Beschluss vom 01.10.2009 -
BVerwG 7 B 24.09ECLI:DE:BVerwG:2009:011009B7B24.09.0
Beschluss
BVerwG 7 B 24.09
- OVG Berlin-Brandenburg - 05.03.2009 - AZ: OVG 12 B 15.08
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. März 2009 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 326 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Klägerin - ein kommunales Energieversorgungsunternehmen - wendet sich gegen die Erhebung von Gebühren in Höhe von 20 526,72 € im Nachgang zur Zuteilung von 439 224 Emissionsberechtigungen für ein von ihr betriebenes Heizwerk (Zuteilungsperiode 2005 bis 2007). Der angegriffene Bescheid ist gestützt auf die Emissionshandelskostenverordnung 2007 (EHKostV 2007), zu deren Erlass § 22 Satz 3 TEHG 2004 und § 23 Satz 3 ZuG 2007 ermächtigen. Nach Auffassung der Klägerin sind die Nr. 1.1 bis 1.4 des Gebührenverzeichnisses von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt.
2 Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht der hiergegen gerichteten Klage ganz überwiegend stattgegeben (lediglich eine Kontoeinrichtungsgebühr in Höhe von 200 € wurde für rechtmäßig erachtet). Die Emissionshandelskostenverordnung sei mit ihrem Anhang von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckt. Gebühren könnten nur für Amtshandlungen, nicht aber für sämtliche Tätigkeiten der Behörde erhoben werden. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Die vom Verordnungsgeber vorgenommene Kalkulation sei auf eine vollständige Refinanzierung der Tätigkeit der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) ausgerichtet und decke auch nachfolgende Amtshandlungen ab. Die hiermit verbundene nichtsteuerliche Finanzierung sämtlicher Tätigkeiten durch Gebühren überschreite den vom Gesetzgeber in den Ermächtigungsgrundlagen vorgegebenen Rahmen der Finanzierungsverantwortlichkeit der Gebührenschuldner.
3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II
4 Die Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
5
1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„wo die Grenze zwischen einem ‚amtshandlungsfreien Behördenhandeln’ einerseits und einer Amtshandlung anderseits verläuft, wenn die Amtshandlung verschiedene behördliche Vorarbeiten zwingend voraussetzt“,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie sich bereits anhand der einschlägigen Rechtsprechung beantworten lässt und sich so in einem Revisionsverfahren auch nicht stellen würde.
6 Der Begriff der Amtshandlung ist sowohl gesetzlich definiert (§ 1 Abs. 1 VwKostG) als auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. Urteil vom 19. September 2001 - BVerwG 6 C 13.00 - BVerwGE 115, 125 <128 f.>; BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE 108, 1 <19 ff., 25 f.>).
7 Auch die Frage nach der Grenze zwischen bloßem Behördenhandeln und Amtshandlung ist für die Streitsache ohne Bedeutung. Nach allgemeiner Rechtsauffassung versteht man unter einer Gebühr eine öffentliche Abgabe, die eine Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme oder Leistung der Verwaltung darstellt (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <346>; BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - BVerwG 6 C 5.02 - NVwZ 2003, 1385 <1386>). Ersichtlich knüpfen hieran die gesetzlichen Ermächtigungen in § 22 Satz 1 TEHG 2004 und § 23 Satz 1 ZuG 2007 an, wonach nur für Amtshandlungen - und nicht lediglich für allgemeines Verwaltungshandeln - kostendeckende Gebühren erhoben werden. Dass es sich bei der Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen um Amtshandlungen handelt, wird von den Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellt.
8 Nach der - angesichts des eindeutigen Wortlauts zutreffenden - Auslegung der beiden Ermächtigungsnormen durch das Oberverwaltungsgericht haben diese (nur) Verwaltungsgebühren zum Gegenstand und heben (spezialgesetzlich) für die Gebührenbemessung auf das Kostendeckungsprinzip ab (vgl. § 3 Satz 2 VwKostG). Dieses besagt, dass sich die Gebühr allein nach dem Aufwand für die gebührenpflichtige Leistung bemisst und diesen nicht überschreiten darf. Nach dieser gesetzlichen Regelung können damit weder sonstige Verwaltungsaufwendungen noch weitere, in der Zuteilungsperiode noch anfallende Amtshandlungen (gleichsam vorweg) abgegolten werden. Das Oberverwaltungsgericht hat den Inhalt der Ermächtigungen insbesondere zu Recht nicht dahingehend verstanden, dass angesichts der allgemeinen Formulierung des Gebührentatbestands in den Ermächtigungen es dem Verordnungsgeber überlassen bleibe, ausgehend vom Äquivalenzprinzip weitere Differenzierungen zu treffen (vgl. Urteil vom 19. September 2001 a.a.O.). Weitere Zweifelsfragen, die einer revisionsgerichtlichen Vertiefung bedürfen, sind weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
9
2. Die Grundsatzrevision ist auch nicht bezüglich der Frage zuzulassen,
ob die abgabenrechtliche Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis dem Verordnungsgeber auch bei der Höhe der kalkulierten Gesamteinnahmen eine Fehlertoleranz einräumt,
weil - wie die Beschwerde selbst einräumt - das Oberverwaltungsgericht Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die Frage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre, nicht festgestellt hat. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die Vorinstanz sich zu Sach- und Rechtsfragen nicht geäußert hat und lediglich die Möglichkeit besteht, dass diese nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung thematisiert und damit auch entscheidungserheblich werden können (Beschluss vom 6. Juni 2006 - BVerwG 6 B 27.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 35 m.w.N.). Im Übrigen stellt sich diese Frage von vornherein nicht, wenn es schon - wie hier - an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenerhebung fehlt.
10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.