei­chen An­tei­len al­len Frak­tio­nen zu­kom­men soll­te, und ei­nen va­ria­blen Be­trag (ein Drit­tel), der auf die Frak­tio­nen nach der Zahl ih­rer Mit­glie­der auf­zu­tei­len war.

3 Am 26. Ja­nu­ar 2005 be­schloss der Stadt­rat ei­ne Än­de­rung die­ser Richt­li­ni­en. Da­nach wa­ren die im Haus­halt für die Ge­schäfts­füh­rung der Frak­tio­nen ein­ge­stell­ten Mit­tel durch al­le 54 Stadt­rä­te zu tei­len und auf die je­wei­li­ge An­zahl der Mit­glie­der der Frak­tio­nen bzw. frak­ti­ons­lo­sen Stadt­rä­te hoch­zu­rech­nen.

4 Die Klä­ge­rin hält die Än­de­rung der Richt­li­nie für nich­tig. Mit ih­rer Kla­ge be­gehrt sie noch die Zah­lung der Mehr­be­trä­ge, die sich bei Fort­gel­tung der Richt­li­nie in der Fas­sung von 1999 er­gä­ben.

5 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 29. Au­gust 2007 auch in­so­weit ab­ge­wie­sen. Mit Ur­teil vom 23. No­vem­ber 2010 hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt die Be­ru­fung zu­rück­ge­wie­sen. Es hat die Än­de­rung der Richt­li­nie für recht­mä­ßig er­ach­tet. Mit dem Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit sei­en ver­schie­de­ne Mo­del­le der Frak­ti­ons­fi­nan­zie­rung ver­ein­bar. Es sprä­chen gu­te Grün­de für ei­ne Ver­tei­lung mit ei­nem fes­ten und ei­nem va­ria­blen Teil­be­trag. Die Chan­cen­gleich­heit sei aber auch bei ei­ner Ver­tei­lung ge­währ­leis­tet, die sich aus­schlie­ß­lich nach der An­zahl der Frak­ti­ons­mit­glie­der rich­te. Für bei­de Mo­del­le sprä­chen ge­wich­ti­ge Grün­de. Die Ge­wäh­rung ei­nes So­ckel­be­tra­ges be­rück­sich­ti­ge die Tat­sa­che, dass ein ge­wis­ser Kos­ten­be­darf un­ab­hän­gig von der Frak­ti­ons­grö­ße be­stehe. Die Ver­tei­lung der Mit­tel strikt nach der Mit­glie­der­zahl stel­le hin­ge­gen dar­auf ab, dass mit de­ren An­stieg auch der Ko­or­di­nie­rungs­be­darf und die Viel­falt der wahr­zu­neh­men­den Tä­tig­kei­ten zu­neh­me. Un­er­heb­lich sei, ob „ty­pisch frak­ti­ons­stär­ke­un­ab­hän­gi­ge“ Auf­ga­ben des Frak­ti­ons­per­so­nals min­des­tens drei Vier­tel des­sen zeit­li­chen Auf­wands ein­näh­men, wie die Klä­ge­rin un­ter Be­weis­an­tritt be­haup­tet ha­be. Denn es ver­blei­be ein nicht un­er­heb­li­cher Teil von Kos­ten, die di­rekt ab­hän­gig von der Grö­ße der Frak­tio­nen sei­en. Der Stadt­rat ha­be sich da­her für kei­ne sach­wid­ri­ge Lö­sung ent­schie­den.

6 Mit ih­rer Re­vi­si­on rügt die Klä­ge­rin, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz in sei­ner Aus­prä­gung als Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit ver­letzt. Frak­ti­ons­mit­tel sei­en all­ge­mei­ne Haus­halts­mit­tel, die den Frak­tio­nen in ih­rer Ei­gen­schaft als Teil des Haupt­or­gans der Ge­mein­de zur Ver­fü­gung ge­stellt wür­den. Aus­gangs­punkt sei die Auf­ga­be der Frak­tio­nen, Mei­nungs­bil­dung und Mehr­heits­fin­dung im Stadt­rat zu er­leich­tern und in der In­for­ma­ti­ons­vor­be­rei­tungs- und Ab­stim­mungs­pha­se ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zu ei­ner ef­fi­zi­en­te­ren Auf­ga­ben­er­fül­lung zu leis­ten. Dem wer­de ei­ne Ver­tei­lung der Frak­ti­ons­mit­tel rein pro­por­tio­nal zur Frak­ti­ons­stär­ke nicht ge­recht.

