Verfahrensinformation

Der Kläger ist Beamter des Landes Berlin. Er begehrt die landesgesetzlich für eine 25-jährige Dienstzeit vorgesehene Zuwendung.


Der Kläger ist im September 1991 in den Landesdienst getreten. Im Jahr 2016 lief ein Disziplinarverfahren gegen ihn, das im Jahr 2017 mit einer Disziplinarverfügung über eine Geldbuße in Höhe von 500 € endete.


Das beklagte Land lehnte es im Jahr 2017 wegen der verhängten Disziplinarmaßnahme ab, dem Kläger eine Jubiläumszuwendung zu zahlen. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen. Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er ist der Ansicht, dass ihm die Jubiläumszuwendung zustehe, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt des Jubiläumstages disziplinarrechtlich noch unbelastet gewesen sei.


Das Bundesverwaltungsgericht wird voraussichtlich Gelegenheit haben zu klären, ob nach dem Berliner Landesrecht ein zum Jubiläumszeitpunkt gegen den Beamten laufendes Disziplinarverfahren der Zahlung einer Jubiläumszuwendung entgegensteht, wenn später gegen den Beamten eine Disziplinarmaßnahme verhängt wird.


Urteil vom 23.04.2020 -
BVerwG 2 C 3.19ECLI:DE:BVerwG:2020:230420U2C3.19.0

Wegfall des Anspruchs auf eine Jubiläumszuwendung wegen Disziplinarmaßnahme

Leitsatz:

Nach dem Berliner Landesrecht (§ 75a Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 3 LBG BE) hat ein Beamter keinen Anspruch auf Gewährung einer Jubiläumszuwendung und Aushändigung einer Dankurkunde, wenn zum Jubiläumszeitpunkt gegen ihn ein Disziplinarverfahren geführt wird, in dem später eine Disziplinarmaßnahme gegen ihn verhängt wird.

  • Rechtsquellen
    LBG BE § 75a
    GG Art. 103 Abs. 3
    VwGO § 134

  • VG Berlin - 28.01.2019 - AZ: VG 5 K 316.17

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.04.2020 - 2 C 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230420U2C3.19.0]

Urteil

BVerwG 2 C 3.19

  • VG Berlin - 28.01.2019 - AZ: VG 5 K 316.17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. April 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung
und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger ist Beamter des beklagten Landes Berlin und begehrt die landesgesetzlich für eine 25-jährige Dienstzeit vorgesehene Gewährung einer Dienstjubiläumszuwendung und Aushändigung einer Dankurkunde.

2 Der 1975 geborene Kläger trat am 1. September 1991 in den mittleren Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes. Er wurde im Jahr 2010 in die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes übergeleitet und zum Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9) befördert.

3 Im Februar 2016 leitete der Polizeipräsident in Berlin gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren wegen nicht genehmigter Nebentätigkeiten ein; Anlass waren Auftritte des Klägers unter einem Künstlernamen in verschiedenen Fernsehsendungen, Musikvideos und Wrestling-Veranstaltungen in den Jahren 2012 bis 2016. Daraufhin verhängte der Polizeipräsident mit Disziplinarverfügung vom 15. Dezember 2016 eine Geldbuße in Höhe von 500 € gegen den Kläger. Nachdem er diese Verfügung zwischenzeitlich aufgehoben hatte, verhängte der Polizeipräsident mit Disziplinarverfügung vom 26. Januar 2017 diese Geldbuße mit ausführlicherer Begründung erneut. Diese Verfügung wurde bestandskräftig.

4 Mit Bescheid vom 10. April 2017 lehnte es der Polizeipräsident in Berlin ab, dem Kläger anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums (Stichtag: 1. September 2016) eine Dankurkunde auszuhändigen und eine Jubiläumszuwendung zu zahlen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Polizeipräsident mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2017 zurück.

5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung sowie die - später eingelegte - Sprungrevision zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Ehrung habe, weil der dem Grunde nach zum 1. September 2016 zunächst entstandene Anspruch durch die bestandskräftige Verhängung der Disziplinarmaßnahme am 26. Januar 2017 nachträglich entfallen sei. Dies ergebe sich daraus, dass es andernfalls der gesetzlich vorgesehenen (materiellen) Entscheidung über das "Ob" der Gewährung der Ehrung nicht mehr bedürfte. Vielmehr stünde dann von Anfang an fest, dass die Dienstjubiläumszuwendung unabhängig vom Ausgang des Disziplinarverfahrens zu gewähren wäre. Laufende disziplinarische Ermittlungen hätten stets nur eine zeitliche Verzögerung der Ehrung zur Folge. Für ein solches Normverständnis böten die systematische Gesamtschau der gesetzlichen Regelung und der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers keinen Anhalt. Dieses Ergebnis verstoße weder gegen das Doppelbestrafungsverbot noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

6 Der Kläger hat das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Zustimmung des Beklagten im Wege der Sprungrevision angegriffen.

