Pres­se­mit­tei­lung Nr. 82/2014 vom 17.12.2014

Be­schäf­ti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen nach werk­täg­li­chem La­den­schluss um 24.00 Uhr un­zu­läs­sig

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat mit ei­nem heu­te ver­öf­fent­lich­ten Be­schluss klar­ge­stellt, dass es ge­gen Ver­fas­sungs­recht ver­stö­ßt, wenn Ar­beit­neh­mer an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­schäf­tigt wer­den, um nach La­den­schluss am vor­aus­ge­gan­ge­nen Werk­tag um 24.00 Uhr noch an­we­sen­de Kun­den zu be­die­nen oder Ab­wick­lungs­ar­bei­ten vor­zu­neh­men.


Der Klä­ge­rin, ei­ner Su­per­markt-Han­dels­ket­te, war vom be­klag­ten Land Ber­lin auf­ge­ge­ben wor­den, die Öff­nungs­zei­ten an Sams­ta­gen und vor Wo­chen­fei­er­ta­gen so zu ge­stal­ten, dass nach 24.00 Uhr kei­ne Ar­beit­neh­mer zur Be­die­nung von Kun­den oder zur Er­le­di­gung von Ab­wick­lungs­ar­bei­ten be­schäf­tigt wer­den müs­sen. Die Klä­ge­rin hat dar­auf­hin die ge­richt­li­che Fest­stel­lung be­gehrt, hier­zu nicht ver­pflich­tet zu sein. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin hat die Fest­stel­lungs­kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg hat die Be­ru­fung der Klä­ge­rin zu­rück­ge­wie­sen. Das Ber­li­ner La­den­öff­nungs­ge­setz sei nach den Vor­ga­ben des Grund­ge­set­zes ein­schrän­kend so aus­zu­le­gen, dass die feh­len­de Be­gren­zung der La­den­öff­nung an Werk­ta­gen den Ar­beit­ge­bern nicht das Recht ge­be, an den dar­auf fol­gen­den Sonn- oder Fei­er­ta­gen nach 0.00 Uhr Ar­beit­neh­mer zur Be­die­nung noch an­we­sen­der Kun­den oder zur Vor­nah­me von Ab­schluss­ar­bei­ten zu be­schäf­ti­gen.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die­se Auf­fas­sung be­stä­tigt und die Be­schwer­de der Klä­ge­rin ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on zu­rück­ge­wie­sen. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist der Schutz der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ge­setz­lich so aus­zu­ge­stal­ten, dass an die­sen Ta­gen grund­sätz­lich die Ver­rich­tung ab­hän­gi­ger Ar­beit ruht. Es muss als Re­gel gel­ten, dass die Sonn- und Fei­er­ta­ge Ta­ge der Ar­beits­ru­he sind. Aus­nah­men sind nur zur Wah­rung hö­her- oder gleich­wer­ti­ger Rechts­gü­ter mög­lich. Da­zu zäh­len nicht das Um­satz­in­ter­es­se der La­den­in­ha­ber und das all­täg­li­che Er­werbs­in­ter­es­se („Shop­ping-In­ter­es­se“) po­ten­zi­el­ler Käu­fer. Da­nach dür­fen Ar­beit­neh­mer nicht re­gel­mä­ßig an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­schäf­tigt wer­den, um es La­den­in­ha­bern und Kun­den zu er­mög­li­chen, die ge­setz­lich zu­ge­las­se­ne La­den­öff­nung an Sams­ta­gen und vor Wo­chen­fei­er­ta­gen bis 24.00 Uhr voll aus­zu­schöp­fen.


