Beschluss vom 30.07.2024 -
BVerwG 11 B 1.24ECLI:DE:BVerwG:2024:300724B11B1.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.07.2024 - 11 B 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:300724B11B1.24.0]

Beschluss

BVerwG 11 B 1.24

  • VGH Mannheim - 15.11.2023 - AZ: 6 S 1667/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wiedmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2023 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

2 Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).

3 Die aufgeworfene Frage,
ob es zu einer Verletzung der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten gemeindlichen Planungshoheit führt, wenn davon ausgegangen wird, die Durchführung eines sogenannten "Dynamischen Masterplanverfahrens" sei zur Annahme einer verfestigten Planung nicht ausreichend und daraus folge, dass diese gemeindliche Planung keinen zeitlichen Vorrang zu einem anderen Vorhaben genießt,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist zugeschnitten auf die Verhältnisse im Einzelfall und daher rechtsgrundsätzlicher Klärung entzogen.

4 Geklärt ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallende gemeindliche Planungshoheit eine in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem Gemeindegebiet vermittelt, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus muss eine Fachplanung auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten durch die Fachplanung nicht unnötigerweise "verbaut" werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 58 und vom 7. Oktober 2021‌ - 4 A 9.19 - juris Rn. 63).

5 Der Verwaltungsgerichtshof geht von dieser Rechtsprechung aus. In ihrer Anwendung auf den Fall der Klägerin stellt er fest, dass der vom Gemeinderat der Klägerin beschlossene "Dynamische Masterplan" eine beabsichtigte Planung nicht deutlich genug erkennen lässt. Er sei ein prozessorientiertes Steuerungsinstrument, das kein fixes Endresultat festschreibe, die weiteren Planungen sollten daraus prozesshaft entwickelt werden. Eine greifbare Verfestigung im Sinne des Bauplanungsrechts sei dadurch ersichtlich nicht erreicht.

6 Somit hat der Verwaltungsgerichtshof aufgrund seiner Tatsachenfeststellungen eine hinreichende Bestimmtheit der Planung der Klägerin im Einzelfall verneint. Hierauf gestützt hat er die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Abwägung zugunsten einer zeitnahen und kostengünstigen Umsetzung des Vorhabens und die Zurückstellung des Interesses der Klägerin an einer möglichst umfassenden Ausübung ihrer Planungshoheit nicht beanstandet (UA S. 45). Allgemein klärungsbedürftige Fragen sind insoweit nicht dargelegt.

7 Der Hinweis der Beschwerde auf das Urteil des 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 1997 - 11 A 18.96 - (Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24 S. 30) führt gleichfalls nicht auf einen grundsätzlichen Klärungsbedarf. Die Entscheidung lässt offen, ob eine Gemeinde sich auf eine hinreichende Konkretisierung ihrer Planung berufen kann, wenn lediglich ein Gemeinderatsbeschluss (dort: zur beabsichtigten Änderung des Flächennutzungsplans) vorliegt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 53). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin eine in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition abgesprochen, obwohl diese am 30. März 2017 und damit vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens beschlossen hatte, einen Bebauungsplan aufzustellen. Maßgeblich für die Vorinstanz war insoweit aber nicht der Stand des Planaufstellungsverfahrens, sondern der Inhalt des Aufstellungsbeschlusses. Denn der - die gesamte Konversionsfläche umfassende und dem "Dynamischen Masterplan" vorausgehende - Beschluss ließ die beabsichtigte Planung nicht deutlich genug erkennen (UA S. 47). Daran geht die Beschwerde vorbei.

8 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.