7 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2019 sowie den Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 10. April 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums zum Stichtag 1. September 2016 eine Dankurkunde auszuhändigen und die Jubiläumszuwendung von 350 € Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz ab dem 15. Juni 2017 zu zahlen.

8 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

9 Die Sprungrevision des Klägers - über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann - ist zulässig. Der Kläger hat das vom Verwaltungsgericht zugelassene Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt, insbesondere die schriftliche Zustimmungserklärung des Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision fristgerecht vorgelegt (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO).

10 Die Sprungrevision ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist mit Bundesrecht und revisiblem Landesbeamtenrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 127 BRRG). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Ehrung durch Gewährung einer Jubiläumszuwendung und Aushändigung einer Dankurkunde hat. Nach dem maßgeblichen Berliner Landesrecht (1.) ist sein Anspruch zwar nicht gemäß § 75a Abs. 3 LBG BE (2.), wohl aber gemäß § 75a Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 LBG BE ausgeschlossen (3.), ohne dass hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (4.).

11 1. Nach § 75a Abs. 1 des als Artikel 1 des Dienstrechtsänderungsgesetzes vom 19. März 2009 (GVBl. 2009, 70) verkündeten Berliner Landesbeamtengesetzes - im Folgenden: LBG BE - ist Beamtinnen und Beamten, die das 25-, 40- oder 50-jährige Dienstjubiläum erreichen beziehungsweise erreicht haben, eine Dankurkunde auszuhändigen und eine Jubiläumszuwendung zu zahlen. Die Jubiläumszuwendung beträgt bei einer Dienstzeit von 25 Jahren 350 €. Sie entfällt gemäß § 75a Abs. 3 Nr. 3 LBG BE u.a. bei Beamtinnen und Beamten, gegen die eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist, die am Jubiläumstag noch nicht dem Verwertungsverbot unterliegt. Unter denselben Voraussetzungen entfällt gemäß § 75a Abs. 4 Nr. 3 LBG BE auch die Aushändigung einer Dankurkunde. Gemäß § 75a Abs. 5 LBG BE ist die Entscheidung über die Gewährung einer Jubiläumszuwendung und einer Dankurkunde bei Beamtinnen und Beamten, gegen die am Jubiläumstag straf- oder disziplinarrechtliche Ermittlungen geführt werden oder gegen die Anklage im strafrechtlichen Verfahren erhoben wurde, bis zu einem rechtskräftigen Abschluss zurückzustellen.

12 2. Nach der Feststellung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger das 25-jährige Dienstjubiläum am 1. September 2016 erreicht. Damit ist sein Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung und Aushändigung einer Dankurkunde nach § 75a Abs. 1 LBG BE entstanden.

13 Mit der bloßen Anhängigkeit des Disziplinarverfahrens am Jubiläumstag ist der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Jubiläumszuwendung und Aushändigung einer Dankurkunde nicht gemäß § 75a Abs. 3 Nr. 3 bzw. Abs. 4 Nr. 3 LBG BE entfallen. Denn danach ist für das Entfallen des Anspruchs erforderlich, dass zu diesem Zeitpunkt "eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist, die am Jubiläumstag noch nicht dem Verwertungsverbot unterliegt".

14 3. Das Entfallen des Anspruchs ergibt sich aber aus § 75a Abs. 5 i.V.m. § 75a Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 3 LBG BE.

15 Nach § 75a Abs. 5 LBG BE ist die Entscheidung über die Gewährung einer Jubiläumszuwendung und einer Dankurkunde bei Beamten, gegen die am Jubiläumstag u.a. disziplinarrechtliche Ermittlungen geführt werden, bis zu deren rechtskräftigen Abschluss zurückzustellen. Daraus folgt in Verbindung mit den Bestimmungen in § 75a Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 3 LBG BE, dass die Ansprüche auf die Gewährung einer Jubiläumszuwendung und die Aushändigung einer Dankurkunde entfallen, wenn das Disziplinarverfahren mit einer Disziplinarmaßnahme abgeschlossen wird. Denn die Entscheidung über die Gewährung muss nach Kriterien erfolgen, die Abs. 5 nicht selbst nennt, die sich aber in den Absätzen zuvor und damit auch in Abs. 3 und 4 finden.

