Be­schluss vom 19.05.2016 -
BVer­wG 6 B 38.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:190516B6B38.15.0

Wich­ti­ger Grund für ei­ne Vor­na­mens­än­de­rung

Leit­satz:

Ein wich­ti­ger Grund für ei­ne Än­de­rung des Vor­na­mens kann ver­neint wer­den, wenn die Än­de­rung der Ord­nungs­funk­ti­on des Vor­na­mens wi­der­spricht (hier: Hin­zu­fü­gen ei­nes weib­li­chen zu ei­nem männ­li­chen Vor­na­men).

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 6 B 38.15

  • VG Ans­bach - 30.01.2015 - AZ: VG AN 14 K 14.00440
  • VGH Mün­chen - 30.06.2015 - AZ: VGH 5 BV 15.456

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 6. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 19. Mai 2016
durch die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Heitz, Hahn und Dr. Te­get­hoff
be­schlos­sen:

  1. Die Be­schwer­de des Klä­gers ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Be­schluss des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 30. Ju­ni 2015 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens.
  3. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Be­schwer­de­ver­fah­ren auf 5 000 € fest­ge­setzt.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger be­an­trag­te beim Stan­des­amt der Be­klag­ten die Än­de­rung sei­nes Vor­na­mens durch Hin­zu­fü­gen ei­nes weib­li­chen Vor­na­mens. Er lei­det an ei­ner Stö­rung der Ge­schlechts­iden­ti­tät und fühlt sich nicht nur ent­spre­chend sei­nem bio­lo­gi­schen Ge­schlecht als Mann, son­dern pha­sen­wei­se aus­schlie­ß­lich als Frau. Die Ein­tra­gung ei­nes weib­li­chen Vor­na­mens in das Per­so­nen­stands­re­gis­ter sei er­for­der­lich, um den durch sei­ne psy­chi­sche Er­kran­kung her­vor­ge­ru­fe­nen Lei­dens­druck mil­dern und künf­tig bei­de Ge­schlech­ter gleich­be­rech­tigt le­ben, ins­be­son­de­re als Frau im Rechts­ver­kehr auf­tre­ten zu kön­nen. Den An­trag lehn­te die Be­klag­te ab.

2 Der im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ge­stell­te An­trag des Klä­gers, die Be­klag­te zu ver­pflich­ten, sei­nen Vor­na­men zu än­dern und im Per­so­nen­stands­re­gis­ter den zwei­ten Vor­na­men "Ali­na" ein­zu­tra­gen, blieb in den Vor­in­stan­zen er­folg­los. Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat in sei­nem die Be­ru­fung zu­rück­wei­sen­den Be­schluss zur Be­grün­dung un­ter an­de­rem aus­ge­führt:

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt ha­be zu­tref­fend ei­nen An­spruch auf die be­gehr­te Na­mens­än­de­rung durch Hin­zu­fü­gung ei­nes weib­li­chen Vor­na­mens ab­ge­lehnt. Ein wich­ti­ger Grund für die Na­mens­än­de­rung lie­ge nicht vor. Die sei­tens des Klä­gers an­ge­führ­ten Um­stän­de sei­en nicht ge­eig­net, ein Über­wie­gen sei­ner für die be­gehr­te Na­mens­än­de­rung strei­ten­den In­ter­es­sen ge­gen­über dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se am un­ver­än­der­ten Fort­be­stand sei­nes Vor­na­mens dar­zu­tun. Zwar schüt­ze Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG den Vor­na­men ei­nes Men­schen zum ei­nen als Mit­tel zu sei­ner Iden­ti­täts­fin­dung und Ent­wick­lung der ei­ge­nen In­di­vi­dua­li­tät und zum an­de­ren als Aus­druck sei­ner er­fah­re­nen oder ge­won­ne­nen ge­schlecht­li­chen Iden­ti­tät. Das in­so­weit ver­bürg­te Recht auf freie Per­sön­lich­keits­ent­fal­tung, wel­ches grund­sätz­lich die freie Wahl des Vor­na­mens schüt­ze, fin­de aber sei­ne Schran­ke in der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung. Dem Na­mens­recht und dem Per­so­nen­stands­ge­setz lie­ge da­bei das Prin­zip der Ge­schlechts­of­fen­kun­dig­keit von Vor­na­men zu­grun­de, ge­gen das ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken im Hin­blick auf die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­deu­ti­gen Ge­schlechts­zu­ord­nung ei­ner Per­son im Rechts­ver­kehr nicht er­sicht­lich sei­en. Die Iden­ti­fi­ka­ti­ons- und In­di­vi­dua­li­sie­rungs­funk­ti­on des Na­mens stel­le ei­nen ge­wich­ti­gen Ge­mein­wohl­be­lang dar, der ei­nen Ein­griff in das von Art. 2 Abs. 1 GG ge­schütz­te Recht am Vor­na­men recht­fer­ti­ge.