BVer­wG 8 B 66.14 - Be­schluss vom 04. De­zem­ber 2014

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 1 B 1.12 - Ur­teil vom 03. April 2014 -

VG Ber­lin, 35 K 388.09 - Ur­teil vom 30. No­vem­ber 2011 -


Be­schluss vom 04.12.2014 -
BVer­wG 8 B 66.14ECLI:DE:BVer­wG:2014:041214B8B66.14.0

Leit­satz:

Der ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­re Sonn- und Fei­er­tags­schutz nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV schlie­ßt Re­ge­lun­gen aus, wo­nach Ar­beit­neh­mer im An­schluss an ei­ne werk­täg­li­che La­den­öff­nung bis 24.00 Uhr an dar­auf fol­gen­den Sonn- und Fei­er­ta­gen be­schäf­tigt wer­den dür­fen, um bei La­den­schluss noch an­we­sen­de Kun­den zu be­die­nen oder Auf­räum- und Ab­schluss­ar­bei­ten vor­zu­neh­men (im An­schluss an BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerf­GE 125, 39 <84 ff.>).

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 8 B 66.14

  • VG Ber­lin - 30.11.2011 - AZ: VG 35 K 388.09
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 03.04.2014 - AZ: OVG 1 B 1.12

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 8. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 4. De­zem­ber 2014
durch den Vi­ze­prä­si­den­ten des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts Dr. Christ,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Dei­seroth und
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Hau­ser
be­schlos­sen:

  1. Die Be­schwer­de der Klä­ge­rin ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 3. April 2014 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Die Klä­ge­rin trägt die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens.
  3. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Be­schwer­de­ver­fah­ren auf 15 000 € fest­ge­setzt.

Grün­de

1 Die Be­tei­lig­ten strei­ten dar­um, ob die Klä­ge­rin, die in Ber­lin Su­per­märk­te be­treibt, die teil­wei­se bis 24.00 Uhr ge­öff­net sind, die­se an Sams­ta­gen und vor Fei­er­ta­gen so recht­zei­tig schlie­ßen muss, dass die Ta­ges­ab­schluss­ar­bei­ten vor An­bruch des Sonn- oder Fei­er­ta­ges er­le­digt sind und ih­re Ar­beit­neh­mer nicht in die­se Ta­ge hin­ein be­schäf­tigt wer­den müs­sen. Die Kla­ge mit dem Be­geh­ren fest­zu­stel­len, dass die Klä­ge­rin nicht ver­pflich­tet sei, die Sams­tags­öff­nungs­zei­ten und die Öff­nungs­zei­ten vor Wo­chen­fei­er­ta­gen der Ber­li­ner Fi­lia­len bzw. Märk­te so zu ge­stal­ten, dass Kun­den­be­die­nung und not­wen­di­ge Ta­ges­ab­schluss­ar­bei­ten bis 24.00 Uhr er­le­digt wer­den kön­nen, hat das Ver­wal­tungs­ge­richt ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat im Be­ru­fungs­ver­fah­ren das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts be­stä­tigt. Ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on ge­gen die Be­ru­fungs­ent­schei­dung hat die Klä­ge­rin Be­schwer­de er­ho­ben.

2 Die auf die Zu­las­sungs­grün­de der grund­sätz­li­chen Be­deu­tung und der Di­ver­genz ge­stütz­te Be­schwer­de hat kei­nen Er­folg.

3 1. Der Zu­las­sungs­grund der grund­sätz­li­chen Be­deu­tung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO) ist nicht ge­ge­ben.

4 Die Grund­satz­rü­ge setzt die For­mu­lie­rung ei­ner be­stimm­ten, höchst­rich­ter­lich noch un­ge­klär­ten und für die Re­vi­si­ons­ent­schei­dung er­heb­li­chen Rechts­fra­ge des re­vi­si­blen Rechts vor­aus, der ei­ne all­ge­mei­ne, über den Ein­zel­fall hin­aus­ge­hen­de Be­deu­tung zu­kommt (Be­schluss vom 19. Au­gust 1997 - BVer­wG 7 B 261.97 - Buch­holz 310 § 133 <n.F.> Vw­GO Nr. 26). Die Be­schwer­de muss dar­le­gen, dass ge­ra­de die an­geb­lich ver­letz­te Re­ge­lung rechts­grund­sätz­li­che Fra­gen auf­wirft (Be­schlüs­se vom 9. März 1984 - BVer­wG 7 B 238.81 - Buch­holz 401.84 Be­nut­zungs­ge­büh­ren Nr. 49 und vom 15. Ju­ni 2009 - BVer­wG 6 B 12.09 - Rn. 6).