16 Sinn und Zweck der Regelung sowie die Entstehungsgeschichte bestätigen dieses Ergebnis. Zum einen wird in der Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Wiedereinführung von Jubiläumszuwendungen für Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter im Land ausgeführt, dass Gründe für die Wiedereinführung der Aushändigung von Dankurkunden und der Zahlung von Jubiläumszuwendungen die besondere Wertschätzung gegenüber den betreffenden Personen und die Honorierung der von diesen geleisteten treuen Dienste sind (Drs. 17/2819 S. 8). Nach den Einzelbegründungen zu § 75a Abs. 3 und 4 LBG BE regeln diese Absätze, in welchen Fällen Jubiläumszuwendungen nicht gewährt und Dankurkunden nicht ausgehändigt werden (Drs. 17/2819 S. 10). In der Einzelbegründung zu § 75a Abs. 5 LBG BE heißt es, mit der Regelung solle sichergestellt werden, dass Jubiläumszuwendungen nicht gewährt und Dankurkunden nicht ausgehändigt werden, wenn der Betreffende sich eines Vergehens schuldig gemacht habe, das eine Anerkennung für treue Dienste ausschließe (Drs. 17/2819 S. 11). Das macht deutlich, dass es gerade Zweck des § 75a Abs. 5 LBG BE ist, in Fällen einer disziplinarischen Ahndung von Dienstvergehen - bei zum Jubiläumszeitpunkt bereits laufenden Disziplinarverfahren - die Ehrung anlässlich des Dienstjubiläums entfallen zu lassen.

17 Dieses Ergebnis folgt zum zweiten daraus, dass im Gesetzgebungsverfahren die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgelehnt wurde, die Ehrung - wenn auch zeitverzögert nach Eintritt des Verwertungsverbots - auch für Fälle vorzusehen, in denen der Beamte sein Dienstjubiläum nach Verhängung der Disziplinarmaßnahme, aber vor Eintritt des disziplinarrechtlichen Verwertungsverbots begeht (vgl. Drs. 17/2819 S. 14). Auch für diesen Fall hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er bei verhängter Disziplinarmaßnahme den Wegfall der Ehrung und nicht lediglich deren Hinausschieben will.

18 Schließlich hat der Gesetzgeber sich im Jahre 2016 nicht für die vollständige Wiederherstellung der früheren Rechtslage - das heißt die unveränderte Wiedereinführung der bis 2004 bestehenden Jubiläumsregelung - entschieden. So hat er gerade nicht die früher durch Rechtsverordnung vorgesehene Möglichkeit des abgestuften Hinausschiebens der Gewährung von Jubiläumszuwendungen je nach der Schwere der Disziplinarmaßnahme wiedereingeführt (vgl. § 4 der Verordnung über die Gewährung der Jubiläumszuwendungen an Beamte und Richter des Landes Berlin vom 23. November 1999, geändert durch Verordnung vom 29. Mai 2001, abgedruckt als Anlage zu Drs. 17/2819). Das kann nur als bewusste Abkehr von dieser früheren Regelung verstanden werden.

19 4. Die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen dieses Auslegungsergebnis greifen nicht durch.

20 Die Regelung des § 75a Abs. 5 i.V.m. § 75a Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 3 LBG BE ist - wie sich aus den Ausführungen zu 3. ergibt - ohne Weiteres hinreichend bestimmt im Sinne des hier gefundenen Auslegungsergebnisses.

21 Das Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG ist nicht betroffen. Nach Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden. Art. 103 Abs. 3 GG steht schon nicht der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nach einer strafgerichtlichen Verurteilung entgegen; diese Norm ist im Verhältnis von Kriminal- und Disziplinarmaßnahme nicht anwendbar (vgl. schon BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 - 2 BvL 1/66 - BVerfGE 21, 391 <400 ff.> und vom 29. Oktober 1969 - 2 BvR 545/68 - BVerfGE 27, 180 <184 f.>). Art. 103 Abs. 3 GG gilt erst recht nicht im Verhältnis von Disziplinarmaßnahme einerseits zu einem dienstrechtlichen Anspruch andererseits wie hier dem Anspruch auf Geldzahlung und immaterielle Ehrung durch Jubiläumszuwendung und Dankurkunde.

22 Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sind ebenfalls unbegründet. Die Anknüpfung an eine Disziplinarmaßnahme, die für ein im Jubiläumszeitraum begangenes Dienstvergehen verhängt wurde, ist ersichtlich geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, erforderlich und angemessen. Das gilt unabhängig davon, ob die Disziplinarmaßnahme bereits zum Jubiläumszeitpunkt verhängt ist oder ob zu diesem Zeitpunkt das Disziplinarverfahren noch anhängig ist und die Disziplinarmaßnahme erst später verhängt wird.

23 Unter Gleichheitsaspekten (Art. 3 Abs. 1 GG) ist die Regelung des § 75a Abs. 5 i.V.m. § 75a Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 3 LBG BE ebenfalls nicht zu beanstanden: So wird bei gleichen Sachverhalten - Dienstvergehen vor Eintritt des Jubiläumszeitpunktes - eine sonst allein aufgrund des oft zufälligen Zeitpunkts des Abschlusses des Disziplinarverfahrens und damit der Verhängung der Disziplinarmaßnahme auftretende Ungleichbehandlung vermieden.

24 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.