7 Die Klä­ge­rin be­an­tragt,
das Ur­teil des Säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts vom 23. No­vem­ber 2010 und das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Chem­nitz vom 29. Au­gust 2007 zu än­dern, so­weit es den ge­gen die Be­klag­te zu 2 ge­rich­te­ten Kla­ge­an­trag zu 4 be­trifft und die Be­klag­te zu 2 zu ver­ur­tei­len, an ih­ren ehe­ma­li­gen Ge­schäfts­füh­rer 116 802,94 € zu­züg­lich Zin­sen in Hö­he von 8 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit 31.12.2005 aus 23 122,71 €, seit 26.01.2006 aus 5 780,70 €, seit 01.06.2006 aus 5 780,67 €, seit 09.08.2006 aus 5 780,67 €, seit 28.11.2006 aus 7 545,93 €, seit 10.01.2007 aus 7 105,53 €, seit 10.04.2007 aus 7 105,53 €, seit 28.09.2007 aus 7 104,77 €, seit 28.09.2007 aus 7 104,77 €, seit 18.01.2008 aus 7 104,52 €, seit 09.06.2008 aus 7 104,52 €, seit 07.07.2008 aus 7 104,52 €, seit 28.09.2008 aus 5 674,52 €, seit 20.01.2009 aus 5 674,52 €, seit 07.04.2009 aus 7 709,06 € zu zah­len.

8 Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

9 Sie ver­tei­digt das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil.

10 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses hält das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts eben­falls für rich­tig.

II

11 Die Re­vi­si­on ist be­grün­det. Das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­ruht auf ei­ner Ver­let­zung von Bun­des­recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO).

12 Die re­vi­si­ons­ge­richt­li­che Prü­fung muss von der Auf­fas­sung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts aus­ge­hen, dass das Zah­lungs­be­geh­ren der Klä­ge­rin sich nicht mit dem Ab­lauf der Wahl­pe­ri­ode am 30. Ju­ni 2009 er­le­digt hat, dass es sich rich­ti­ger­wei­se ge­gen die Be­klag­te rich­tet und dass die Recht­mä­ßig­keit des Be­schlus­ses des Stadt­ra­tes vom 26. Ja­nu­ar 2005 im Rah­men der Prü­fung des ge­stell­ten Zah­lungs­an­trags in­zi­dent über­prüft wird. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die­sen Be­schluss zur Än­de­rung des Ver­tei­lungs­maß­stabs für recht­mä­ßig ge­hal­ten. So­weit dies auf ir­re­vi­si­blem Lan­des­recht be­ruht, ist dem Re­vi­si­ons­ge­richt ei­ne Nach­prü­fung ver­wehrt (§ 173 Vw­GO, § 560 ZPO). Es kann da­her nur prü­fen, ob Bun­des­recht - ins­be­son­de­re Bun­des­ver­fas­sungs­recht - ein an­de­res Er­geb­nis ge­bie­tet (stRspr; vgl. Ur­teil vom 12. No­vem­ber 1993 - BVer­wG 7 C 23.93 - BVer­w­GE 94, 288 = Buch­holz 160 Wahl­recht Nr. 38).

13 Das ist hier der Fall. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist zwar zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Ent­schei­dung des Stadt­ra­tes der Be­klag­ten über die Grund­sät­ze zur Fi­nan­zie­rung der Ge­schäfts­füh­rungs­tä­tig­keit der Rats­frak­tio­nen am all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu mes­sen ist (1.). Mit Art. 3 Abs. 1 GG un­ver­ein­bar ist je­doch sei­ne An­nah­me, ei­ne rein pro­por­tio­na­le Ver­tei­lung der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel sei bei un­ter­schied­lich gro­ßen Frak­tio­nen auch dann gleich­heits­kon­form, wenn der Zeit­auf­wand für die Er­fül­lung der Ge­schäfts­füh­rungs­auf­ga­ben zu min­des­tens drei Vier­teln von der Frak­ti­ons­stär­ke un­ab­hän­gig sei (2.). Ei­ne rein pro­por­tio­na­le Ver­tei­lung kam viel­mehr nicht in Be­tracht (3.). Aus der Un­wirk­sam­keit der Än­de­rung des Ver­tei­lungs­schlüs­sels folgt frei­lich kein Zah­lungs­an­spruch auf der Grund­la­ge der zu­vor gel­ten­den Richt­li­nie von 1999. Viel­mehr muss die Be­klag­te die Klä­ge­rin neu be­schei­den (4.).