5 a) Hin­sicht­lich der Fra­ge,
„Ver­bie­tet Art. 139 WRV die Of­fen­hal­tung von Ge­schäf­ten an Werk­ta­gen bis 24.00 Uhr, wenn hier­durch Ar­beit­neh­mer an Sonn- oder Fei­er­ta­gen bis zu 30 Mi­nu­ten nach En­de der Öff­nungs­zei­ten zur Durch­füh­rung von Schließ- und Auf­räum­ar­bei­ten so­wie Ab­fer­ti­gung noch in den Ge­schäfts­räu­men be­find­li­cher Kun­den be­schäf­tigt wer­den müs­sen?“
zeigt die Be­schwer­de kei­nen Klä­rungs­be­darf auf, der über die be­reits er­gan­ge­ne Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung (WRV), die zum Schutz der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he im Zu­sam­men­hang mit La­den­öff­nungs­zei­ten er­gan­gen ist, hin­aus­geht.

6 Das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil ist ma­ß­geb­lich auf die An­nah­me ge­stützt, nach den sich aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV er­ge­ben­den Min­dest­an­for­de­run­gen sei­en die Ver­kaufs­stel­len an den Werk­ta­gen vor den Sonn- und Fei­er­ta­gen so recht­zei­tig zu schlie­ßen, dass nach 24.00 Uhr kei­ne Ar­beit­neh­mer mehr zur Be­die­nung noch an­we­sen­der Kun­den und zur Durch­füh­rung von Schließ- und Auf­räum­ar­bei­ten mehr be­schäf­tigt wer­den müss­ten. Die werk­täg­li­chen La­den­öff­nungs­zei­ten dürf­ten an den Ta­gen vor Sonn- und Fei­er­ta­gen nicht al­lein aus Grün­den des wirt­schaft­li­chen Um­satz­in­ter­es­ses der Ver­kaufs­stel­len­in­ha­ber oder ei­nes all­ge­mei­nen Kauf­in­ter­es­ses der Bür­ger bis 24.00 Uhr aus­ge­schöpft wer­den, wenn da­durch Ar­beit­neh­mer re­gel­mä­ßig an Sonn- und Fei­er­ta­gen bis zu 30 Mi­nu­ten be­schäf­tigt wer­den müss­ten. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt lei­tet die­se An­nah­me zu Recht aus der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts her.

7 Da­nach be­deu­tet die ver­fas­sungs­recht­li­che Ga­ran­tie der Sonn- und Fei­er­ta­ge als „Ta­ge der Ar­beits­ru­he“, dass an die­sen Ta­gen „grund­sätz­lich die Ge­schäfts­tä­tig­keit in Form der Er­werbs­ar­beit, ins­be­son­de­re der Ver­rich­tung ab­hän­gi­ger Ar­beit, ru­hen“ soll, „da­mit der Ein­zel­ne die­se Ta­ge al­lein oder in Ge­mein­schaft mit an­de­ren un­ge­hin­dert von werk­täg­li­chen Ver­pflich­tun­gen und Be­an­spru­chun­gen nut­zen kann“; es soll sich „grund­sätz­lich um ei­nen für al­le ver­bind­li­chen Tag der Ar­beits­ru­he“ han­deln (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerf­GE 125, 39 <85 f.>). Die ge­ne­rel­le Ar­beits­ru­he an Sonn- und Fei­er­ta­gen soll dem Ein­zel­nen die Mög­lich­keit der phy­si­schen und psy­chi­schen Re­ge­ne­ra­ti­on er­öff­nen (a.a.O. S. 83). Der Schutz­auf­trag nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ent­hält für die Ar­beit an Sonn- und Fei­er­ta­gen ein Re­gel-Aus­nah­me-Ver­hält­nis; ge­setz­li­che Schutz­kon­zep­te für die Ge­währ­leis­tung der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he müs­sen „er­kenn­bar die­se Ta­ge als sol­che der Ar­beits­ru­he zur Re­gel er­he­ben“. Aus­nah­men hier­von sind nur zur Wah­rung hö­her- oder gleich­wer­ti­ger Rechts­gü­ter mög­lich. Ein bloß wirt­schaft­li­ches Um­satz­in­ter­es­se der Ver­kaufs­stel­len­in­ha­ber und ein all­täg­li­ches Er­werbs­in­ter­es­se („Shop­ping-In­ter­es­se“) po­ten­zi­el­ler Käu­fer ge­nü­gen je­doch grund­sätz­lich nicht, um Aus­nah­men von dem ver­fas­sungs­un­mit­tel­bar ver­an­ker­ten Schutz der Ar­beits­ru­he und der Mög­lich­keit zu see­li­scher Er­he­bung an Sonn- und Fei­er­ta­gen zu recht­fer­ti­gen (a.a.O. S. 85, 87).