4 Die Rechts­ord­nung ge­he von der Di­cho­to­mie der Ge­schlech­ter aus. Es gel­te der na­mens­recht­li­che Grund­satz, dass der Vor­na­me grund­sätz­lich der na­tür­li­chen Ord­nung der Ge­schlech­ter ent­spre­chen müs­se. Die Auf­fas­sung, Män­ner könn­ten un­ein­ge­schränkt Frau­en­na­men füh­ren oder Frau­en un­ein­ge­schränkt Män­ner­na­men, wür­de zu un­trag­ba­rer Un­klar­heit und Ver­wir­rung ins­be­son­de­re im Rechts­ver­kehr füh­ren. Da der Klä­ger nicht mit sei­nem neu­en Ge­samt­na­men, son­dern - je nach Pha­se bzw. Be­find­lich­keit - als Mann oder als Frau auf­tre­ten wol­le, wür­de die­ses im Fal­le der Ge­stat­tung ver­schie­de­ner ge­schlechts­spe­zi­fi­scher Vor­na­men die Iden­ti­fi­zier­bar­keit des Klä­gers er­heb­lich er­schwe­ren und der Mög­lich­keit rechts­wid­ri­ger Täu­schun­gen von Ver­trags­part­nern Vor­schub leis­ten. Zwar kön­ne sich die auf kör­per­li­chen Merk­ma­len be­ru­hen­de Ge­schlechts­zu­ge­hö­rig­keit spä­ter auf­grund der psy­chi­schen Kon­sti­tu­ti­on ei­nes Men­schen än­dern; die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen ei­ne der­ar­ti­ge Än­de­rung auch zu ei­ner Na­mens­än­de­rung füh­ren kön­ne, be­dür­fe je­doch ge­setz­li­cher Re­ge­lun­gen im Be­reich des Fa­mi­li­en- und Per­so­nen­stands­rechts. Ei­ne ent­spre­chen­de Kor­rek­tur bei Per­so­nen, die wie der Klä­ger nicht zu dem vom Trans­se­xu­el­len­ge­setz er­fass­ten Kreis ge­hör­ten, kön­ne kei­nes­falls auf der Grund­la­ge der öf­fent­lich-recht­li­chen Vor­schrif­ten des Na­mens­än­de­rungs­ge­set­zes er­fol­gen.

5 Auch das Ge­setz über die Än­de­rung der Vor­na­men und die Fest­stel­lung der Ge­schlechts­zu­ge­hö­rig­keit in be­son­de­ren Fäl­len (Trans­se­xu­el­len­ge­setz - TSG) ent­hal­te die Grund­ent­schei­dung, dass ei­ner männ­li­chen Per­son grund­sätz­lich kein weib­li­cher Vor­na­me und um­ge­kehrt bei­ge­legt wer­den dür­fe. Nicht ein­mal für die sog. In­ter­se­xu­el­len, die bio­lo­gisch we­der ein­deu­tig männ­lich noch ein­deu­tig weib­lich sei­en, exis­tie­re das Recht, sich Na­men bei­der Ge­schlech­ter zu ge­ben. Nach der ab 1. No­vem­ber 2013 gel­ten­den Fas­sung des § 22 Abs. 3 PStG sei In­ter­se­xu­el­len zwar ge­ge­be­nen­falls ei­ne erst spä­te­re Ent­schei­dung für ein Ge­schlecht ein­ge­räumt wor­den; ein "drit­tes Ge­schlecht" mit dem Recht, Vor­na­men für bei­de Ge­schlech­ter zu füh­ren, sei da­mit aber nicht an­er­kannt wor­den. Der auf der psy­chi­schen Er­kran­kung des Klä­gers be­ru­hen­de Lei­dens­druck kön­ne die An­nah­me ei­nes wich­ti­gen Grun­des eben­falls nicht recht­fer­ti­gen, da ei­ne see­li­sche Be­las­tung nur dann zu ei­ner Na­mens­än­de­rung füh­ren kön­ne, wenn die Än­de­rung nicht ei­nem all­ge­mein an­er­kann­ten Grund­satz der Vor­na­mens­ge­bung wi­der­spre­che.