14 1. Die ge­setz­li­che Grund­la­ge für die Ge­wäh­rung von Zu­wen­dun­gen an Frak­tio­nen sieht das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in § 35a Abs. 3 der Säch­si­schen Ge­mein­de­ord­nung (Sächs­Ge­mO). Da­nach kann die Ge­mein­de den Frak­tio­nen Mit­tel aus ih­rem Haus­halt für die säch­li­chen und per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen für die Ge­schäfts­füh­rung ge­wäh­ren. Die­se Mit­tel sind in ei­ner be­son­de­ren An­la­ge zum Haus­halts­plan dar­zu­stel­len. Über ih­re Ver­wen­dung ist ein Nach­weis in ein­fa­cher Form zu füh­ren. Nach der Aus­le­gung die­ser Be­stim­mung durch das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Klä­ge­rin kei­nen An­spruch auf Frak­ti­ons­zu­wen­dun­gen aus Haus­halts­mit­teln oder auf vol­le Er­stat­tung ih­rer Kos­ten. Viel­mehr be­steht ein An­spruch auf er­mes­sens­feh­ler­freie Ver­tei­lung der für die Frak­ti­ons­zu­wen­dun­gen vor­ge­se­he­nen Mit­tel auf die ver­schie­de­nen Frak­tio­nen. Hier­bei ist die Kom­mu­ne an den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz ge­bun­den. Die­se Aus­le­gung ist mit Bun­des­recht ver­ein­bar.

15 a) Mit Recht weist das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt dar­auf hin, dass der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht nur für das recht­li­che Ver­hält­nis zwi­schen Bür­ger und Staat gilt, son­dern als Be­stand­teil des all­ge­mei­nen Rechts­staats­ge­bots auch Gel­tung für die Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen dem Rat ei­ner Ge­mein­de und den Frak­tio­nen als sei­nen Tei­len be­an­sprucht.

16 Der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz ge­bie­tet, we­sent­lich Glei­ches gleich und we­sent­lich Un­glei­ches nach sei­ner Ei­gen­art ver­schie­den zu be­han­deln. Der Ge­setz- oder sons­ti­ge Norm­ge­ber muss da­mit für sei­ne Un­ter­schei­dun­gen und Nicht­un­ter­schei­dun­gen ei­nen ver­nünf­ti­gen, sich aus der Na­tur der Sa­che er­ge­ben­den oder sonst­wie ein­leuch­ten­den Grund an­ge­ben kön­nen. Das gilt für Be­las­tun­gen und Be­güns­ti­gun­gen glei­cher­ma­ßen (stRspr; vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 8. Ju­ni 2004 - 2 BvL 5/00 - BVerf­GE 110, 412 <431> und vom 17. April 2008 - 2 BvL 4/05 - BVerf­GE 121, 108 <119>; Ur­teil vom 30. Ju­li 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. - BVerf­GE 121, 317 <369 f.>; je­weils m.w.N.).

17 Frak­ti­ons­zu­schüs­se sind zweck­ge­bun­de­ne Zu­wen­dun­gen. Sie die­nen da­zu, die säch­li­chen und per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen der Frak­tio­nen für ih­re Ge­schäfts­füh­rung ganz oder teil­wei­se zu de­cken (§ 35a Abs. 3 Satz 1 Sächs­Ge­mO), und sind hier­auf be­grenzt (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 13. Ju­ni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerf­GE 80, 188 <231>). Da­mit gibt das Ge­setz selbst den sach­li­chen Grund für Dif­fe­ren­zie­run­gen bei der Be­mes­sung die­ser Zu­schüs­se vor. Auch wenn die Ge­mein­de kei­ne kos­ten­de­cken­den Zu­schüs­se vor­sieht, müs­sen die ge­währ­ten Mit­tel un­ter den Frak­tio­nen nach ei­nem Maß­stab ver­teilt wer­den, der sich an de­ren tat­säch­li­chem oder er­wart­ba­rem Be­darf für ih­re Ge­schäfts­füh­rung ori­en­tiert. Nichts an­de­res gilt, fasst man den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz mit dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in der be­son­de­ren Aus­prä­gung als Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit. Frak­ti­ons­zu­schüs­se wah­ren die Chan­cen­gleich­heit der Frak­tio­nen, wenn sie sich in dem be­schrie­be­nen Sin­ne nach ih­rem ge­setz­li­chen Zweck be­mes­sen und hier­auf be­schrän­ken.

