Urteil vom 01.09.2010 -
BVerwG 6 A 4.09ECLI:DE:BVerwG:2010:010910U6A4.09.0
Leitsätze:
1. Der Verein „Heimattreue Deutsche Jugend - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.“ weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend auf.
2. Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, sind dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln.
Urteil
BVerwG 6 A 4.09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 1. September 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Bier und Dr. Möller
für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift „Funkenflug“ heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.
2 Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.
3 Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.
4 Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.
5 Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.
6
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.
7
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
8 Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.
II
9 Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
10 1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.
11 a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 <Rn. 13> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).
12 b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.
13 aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).
14 Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).
15 Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.
16 Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift „Funkenflug“ (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als „1. Bundesführer“ bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten „Führerrundbrief 2/04“ (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird „je nach Ausgewogenheit“ zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im „Funkenflug“ veröffentlicht worden sei.
17 bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.
18 (1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel „Wo stehen wir?“ (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als „Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt“ beschrieben und das nach „Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland“ gepriesen.
19 Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den „Anschluss“ des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.
20 Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.
21 (2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als „volksschädlich“ und „volksfremd“ definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen „Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit“ (Anl. 38, S. 4), sei „die höchste Form völkischen Zusammenlebens“ und habe „oberstes Ziel der Politik“ zu sein. „Volksfremde“ könnten in einer solchen Gemeinschaftsform „keinen Platz finden“. Das Volk werde „durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht“.
22 Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der „biologischen Existenz“ des (deutschen) Volkes durch „Fremdvölkische( )“.
23 (3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten „Führerrundbrief 02/07“ (Anl. 73) enthalten ist: „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die ‚Sinnfrage‘ stellen und verunsichert stillsitzen.“
24 Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.
25 (4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. „Leitstellenführer der Leitstelle Nord“ des Klägers, in dem Artikel „Jugendbewegung, woher und wohin?“ (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: „... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein.“
26 Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.
27 In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel „Sturmjugend“ (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: „Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer.“
28 Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift „Der Trommler“ aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.
29 Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: „Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt.“
30 Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.
31 cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.
32 In einem mit „Heldengedenken 01.08“ überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. „Leitstellenführer der Leitstelle Süd“ des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: „Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation.“ Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein „Bundesführerin der Mädchen“ genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als „Märtyrer des Friedens“; im Jahr 1987 habe seine „Ermordung in Spandau“ stattgefunden (Anl. 27).
33 Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.
34 dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.
35 Den Begriff „Führer“ verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade („Bundesführer“, „Bundesführerin der Mädchen“, „Zweiter Bundesführer“, „Leitstellenführer“, „Einheitsführer“, „Unterführer“) und Dienstränge („Führer vom Dienst“, „Wachführer vom Dienst“, „Zeltführer/Stubenführer“) sowie für seine Publikationen („Führerrundbrief“, „Führerhandbuch“ <Anl. 6, dort zum Ganzen S. 21 f.>). Als Grußformel gegenüber sog. „Führern“ und „Unterführern“ schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte „Heil Dir!“ oder „Heil Euch!“ vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er „Pimpfe“ (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).
36 Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes „Heil“ den Zusammenhang der Grußformel „Heil Dir/Euch!“ mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff „Pimpf“ ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.
37 ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: „Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ...“
38 (1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. „Leitstellenführer der Leitstelle Nord“ des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. „Rasseschulung“ für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema „Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung“, in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der „Durchmischung“ von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms „Der ewige Jude“ zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.
39 Diese sog. „Rasseschulung“ ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst „Rasseschulungen“ abhält.
40 (2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch „Rasseschulungen“ durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die „Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung“ bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: „In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!“ Ähnliches Gedankengut findet sich in dem „Volk und Sprache“ überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. „Einheitsführerin der Einheit Schwaben“ des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: „Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern.“ Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift „Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -“ (Anl. 110) enthält die Passage: „Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin.“ Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte „Prüfungsbögen“ (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu „Biologie und Rassenkunde“ überprüft.
41 Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. „Blutschutzgesetzes“ formuliert ist.
42 (3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über „Erntedank im Volksbrauch“ (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: „Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art.“ In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel „Das Kleid der Unsterblichkeit“ (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: „Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen.“ Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift „Du bist Deutschland“ (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: „Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird.“
43 Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als „ein Fleisch und ein Blut“ bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.
44 ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.
45 (1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag „Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung“, den Ragnar D..., sog. „Leitstellenführer der Leitstelle Nord“ des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. „Judenwitze“ in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage „Was bringt die Zukunft?“ als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms „Der ewige Jude“. Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.
46 (2) Die sog. „Einheitsführerin der Einheit Schwaben“ des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung „Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung „Daily Express“ vom 24. März 1933, es habe eine „Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland“ gegeben und führt aus: „Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können.“
47 Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.
48 (3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel „Der Nahe Osten ist näher als du denkst“ (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: „Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben.“ Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen „Einwurf“ (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: „Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch.“
49 In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.
50 gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.
51 (1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als „Umerziehung“ durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: „In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten.“ Der sog. „Leitstellenführer der Leitstelle Süd“ des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift „Einheitsgründungsfeier“ wie folgt: „ ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!“ Die sog. „Bundesführerin der Mädchen“, Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: „(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten.“ Und ein Schreiben, das der sog. „Leitstellenführer der Leitstelle Nord“ des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: „Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand.“
52 Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00 , 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der „Umerziehung“ auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).
53 (2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel „Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit“ (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): „Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen ‚schwarz-weiß-rot’ auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!“ Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift „Zur Gesellschaft“ (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): „Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk.“
54 Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.
55 hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel „Sturmjugend“ (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als „Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer“ zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): „Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten.“ In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: „Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen.“ Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel „Revolution“ (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: „Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand.“ Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: „Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!“
56 Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.
57 2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.
58 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.