II

6 Die ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs ein­ge­leg­te Be­schwer­de hat kei­nen Er­folg.

7 1. Der Klä­ger rügt sinn­ge­mäß als Ver­fah­rens­feh­ler, dass der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof über die Be­ru­fung durch Be­schluss oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung ent­schie­den ha­be. Er ha­be sich im Hin­blick auf die grund­sätz­li­che Be­deu­tung der An­ge­le­gen­heit nicht mit ei­ner Ent­schei­dung nach § 130a Vw­GO ein­ver­stan­den er­klärt und ei­ne münd­li­che Ver­hand­lung be­an­tragt. Hier­auf sei der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof nicht ein­ge­gan­gen.

8 Die­ses Vor­brin­gen ge­nügt schon den Dar­le­gungs­an­for­de­run­gen des § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO für die Gel­tend­ma­chung ei­nes Ver­fah­rens­man­gels i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO. Nach § 130a Satz 1 Vw­GO kann das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt über die Be­ru­fung durch Be­schluss ent­schei­den, wenn es sie ein­stim­mig für be­grün­det oder ein­stim­mig für un­be­grün­det und ei­ne münd­li­che Ver­hand­lung nicht für er­for­der­lich hält. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ist ge­klärt, dass die Ent­schei­dung, oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung zu ent­schei­den, bei Vor­lie­gen die­ser recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen im Er­mes­sen des Ge­richts steht. Die­se Er­mes­sens­ent­schei­dung wird aus­rei­chend be­grün­det, wenn das Ge­richt in den Be­schluss­grün­den dar­legt, es sei ein­stim­mig der Auf­fas­sung, dass ei­ne münd­li­che Ver­hand­lung nicht er­for­der­lich und die Be­ru­fung un­be­grün­det sei (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 3. Fe­bru­ar 1999 - 4 B 4.99 - Buch­holz 310 § 130a Vw­GO Nr. 33). Die­sen An­for­de­run­gen wird der an­ge­grif­fe­ne Be­schluss ge­recht. Ei­ne dar­über hin­aus­ge­hen­de Be­grün­dung ver­langt das Ge­setz nicht. Das gilt auch für den Fall, in dem ein Be­tei­lig­ter mit der Ent­schei­dung nach § 130a Vw­GO nicht ein­ver­stan­den ist. An­halts­punk­te für ei­ne er­mes­sens­feh­ler­haf­te Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts nach § 130a Vw­GO zeigt die Be­schwer­de nicht auf, sie sind auch nicht er­sicht­lich.