18 b) Stren­ge­re An­for­de­run­gen an die Fi­nan­zie­rung von Rats­frak­tio­nen er­ge­ben sich nicht aus dem Grund­satz der Wahl­rechts­gleich­heit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG), der we­gen des De­mo­kra­tie­prin­zips als Ge­bot streng for­ma­ler Gleich­be­hand­lung auf­zu­fas­sen ist und Dif­fe­ren­zie­run­gen nur aus zwin­gen­den Grün­den zu­lässt (BVerfG, Schluss­ur­teil vom 5. No­vem­ber 1975 - 2 BvR 193/74 - BVerf­GE 40, 296 <317 f.>). Die Gel­tung die­ses Grund­sat­zes ist grund­sätz­lich auf die Wahl und den Wahl­vor­gang be­schränkt (BVerfG, Ur­tei­le vom 13. Ju­ni 1989 a.a.O. S. 217 ff. und vom 16. Ju­li 1991 - 2 BvE 1/91 - BVerf­GE 84, 304 <321 ff.>); er setzt sich nach der Wahl im Grund­satz der stren­gen Gleich­heit der Ab­ge­ord­ne­ten und Man­dats­trä­ger fort, de­ren Rechts­stel­lung und de­ren Mit­wir­kungs­be­fug­nis­se in der Ver­tre­tung des­halb eben­falls in ei­nem streng for­ma­len Sin­ne gleich sein müs­sen. Das be­trifft auch die Ab­ge­ord­ne­ten­ent­schä­di­gung (BVerfG, Ur­teil vom 21. Ju­li 2000 - 2 BvH 3/91 - BVerf­GE 102, 224 <238 f.>).

19 Dar­aus lässt sich je­doch für die Rech­te von Rats­frak­tio­nen nichts ge­win­nen. Das Ge­bot stren­ger Gleich­be­hand­lung gilt für die ge­wähl­ten Ab­ge­ord­ne­ten und Rats­mit­glie­der selbst, die die­ses Recht aus ih­rem Man­dat aus der Wahl her­lei­ten. Frak­tio­nen lei­ten ih­re Rechts­stel­lung nicht in glei­cher Wei­se un­mit­tel­bar aus der Wahl her. Zwar folgt aus dem frei­en Man­dat des Ab­ge­ord­ne­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges auch das Recht, sich im Par­la­ment mit an­de­ren Ab­ge­ord­ne­ten zu Frak­tio­nen zu­sam­men­zu­schlie­ßen (stRspr; BVerfG, Ur­teil vom 13. Ju­ni 1989 a.a.O. S. 218; Be­schluss vom 17. Sep­tem­ber 1997 - 2 BvE 4/95 - BVerf­GE 96, 264 <278>; je­weils m.w.N.). Ob ein glei­ches Recht auch für die Mit­glie­der ei­nes Ge­mein­de­ra­tes oder Kreis­ta­ges aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG her­zu­lei­ten ist, mag da­hin­ste­hen (vgl. zu Rats­frak­tio­nen zu­letzt Ur­teil vom 28. April 2010 - BVer­wG 8 C 18.08 - BVer­w­GE 137, 21 Rn. 20 = Buch­holz 415.1 All­ge­mei­nes Kom­mu­nal­recht Nr. 176); es be­steht in Sach­sen je­den­falls nach Lan­des­recht (§ 35a Abs. 1 Satz 1 Sächs­Ge­mO). Aus der for­ma­len Gleich­heit der Man­dats­trä­ger folgt je­doch noch kei­ne eben­so for­ma­le Gleich­heit der von ih­nen ge­bil­de­ten Frak­tio­nen. Eben­so we­nig lässt sich aus ihr fol­gern, dass sich die Fi­nan­zie­rung von Frak­tio­nen al­lein an der Zahl ih­rer Mit­glie­der aus­zu­rich­ten hät­te. Un­ge­ach­tet des Rechts der Man­dats­trä­ger, sich zu Frak­tio­nen zu­sam­men­zu­schlie­ßen, sind die­se doch zu­nächst Aus­fluss des Selbst­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts der Ver­tre­tung. Als Glie­de­run­gen des Ra­tes die­nen sie da­zu, den Wil­lens­bil­dungs­pro­zess im Rat vor­zu­be­rei­ten und zu struk­tu­rie­ren und da­mit ef­fek­ti­ver zu ge­stal­ten (vgl. Su­er­baum, in: Mann/Pütt­ner <Hrsg.>, Hand­buch der kom­mu­na­len Wis­sen­schaft und Pra­xis, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 22 Rn. 3 m.w.N.). Durch ih­re Fi­nan­zie­rung fi­nan­ziert der Rat sich da­her selbst. Zu­wen­dun­gen an die Frak­tio­nen sind des­halb we­der für die Fi­nan­zie­rung et­wa „hin­ter“ den Frak­tio­nen ste­hen­der Par­tei­en noch für die Ali­men­tie­rung der frak­ti­ons­an­ge­hö­ri­gen Man­dats­trä­ger be­stimmt. Un­zu­läs­sig wä­re da­her ei­ne un­mit­tel­ba­re Zu­wen­dung zur Frak­ti­ons­fi­nan­zie­rung vor­ge­se­he­ner Mit­tel an frak­ti­ons­an­ge­hö­ri­ge oder frak­ti­ons­lo­se Man­dats­trä­ger.