8 Aus­ge­hend da­von ist nicht er­kenn­bar, dass die Rechts­sa­che Ge­le­gen­heit zu wei­te­rer Klä­rung der ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­ren Min­dest­an­for­de­run­gen an den ge­setz­li­chen Schutz der Sonn- und Fei­er­ta­ge ge­ben könn­te. Die Be­schwer­de meint, der vor­lie­gen­de Fall un­ter­schei­de sich we­sent­lich von dem­je­ni­gen, der der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu­grun­de ge­le­gen ha­be. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ha­be nur fest­ge­stellt, dass die Min­dest­an­for­de­run­gen dann un­ter­schrit­ten sei­en, wenn der Schutz für ei­nen gan­zen Mo­nat voll­stän­dig auf­ge­ho­ben sei. Dem­ge­gen­über ste­he hier ein Ein­griff in die Sonn- und Fei­er­tags­ru­he von sehr ge­rin­ger In­ten­si­tät in Re­de. Denn es ge­he le­dig­lich um die Nut­zung der ers­ten hal­ben Stun­de des Sonn- oder Fei­er­tags für Ar­bei­ten, die zu­dem un­ter Aus­schluss der Öf­fent­lich­keit statt­fän­den. Dem kann nicht ge­folgt wer­den. Die Aus­sa­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum Min­dest­ni­veau des ver­fas­sungs­recht­li­chen Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes be­schrän­ken sich nicht al­lein auf den kon­kre­ten Fall. Viel­mehr ent­wi­ckelt das Ge­richt - wie oben aus­ge­führt - ei­nen all­ge­mei­nen Maß­stab, an dem die Ein­hal­tung der Min­dest­an­for­de­run­gen auch in an­de­ren Fäl­len ge­mes­sen wer­den kann (vgl. a.a.O. S. 84 ff.). Nach die­sem Maß­stab kann der vor­lie­gen­de Fall oh­ne Wei­te­res be­ur­teilt wer­den; es be­darf da­zu nicht der Durch­füh­rung ei­nes Re­vi­si­ons­ver­fah­rens. Im Un­ter­schied zur La­den­öff­nung an vier Sonn­ta­gen „im Block“ ist das Re­gel-Aus­nah­me-Ver­hält­nis von Ar­beits­ru­he und Be­schäf­ti­gung an Sonn­ta­gen hier nicht nur in Fra­ge ge­stellt (vgl. a.a.O. S. 95), son­dern in sein Ge­gen­teil ver­kehrt. Denn bei ei­ner voll­stän­di­gen Aus­schöp­fung der Öff­nungs­zeit bis 24.00 Uhr auch an den Werk­ta­gen vor Sonn- und Fei­er­ta­gen ist kei­ner der Sonn- und Fei­er­ta­ge des Jah­res mehr ein „Tag der Ar­beits­ru­he“; die Be­schäf­ti­gung von Ar­beit­neh­mern an die­sen Ta­gen wird zur Re­gel. Von ei­ner nur ge­ring­fü­gi­gen Be­ein­träch­ti­gung des Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes kann da­her kei­ne Re­de sein, auch wenn die Ver­rich­tung ab­hän­gi­ger Ar­beit je­weils nur ei­ne hal­be Stun­de an­dau­ern soll­te. Im Üb­ri­gen wird die Mög­lich­keit der phy­si­schen und psy­chi­schen Re­ge­ne­ra­ti­on der Ar­beit­neh­mer deut­lich nach­tei­lig be­rührt, wenn an Sonn- und Fei­er­ta­gen in der ers­ten hal­ben Stun­de nach Mit­ter­nacht ge­ar­bei­tet wer­den muss.