9 2. Die Rechts­sa­che hat auch nicht die vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te grund­sätz­li­che Be­deu­tung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Grund­sätz­li­che Be­deu­tung im Sin­ne die­ser Vor­schrift kommt ei­ner Rechts­sa­che nur zu, wenn sie ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Rechts­fra­ge des re­vi­si­blen Rechts auf­wirft, die im In­ter­es­se der Ein­heit oder der Fort­bil­dung des Rechts re­vi­si­ons­ge­richt­li­cher Klä­rung be­darf. An die­sem Klä­rungs­be­darf fehlt es, wenn sich die Fra­ge un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz und der hier­zu be­reits er­gan­ge­nen bun­des­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung be­ant­wor­ten lässt. Die Ant­wort auf die auf­ge­wor­fe­ne Rechts­fra­ge muss zu­dem ei­nen Er­trag er­brin­gen, der über den Ein­zel­fall hin­aus weist, al­so für die ein­heit­li­che Aus­le­gung und An­wen­dung ei­ner Norm oder für die Fort­ent­wick­lung des Rechts von Be­deu­tung ist. Die Fra­ge grund­sätz­li­cher Be­deu­tung muss sich mit­hin abs­trakt fas­sen las­sen. Sie darf nicht von den kon­kre­ten Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­fal­les ge­prägt sein. Die bei­den vom Klä­ger be­zeich­ne­ten und für rechts­grund­sätz­lich be­deut­sam er­ach­te­ten Fra­gen recht­fer­ti­gen die Zu­las­sung der Re­vi­si­on nicht, weil sie sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz und der hier­zu er­gan­ge­nen bun­des­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ein­deu­tig be­ant­wor­ten las­sen.

10 a) Dies gilt zu­nächst für die vom Klä­ger un­ter Be­zug­nah­me auf das erst­in­stanz­li­che Ur­teil als rechts­grund­sätz­lich er­ach­te­te Fra­ge, "in­wie­weit die dem Trans­se­xu­el­len­ge­setz zu Grun­de lie­gen­den Wer­tun­gen zur emp­fun­de­nen ge­schlecht­li­chen Iden­ti­tät im Rah­men der Ab­wä­gung zum Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des nach § 3 Abs. 1 NÄG zu über­tra­gen und zu be­rück­sich­ti­gen" sei­en.

11 Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts liegt ein die Än­de­rung des Na­mens recht­fer­ti­gen­der Grund im Sin­ne des § 3 Abs. 1 NÄG vor, wenn die Ab­wä­gung al­ler für und ge­gen die Na­mens­än­de­rung strei­ten­den schutz­wür­di­gen Be­lan­ge ein Über­ge­wicht der für die Än­de­rung spre­chen­den In­ter­es­sen er­gibt; dies gilt für die Än­de­rung ei­nes Vor­na­mens eben­so wie für die Än­de­rung ei­nes Fa­mi­li­en­na­mens (stRspr, vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 8. De­zem­ber 2014 - 6 C 16.14 - Buch­holz 402.10 § 3 NÄG Nr. 81 m.w.N.; Be­schlüs­se vom 9. No­vem­ber 1988 - 7 B 167.88 - StAZ 1989, 13 und vom 1. Fe­bru­ar 1989 - 7 B 14.89 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3). Nach die­ser Recht­spre­chung un­ter­schei­det sich die Än­de­rung des Vor­na­mens von der Än­de­rung ei­nes Fa­mi­li­en­na­mens nur da­durch, dass den öf­fent­li­chen In­ter­es­sen, auf die bei der Än­de­rung ei­nes Vor­na­mens Be­dacht zu neh­men ist, ein ge­rin­ge­res Ge­wicht zu­kommt als dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se am un­ver­än­der­ten Fort­be­stand ei­nes Fa­mi­li­en­na­mens (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. März 2003 - 6 C 26.02 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5; Be­schlüs­se vom 24. März 1981 - 7 B 44.81 - StAZ 1984, 131 und vom 1. Fe­bru­ar 1989 - 7 B 14.89 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3).