20 Der Grund­satz der Wahl­gleich­heit kann nur durch die mit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen der Frak­ti­ons­fi­nan­zie­rung auf die Man­dats­trä­ger - und zwar auf frak­ti­ons­an­ge­hö­ri­ge wie frak­ti­ons­lo­se - be­rührt wer­den. Die Ge­wäh­rung von Fi­nanz­mit­teln an Frak­tio­nen darf nicht da­zu füh­ren, dass die in die­sen Frak­tio­nen zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Man­dats­trä­ger bei der Wahr­neh­mung ih­res Man­dats ge­gen­über frak­ti­ons­lo­sen Man­dats­trä­gern un­gleich be­vor­zugt wer­den. Wo dies un­ver­meid­li­che Fol­ge der Frak­ti­ons­bil­dung ist, be­darf es kom­pen­sa­to­ri­scher - nicht not­wen­dig geld­wer­ter - Maß­nah­men zu­guns­ten der Frak­ti­ons­lo­sen, um die Gleich­heit der Man­dats­wahr­neh­mung wie­der­her­zu­stel­len (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 13. Ju­ni 1989 a.a.O. S. 231 f.). Glei­ches gilt im Ver­gleich von Mit­glie­dern gro­ßer mit Mit­glie­dern klei­ner Frak­tio­nen. Auch hier dür­fen Zu­wen­dun­gen an die Frak­tio­nen die grund­sätz­li­che Gleich­heit der Man­dats­wahr­neh­mung, die aus dem Grund­satz der Gleich­heit der Wahl flie­ßt, nicht be­ein­träch­ti­gen und müs­sen an­dern­falls kom­pen­siert wer­den. Ob die­se Gren­ze hier über­schrit­ten ist und wel­che Fol­gen dies für die Frak­ti­ons­fi­nan­zie­rung als sol­che hät­te, kann da­hin­ste­hen, weil der vom Rat der Be­klag­ten be­schlos­se­ne Ver­tei­lungs­maß­stab schon ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG ver­stö­ßt.

21 2. Ist mit Art. 3 Abs. 1 GG nur ein Ver­tei­lungs­maß­stab ver­ein­bar, der sich an den für die Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung ent­ste­hen­den säch­li­chen und per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen ori­en­tiert, so kann ei­ne rein pro­por­tio­na­le Ver­tei­lung nach der Frak­ti­ons­stär­ke bei un­ter­schied­lich gro­ßen Frak­tio­nen nur gleich­heits­ge­mäß sein, wenn den Frak­tio­nen kein „fi­xer“ Auf­wand un­ab­hän­gig von ih­rer Grö­ße ent­steht oder wenn die­ser doch re­gel­mä­ßig nicht ins Ge­wicht fällt. Das hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ver­kannt.