9 Et­was an­de­res folgt ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­schwer­de auch nicht dar­aus, dass die Be­schäf­ti­gung von Ar­beit­neh­mern nach Schlie­ßung der Ver­kaufs­stel­len und da­mit nicht in der Öf­fent­lich­keit statt­fin­det. Denn die Min­dest­ga­ran­tie des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV be­zieht sich nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts im In­ter­es­se der ab­hän­gig Be­schäf­tig­ten auch auf den Schutz der Ar­beits­ru­he an Sonn- und Fei­er­ta­gen als sol­cher (vgl. a.a.O. S. 82, 85 f., 92 f.). Hin­sicht­lich die­ses Schutz­zwecks kommt es nicht dar­auf an, ob die Ar­beit für die Öf­fent­lich­keit er­kenn­bar er­bracht wird oder nicht. Schlie­ß­lich kann an­hand der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf­ge­stell­ten Kri­te­ri­en oh­ne Wei­te­res die feh­len­de Recht­fer­ti­gung des Ein­griffs in die ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­währ­leis­tung des Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes fest­ge­stellt wer­den. Die Be­schwer­de stellt die An­nah­me des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht in Ab­re­de, dass al­lein das In­ter­es­se in Re­de steht, die werk­täg­li­che Öff­nungs­zeit von 24 Stun­den auch an den Ta­gen vor den Sonn- und Fei­er­ta­gen voll­stän­dig aus­schöp­fen zu kön­nen. Die­ses In­ter­es­se geht je­doch über „ein bloß wirt­schaft­li­ches Um­satz­in­ter­es­se der Ver­kaufs­stel­len­in­ha­ber“ oder über ein „all­täg­li­ches Er­werbs­in­ter­es­se“ nicht hin­aus, das nach der oben ge­nann­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ei­ne Ab­wei­chung vom Re­gel­fall der Sonn- und Fei­er­ta­ge als „Ta­ge der Ar­beits­ru­he“ grund­sätz­lich nicht recht­fer­ti­gen kann.