12 Das In­ter­es­se des Klä­gers, sei­ne je­wei­li­ge emp­fun­de­ne Ge­schlechts­zu­ge­hö­rig­keit auch un­ter Ver­wen­dung ei­nes per­so­nen­stands­recht­lich an­er­kann­ten weib­li­chen Vor­na­mens le­ben zu kön­nen, ist nach den vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen als für die Na­mens­än­de­rung spre­chen­des In­ter­es­se in der Ab­wä­gung zu be­rück­sich­ti­gen. Das Trans­se­xu­el­len­ge­setz, auf das sich der Klä­ger be­zieht, be­trifft Per­so­nen, die sich auf­grund ih­rer trans­se­xu­el­len Prä­gung nicht mehr dem in ih­rem Ge­burts­ein­trag an­ge­ge­be­nen, son­dern dem an­de­ren Ge­schlecht als zu­ge­hö­rig emp­fin­den und un­ter dem Zwang ste­hen, ih­ren Vor­stel­lun­gen ent­spre­chend zu le­ben. Es er­fasst die­je­ni­gen Per­so­nen, die sich dau­er­haft dem an­de­ren Ge­schlecht zu­ge­hö­rig füh­len (vgl. BT-Drs. 8/2947 S. 1, 13; BT-Drs. 8/4120 S. 1). Zu die­sem Per­so­nen­kreis zählt der Klä­ger zwar nicht. Als be­rück­sich­ti­gungs­fä­hi­ges In­ter­es­se ist je­doch in die Ab­wä­gung der von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ge­währ­leis­te­te und auch dem Trans­se­xu­el­len­ge­setz zu­grun­de lie­gen­de Schutz des Vor­na­mens ei­nes Men­schen als Aus­druck der er­fah­re­nen oder ge­won­ne­nen ge­schlecht­li­chen Iden­ti­tät ein­zu­stel­len. Die Ge­schlechts­zu­ge­hö­rig­keit kann nicht al­lein nach den phy­si­schen Ge­schlechts­merk­ma­len be­stimmt wer­den; sie hängt we­sent­lich auch von der psy­chi­schen Kon­sti­tu­ti­on ei­nes Men­schen und sei­ner nach­hal­tig selbst emp­fun­de­nen Ge­schlecht­lich­keit ab (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 6. De­zem­ber 2005 - 1 BvL 3/03 - BVerf­GE 115, 1 Rn. 47, 49 und vom 11. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 3295/07 - BVerf­GE 128, 109 Rn. 56).

13 b) Die wei­te­re, vom Klä­ger für grund­sätz­lich be­deut­sam er­ach­te­te Fra­ge, ob "die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen der §§ 11, 3 NÄG als vor­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht im Hin­blick auf das Grund­recht auf freie Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit nach Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG und auf die dem Trans­se­xu­el­len­ge­setz zu Grun­de lie­gen­den ge­setz­ge­be­ri­schen Wer­tun­gen zur emp­fun­de­nen ge­schlecht­li­chen Iden­ti­tät im Rah­men der Ab­wä­gung zum Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des nach § 3 Abs. 1 NÄG da­hin aus­zu­le­gen (sind), dass bei der emp­fun­de­nen gleich an­tei­li­gen Zu­ge­hö­rig­keit zum männ­li­chen und weib­li­chen Ge­schlecht die Emp­fin­dung des Klä­gers ma­ß­geb­lich ist", kann eben­falls auf der Grund­la­ge der bun­des­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ein­deu­tig be­ant­wor­tet wer­den.

14 Der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ge­währ­leis­te­te Schutz des Vor­na­mens ei­nes Men­schen ge­bie­tet nicht, ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 11 i.V.m. § 3 NÄG für die Hin­zu­fü­gung ei­nes an­ders­ge­schlecht­li­chen Vor­na­mens an­zu­neh­men, wenn sich der Mensch ab­wech­selnd als Frau oder Mann fühlt. Der Schutz des Na­mens ist nicht un­ein­ge­schränkt ge­währ­leis­tet. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ist ge­klärt, dass auch das in Art. 2 Abs. 1 GG ver­bürg­te Recht auf freie Per­sön­lich­keits­ent­fal­tung der ge­setz­li­chen For­de­rung, Vor­na­men nur aus wich­ti­gem Grund zu än­dern, nicht ent­ge­gen­steht (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 18. Fe­bru­ar 1981 - 7 B 69.80 - NVwZ 1982, 111 und vom 1. Fe­bru­ar 1989 - 7 B 14.89 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3; eben­so BVerfG, Be­schluss vom 10. Ok­to­ber 1989 - 1 BvR 358/89 - ju­ris). Ein wich­ti­ger Grund für ei­ne Vor­na­mens­än­de­rung kann da­her ver­neint wer­den, wenn die Än­de­rung des Vor­na­mens den all­ge­mein an­er­kann­ten Grund­sät­zen der Vor­na­mens­ge­bung wi­der­spre­chen wür­de (stRspr, vgl. nur BVer­wG, Ur­teil vom 26. März 2003 - 6 C 26.02 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5 m.w.N.).