22 Nach sei­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen, an die der Se­nat ge­mäß § 137 Abs. 2 Vw­GO ge­bun­den ist, ge­währt die Be­klag­te über die fi­nan­zi­el­len Zu­schüs­se hin­aus säch­li­che Zu­wen­dun­gen durch Über­las­sung von Ver­wal­tungs­räu­men nebst Aus­stat­tung und Be­reit­stel­lung von EDV-Tech­nik. Die Zu­schüs­se die­nen da­her vor al­lem der Fi­nan­zie­rung der per­so­nel­len Auf­wen­dun­gen und müs­sen sich im We­sent­li­chen da­nach rich­ten.

23 Die Klä­ge­rin hat­te un­ter Be­weis­an­tritt gel­tend ge­macht, we­nigs­tens drei Vier­tel des ty­pi­schen per­so­nel­len Auf­wands für die Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung fal­le für klei­ne wie für gro­ße Frak­tio­nen glei­cher­ma­ßen an. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat den an­ge­bo­te­nen Be­weis nicht er­ho­ben, son­dern die tat­säch­li­che Be­haup­tung der Klä­ge­rin als wahr un­ter­stellt. Auf der Grund­la­ge die­ser Un­ter­stel­lung ist ei­ne rein pro­por­tio­na­le Mit­tel­ver­tei­lung bei un­ter­schied­lich gro­ßen Frak­tio­nen kei­nes­falls mehr gleich­heits­ge­mäß. Die Ein­schät­zung, drei Vier­tel und mehr des per­so­nel­len Auf­wands fie­len bei der Zu­schuss­be­mes­sung für eben die­sen Auf­wand nicht ins Ge­wicht, ist auch bei An­nah­me ei­nes Ein­schät­zungs­spiel­raums des Richt­li­ni­en­ge­bers nicht mehr zu recht­fer­ti­gen. Un­ter die­sen Um­stän­den führt ei­ne rein pro­por­tio­na­le Mit­tel­ver­tei­lung zwangs­läu­fig zu ei­ner gleich­heits­wid­ri­gen Be­nach­tei­li­gung klei­ne­rer Frak­tio­nen.

24 3. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 144 Abs. 4 Vw­GO). Viel­mehr zwin­gen sei­ne tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen zu der An­nah­me, dass sich ei­ne rein pro­por­tio­na­le Ver­tei­lung für den strei­ti­gen Zeit­raum we­gen der un­ter­schied­li­chen Frak­ti­ons­stär­ken und ei­nes er­heb­li­chen An­teils „fi­xen“ Auf­wan­des für die Ge­schäfts­füh­rung ver­bie­tet.

25 Selbst wenn der von der Frak­ti­ons­stär­ke un­ab­hän­gi­ge Auf­wand nicht drei Vier­tel des per­so­nel­len Ge­samt­auf­wands aus­macht, so ist die­ser An­teil doch kei­nes­falls so ge­ring, dass er nicht ins Ge­wicht fie­le; je­den­falls ent­steht je­der Frak­ti­on ein ge­wis­ser So­ckel­be­darf, der klei­ne­re Frak­tio­nen bei ei­ner rein pro­por­tio­na­len Mit­tel­ver­tei­lung un­gleich stär­ker be­schwert als grö­ße­re. Das er­gibt sich aus dem Prüf­be­richt des Rech­nungs­prü­fungs­am­tes der Be­klag­ten vom 7. März 2007, den das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ins Ver­fah­ren ein­ge­führt hat (vgl. UA S. 5) und des­sen In­halt die Be­tei­lig­ten auch in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat nicht wi­der­spro­chen ha­ben. Das Rech­nungs­prü­fungs­amt hat fest­ge­stellt, dass die Fi­nanz­la­ge un­ter­schied­lich gro­ßer Frak­tio­nen bei ei­ner rein pro­por­tio­na­len Mit­tel­ver­tei­lung er­heb­lich von­ein­an­der ab­weicht. Wäh­rend Frak­tio­nen mit ei­ner grö­ße­ren Mit­glie­der­zahl die be­reit­ge­stell­ten Mit­tel nicht in vol­ler Hö­he be­nö­tig­ten und zu­dem gro­ß­zü­gig ver­wen­de­ten, könn­ten die Auf­wen­dun­gen der klei­ne­ren Frak­tio­nen zum Teil nicht ge­deckt wer­den. Für die Wahl­pe­ri­ode 2009 bis 2014 hat der Stadt­rat der Be­klag­ten wohl des­halb die Richt­li­ni­en zur Fi­nan­zie­rung der Ge­schäfts­füh­rungs­tä­tig­keit der Frak­tio­nen wie­der ge­än­dert. 50 % der den Frak­tio­nen zu­ge­teil­ten Mit­tel wer­den seit­her als So­ckel­be­trag zu glei­chen Tei­len und 50 % nach der Frak­ti­ons­stär­ke ver­teilt. Da­mit ist der Rat zu ei­nem Kom­bi­na­ti­ons­mo­dell zu­rück­ge­kehrt.

26 4. Bei die­ser Sach­la­ge konn­te der Se­nat ge­mäß § 144 Abs. 3 Nr. 1 Vw­GO in der Sa­che selbst ent­schei­den.

27 a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin war da­bei al­ler­dings ih­rem Zah­lungs­be­geh­ren nicht oh­ne Wei­te­res zu ent­spre­chen. Zwar er­weist sich der Rats­be­schluss vom 26. Ja­nu­ar 2005 über die rein pro­por­tio­na­le Mit­tel­ver­ga­be als rechts­wid­rig. Da­mit tritt je­doch nicht der vor­he­ri­ge Ver­tei­lungs­maß­stab wie­der in Gel­tung; viel­mehr be­steht für die frag­li­che Zeit­span­ne der­zeit über­haupt kei­ne gül­ti­ge Ver­tei­lungs­re­ge­lung. Die Be­klag­te ist dem­zu­fol­ge - in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 113 Abs. 5 Satz 2 Vw­GO - zu ver­pflich­ten, über das Zah­lungs­be­geh­ren der Klä­ge­rin un­ter Be­ach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Se­nats neu zu ent­schei­den.

28 b) Hier­zu wird der Rat der Be­klag­ten für den in Re­de ste­hen­den Zeit­raum ei­ne neue - nun­mehr recht­mä­ßi­ge - Ver­tei­lungs­re­ge­lung zu be­schlie­ßen ha­ben. Das ist auch rück­wir­kend mög­lich. Na­ment­lich kann der der­zei­ti­ge Rat ei­ne Ver­tei­lungs­re­ge­lung auch für ei­ne zu­rück­lie­gen­de, ab­ge­schlos­se­ne Wahl­pe­ri­ode be­schlie­ßen. Dem ste­hen kom­mu­nal­ver­fas­sungs­recht­li­che Hin­der­nis­se nicht ent­ge­gen. Zwar sind die Frak­tio­nen selbst an den je­weils ge­wähl­ten Rat ge­bun­den und ge­hen mit En­de ei­ner Wahl­pe­ri­ode un­ter; in An­se­hung von Zah­lungs­an­sprü­chen der vor­lie­gen­den Art, auf wel­che sich ih­re Ab­wick­lung ge­ra­de be­zieht, be­stehen sie je­doch fort. Der Rat selbst ist ein kon­ti­nu­ier­li­ches Or­gan.

29 Bei der Neu­ver­tei­lung ist der Rat der Be­klag­ten nicht ge­hal­ten, ei­ne spe­zi­el­le Be­darfs­ana­ly­se zu er­stel­len. Viel­mehr wird ei­ne kri­ti­sche Aus­wer­tung der von den Frak­tio­nen oh­ne­hin vor­zu­le­gen­den Ver­wen­dungs­nach­wei­se (§ 35a Abs. 3 Satz 3 Sächs­Ge­mO) aus den zu­rück­lie­gen­den Jah­ren re­gel­mä­ßig ge­nü­gen. Das dem Rat zu­ste­hen­de Re­ge­lungs­er­mes­sen er­laubt zu­dem ei­ne ge­ne­ra­li­sie­ren­de und ty­pi­sie­ren­de Be­trach­tungs­wei­se. Al­ler­dings muss sich - wie er­wähnt - die Ver­tei­lungs­ent­schei­dung des Ra­tes stets auf die für die Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung er­for­der­li­chen Tä­tig­kei­ten und die Per­so­nal­auf­wen­dun­gen hier­für be­zie­hen und be­schrän­ken; sie darf we­der zu ei­ner ver­deck­ten Par­tei­en­fi­nan­zie­rung noch zu ei­ner (zu­sätz­li­chen) Auf­wands­ent­schä­di­gung für die ein­zel­nen Rats­mit­glie­der wer­den. Zu be­den­ken ist auch, dass der Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung nicht ob­liegt, die Wil­lens­bil­dung der Frak­ti­ons­mit­glie­der selbst vor­weg­zu­neh­men, dass sie sich viel­mehr auf or­ga­ni­sie­ren­de und ko­or­di­nie­ren­de Dienst­leis­tun­gen für die Frak­ti­ons­mit­glie­der zu be­schrän­ken hat. Hier­zu rech­nen je­den­falls die Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung der Frak­ti­ons­sit­zun­gen, die Mit­wir­kung bei der Kon­sti­tu­ie­rung des Ra­tes (ins­be­son­de­re die Be­schi­ckung sei­ner Aus­schüs­se), die Vor­be­rei­tung der Rats­sit­zun­gen (Sich­tung der Sit­zungs­vor­la­gen nebst „Be­richt­erstat­tung“ an die Frak­ti­ons­mit­glie­der, ggf. er­gän­zen­de In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung zu den Ta­ges­ord­nungs­punk­ten bei der Stadt­ver­wal­tung und bei Drit­ten) so­wie die Öf­fent­lich­keits­ar­beit der Frak­ti­on (vgl. § 35a Abs. 2 Sächs­Ge­mO).

30 Fin­det der Rat die Er­he­bun­gen des er­wähn­ten Prüf­be­richts be­stä­tigt, so darf er die für die Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rung be­reit­ge­stell­ten Haus­halts­mit­tel - je­den­falls bei un­ter­schied­lich gro­ßen Frak­tio­nen - nicht li­ne­ar pro­por­tio­nal auf die Frak­tio­nen ver­tei­len. Viel­mehr muss er ei­nen an­de­ren, sach­ge­rech­ten Ver­tei­lungs­maß­stab wäh­len. Das kann ein Kom­bi­na­ti­ons­mo­dell der Art sein, wie es vor 2005 galt und seit 2009 wie­der Gel­tung hat, mit ei­nem grö­ße­ren oder klei­ne­ren frak­ti­ons­stär­ke­un­ab­hän­gi­gen So­ckel­be­trag. In Be­tracht kom­men aber auch an­de­re Mo­del­le, et­wa ei­ne de­gres­siv-pro­por­tio­na­le Re­ge­lung, wel­che die ers­ten vier oder fünf Mit­glie­der ei­ner Frak­ti­on stär­ker ge­wich­tet als die zwei­ten und die­se wie­der­um stär­ker als die drit­ten vier oder fünf Mit­glie­der, und so fort.

31 c) Ob und in wel­chem Um­fang dem Zah­lungs­be­geh­ren der Klä­ge­rin auf der Grund­la­ge des neu­en Ver­tei­lungs­maß­stabs ent­spro­chen wer­den kann, rich­tet sich un­ter an­de­rem nach Haus­halts­recht. Au­ßer­dem wird die Be­klag­te zu be­den­ken ha­ben, dass - bei un­ver­än­der­tem Mit­tel­vo­lu­men - ei­ne Ver­än­de­rung des Ver­tei­lungs­maß­stabs, der klei­ne­re Frak­tio­nen ge­gen­über der bis­he­ri­gen Ver­tei­lung be­güns­tigt, im Ge­gen­zug die An­sprü­che grö­ße­rer Frak­tio­nen be­schnei­det. Hier­von wird die Klä­ge­rin nur so­weit pro­fi­tie­ren kön­nen, als grö­ße­re Frak­tio­nen ih­re Mit­tel nicht ab­ge­ru­fen oder nicht be­stim­mungs­ge­mäß ver­wen­det ha­ben und ei­ne Rück­for­de­rung noch mög­lich ist (vgl. § 35a Abs. 3 Satz 3 Sächs­Ge­mO).

32 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 155 Abs. 1 Vw­GO.