10 b) So­weit die Be­schwer­de die Zu­las­sung der Re­vi­si­on mit Blick auf Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit der An­wend­bar­keit des Ar­beits­zeit­ge­set­zes und der Ab­gren­zung von Ge­setz­ge­bungs­zu­stän­dig­kei­ten des Bun­des und der Län­der hin­sicht­lich des Ar­beits­schut­zes und des Rechts des La­den­schlus­ses be­gehrt, sind die­se Fra­gen nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­schwer­de hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung nicht selbst­stän­dig tra­gend auf das Ar­beits­schutz­ge­setz ge­stützt. Das Ge­richt hat viel­mehr an­ge­nom­men, dass mit Blick auf die Min­dest­an­for­de­run­gen des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV an die ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung des Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes die lan­des­recht­li­chen Re­ge­lun­gen zur La­den­öff­nung ein­schrän­kend aus­zu­le­gen sei­en. Da­nach sei­en die Ver­kaufs­stel­len an den Werk­ta­gen vor den Sonn- und Fei­er­ta­gen so recht­zei­tig zu schlie­ßen, dass nach 24.00 Uhr kei­ne Ar­beit­neh­mer mehr zur Kun­den­be­die­nung und zur Vor­nah­me von Ab­schluss­ar­bei­ten be­schäf­tigt wer­den müss­ten. Die Re­ge­lung des § 9 Abs. 1 Ar­beits­zeit­ge­setz (ArbZG), wo­nach Ar­beit­neh­mer an Sonn- und Fei­er­ta­gen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr nicht be­schäf­tigt wer­den dür­fen, hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt nur als „Be­stä­ti­gung“ für ei­nen Gleich­klang zwi­schen dem Ber­li­ner La­den­öff­nungs­ge­setz und dem Ar­beits­zeit­ge­setz her­an­ge­zo­gen. Im Üb­ri­gen macht die Be­schwer­de auch nicht gel­tend, dass das Ar­beits­zeit­recht we­ni­ger streng ist als die lan­des­recht­li­chen Vor­schrif­ten zur La­den­öff­nung und ei­ne Be­schäf­ti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen bis 0.30 Uhr zur Be­die­nung noch an­we­sen­der Kun­den und zur Vor­nah­me von Ab­schluss­ar­bei­ten zu­lässt.

11 2. Der Zu­las­sungs­grund der Di­ver­genz ist nicht in der ge­mäß § 133 Abs. 3 Satz 3 ge­bo­te­nen Wei­se dar­ge­legt.

12 Von ei­ner Ab­wei­chung im Sin­ne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 Vw­GO ist nur aus­zu­ge­hen, wenn das Be­ru­fungs­ge­richt in An­wen­dung der­sel­ben Rechts­vor­schrift mit ei­nem sei­ne Ent­schei­dung tra­gen­den abs­trak­ten Rechts­satz von ei­ner Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, des Ge­mein­sa­men Se­nats der Obers­ten Ge­richts­hö­fe des Bun­des oder des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ab­weicht und die Ent­schei­dung auf die­ser Ab­wei­chung be­ruht.

13 Die Be­schwer­de ent­nimmt der Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts den Rechts­satz: „Art. 139 WRV ent­hält ein auf den vor­an­ge­hen­den Werk­tag aus­strah­len­des Ver­bot der Stö­rung der Sonn­tags­ru­he, hin­ter der das Grund­recht aus Art. 12 GG zu­rück­zu­tre­ten hat“. Ei­nen sol­chen Rechts­satz, der ei­nen ge­ne­rel­len Vor­rang des Schut­zes der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he vor Art. 12 GG an­zeigt, hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt nicht auf­ge­stellt. Es ist viel­mehr da­von aus­ge­gan­gen, dass das wirt­schaft­li­che Um­satz­in­ter­es­se der Ver­kaufs­stel­len­in­ha­ber oder ein all­ge­mei­nes Kauf­in­ter­es­se der Bür­ger ei­ne Be­schäf­ti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen für ei­nen Zeit­raum von bis zu ei­ner hal­ben Stun­de nach La­den­schluss um 24.00 Uhr zur Be­die­nung noch an­we­sen­der Kun­den und zur Durch­füh­rung von Ab­schluss­ar­bei­ten nicht recht­fer­ti­gen kön­nen. Die­se Er­wä­gung weicht nicht von ei­nem Rechts­satz des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ab, son­dern deckt sich ge­ra­de mit des­sen Recht­spre­chung, wie sich aus den obi­gen Aus­füh­run­gen er­gibt.

14 Hin­sicht­lich der Fra­ge der An­wend­bar­keit des Ar­beits­zeit­ge­set­zes kommt Di­ver­genz schon des­halb nicht in Be­tracht, weil das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt - wie aus­ge­führt - auf des­sen Re­ge­lun­gen nicht ent­schei­dungs­tra­gend ab­ge­stellt hat.

15 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 2 Vw­GO. Die Fest­set­zung des Streit­werts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.