15 Die ge­gen ei­ne Na­mens­än­de­rung spre­chen­den schutz­wür­di­gen Be­lan­ge kön­nen aus den in den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen zum Aus­druck ge­kom­me­nen Grund­sät­zen der Na­mens­füh­rung her­ge­lei­tet wer­den. Zu die­sen Grund­sät­zen zäh­len die Ord­nungs­funk­ti­on des Na­mens so­wie das sich dar­aus er­ge­ben­de ord­nungs­recht­li­che In­ter­es­se an der Bei­be­hal­tung des bis­he­ri­gen Na­mens. So ist ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se an der Na­mens­kon­ti­nui­tät per­so­nen­stands­recht­lich auch in Be­zug auf den Vor­na­men zu ent­neh­men. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG sind die Vor­na­men in das Ge­bur­ten­buch ein­zu­tra­gen. Mit der Ein­tra­gung ist der Vor­na­me grund­sätz­lich un­ab­än­der­lich ge­wor­den und kann nur nach Ma­ß­ga­be des öf­fent­lich-recht­li­chen Na­mens­än­de­rungs­rechts ge­än­dert wer­den. Das In­ter­es­se an der Na­mens­kon­ti­nui­tät be­steht vor­nehm­lich dar­in, den Na­mens­trä­ger zu kenn­zeich­nen und sein Ver­hal­ten - im Rechts­ver­kehr oder im Be­reich der Straf­ver­fol­gung - die­sem auch in Zu­kunft oh­ne wei­te­re Nach­for­schun­gen zu­rech­nen zu kön­nen (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. März 2003 - 6 C 26.02 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5; s. auch zur Ord­nungs­funk­ti­on des Na­mens BVer­wG, Ur­teil vom 8. De­zem­ber 2014 - 6 C 16.14 - Buch­holz 402.10 § 3 NÄG Nr. 81 m.w.N.). Dar­über hin­aus ist von der Ord­nungs­funk­ti­on des Na­mens auch der Grund­satz um­fasst, dass der Vor­na­me auch das Ge­schlecht des Na­mens­trä­gers kennt­lich ma­chen soll (stRspr, vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 6. De­zem­ber 1968 - 7 C 33.67 - BVer­w­GE 31, 130 <131 f.> und vom 26. März 2003 - 6 C 26.02 - Buch­holz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5; BVerfG, Be­schlüs­se vom 31. Au­gust 1982 - 1 BvR 684/82 - StAZ 1983, 70 und vom 6. De­zem­ber 2005 - 1 BvL 3/03 - BVerf­GE 115, 1 Rn. 48; BGH, Be­schlüs­se vom 15. April 1959 - IV ZB 286/58 - BGHZ 30, 132 und vom 17. Ja­nu­ar 1979 - IV ZB 39/78 - BGHZ 73, 239).

16 Die Ord­nungs­funk­ti­on des Vor­na­mens wird durch die bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt­li­che Recht­spre­chung nicht in Fra­ge ge­stellt. Zwar ist das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in ei­nem Kam­mer­be­schluss da­von aus­ge­gan­gen, dass der Ge­setz­ge­ber we­der aus­drück­lich noch im­ma­nent ei­nen Grund­satz ge­re­gelt hat, wo­nach der von den El­tern für ihr Kind ge­wähl­te Vor­na­me über das Ge­schlecht des Kin­des in­for­mie­ren muss. Das el­ter­li­che Recht, dem Kind ei­nen Vor­na­men zu ge­ben, fin­det sei­ne Gren­ze al­lein bei ei­ner Ge­fähr­dung des Kin­des­wohls. Hier­von ist aus­zu­ge­hen, wenn der ge­wähl­te Vor­na­me dem Kind of­fen­sicht­lich und nach kei­ner Be­trach­tungs­wei­se die Mög­lich­keit bie­tet, sich an­hand des Vor­na­mens mit sei­nem Ge­schlecht zu iden­ti­fi­zie­ren (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 5. De­zem­ber 2008 - 1 BvR 576/07 - BVerf­GK 14, 479 Rn. 15, 17). Un­ab­hän­gig da­von hat auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt her­vor­ge­ho­ben, dass das Na­mens­recht der Aus­ge­stal­tung be­darf, um der ge­sell­schaft­li­chen Funk­ti­on ge­recht zu wer­den, die der Na­me auch als Un­ter­schei­dungs­merk­mal er­füllt. Dies gilt auch für den Vor­na­men, dem in un­se­rem Rechts­kreis die Funk­ti­on zu­kommt, das Ge­schlecht des Na­mens­trä­gers zum Aus­druck zu brin­gen. Dass die Ge­schlechts­zu­ge­hö­rig­keit ei­nes Men­schen sich mit dem im Vor­na­men aus­drü­cken­den Ge­schlecht deckt, ent­spricht dem vom all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­recht ge­schütz­ten Aus­druck der ei­ge­nen Ge­schlecht­lich­keit im Na­men (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 6. De­zem­ber 2005 - 1 BvL 3/03 - BVerf­GE 115, 1 Rn. 48). Hier­von ist der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­tref­fend bei sei­ner Ent­schei­dung aus­ge­gan­gen.

17 Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat die ma­ß­ge­ben­den Rechts­grund­sät­ze der Be­ru­fungs­ent­schei­dung zu­grun­de ge­legt und auf den fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt an­ge­wandt. Er hat dar­auf ab­ge­stellt, dass be­son­de­re Um­stän­de, die den Vor­rang des Per­sön­lich­keits­rechts des Klä­gers be­grün­den könn­ten, im vor­lie­gen­den Fall nicht ge­ge­ben sind. Im Üb­ri­gen ent­zieht sich die von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge ei­ner ver­all­ge­mei­ne­rungs­fä­hi­gen, rechts­grund­sätz­li­chen Klä­rung.

18 Die Kri­tik des Klä­gers an den Aus­füh­run­gen im be­ru­fungs­ge­richt­li­chen Ur­teil, wo­nach ei­ne ent­spre­chen­de Kor­rek­tur des Vor­na­mens bei Per­so­nen, die wie er nicht un­ter das Trans­se­xu­el­len­ge­setz fal­len, nicht nach den Vor­schrif­ten des Na­mens­än­de­rungs­ge­set­zes er­fol­gen dür­fe, son­dern vom Ge­setz­ge­ber ge­re­gelt wer­den müs­se, führt zu kei­ner an­de­ren Be­trach­tung. Mit die­sen Aus­füh­run­gen ist der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ge­folgt: Es ob­liegt dem Ge­setz­ge­ber, die Rechts­ord­nung so zu ge­stal­ten, dass die An­for­de­run­gen, die die Men­schen­wür­de in Ver­bin­dung mit dem Grund­recht auf Schutz der Per­sön­lich­keit an das Selbst­be­stim­mungs­recht des be­trof­fe­nen Trans­se­xu­el­len stellt, er­füllt sind und ins­be­son­de­re die recht­li­che Zu­ord­nung zum nach­hal­tig emp­fun­de­nen Ge­schlecht nicht von un­zu­mut­ba­ren Vor­aus­set­zun­gen ab­hän­gig ge­macht wird (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. Ok­to­ber 1978 - 1 BvR 16/72 - BVerf­GE 49, 286 und vom 11. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 3295/07 - BVerf­GE 128, 109 Rn. 56). In Über­ein­stim­mung hier­mit hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zum Aus­druck ge­bracht, dass der Ge­setz­ge­ber ge­hal­ten ist, die nor­ma­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Än­de­rung des Vor­na­mens in Fall­ge­stal­tun­gen wie der­je­ni­gen des Klä­gers zu be­stim­men. So­lan­ge ei­ne sol­che Re­ge­lung fehlt, sind die Fach­ge­rich­te ge­hal­ten, am Maß­stab von § 11 i.V.m. § 3 NÄG die Vor­aus­set­zun­gen für die Än­de­rung ei­nes Vor­na­mens zu über­prü­fen.

19 3. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO. Die Streit­wert­fest­set­zung be­ruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG.