Beschluss vom 04.09.2024 -
BVerwG 2 B 27.24ECLI:DE:BVerwG:2024:040924B2B27.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.09.2024 - 2 B 27.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:040924B2B27.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 27.24

  • VG Ansbach - 11.08.2023 - AZ: AN 16 K 22.01830

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. September 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2024 - 2 B 2.24 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist unbegründet, weil sie die für eine Fortführung des Verfahrens erforderliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO) nicht aufzeigt.

2 Aus den vom Kläger in der Rüge dargelegten Gründen (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO) folgt nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach dessen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

3 Zur Begründung der Rüge macht der Kläger geltend, der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts sei eine Überraschungsentscheidung, weil auf bisher nicht erörterte Gesichtspunkte abgestellt und dem Rechtsstreit damit eine Wendung gegeben worden sei, mit der nicht zu rechnen gewesen sei. Wenn das Bundesverwaltungsgericht vor seiner Beschwerdeentscheidung dem Gebot des rechtlichen Gehörs entsprechend auf die Gründe für die Zurückweisung der Beschwerde vorab hingewiesen hätte, hätte er hierzu im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich Ausführungen machen können. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs.

4 Zunächst ist ein Gericht nicht verpflichtet, den Beteiligten vorab mitzuteilen, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte es für entscheidungserheblich hält und welche Rechtsauffassung es seiner Entscheidung zugrunde zu legen gedenkt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/‌91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>; Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/‌97 -‌ BVerfGE 98, 218 <263>). Allerdings darf das Gericht seine Entscheidung nicht auf einen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein sorgfältiger Verfahrensbeteiligter nicht zu rechnen brauchte. Im Anwaltsprozess ist Maßstab der gewissenhafte und kundige Prozessbevollmächtigte, der die vertretbaren Auffassungen in den Blick nimmt (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/‌97 -‌ BVerfGE 98, 218 <263>; Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/‌90 -‌ BVerfGE 84, 188 <190> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/‌91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>). Für einen kundigen Prozessbevollmächtigten ist die Begründung des Beschlusses zur Nichtzulassungsbeschwerde nicht überraschend.

5 Zudem ist es - außer in dem hier nicht einschlägigen Fall einer entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO (vgl. Neumann/‌Korbmacher, in: Sodan/‌Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 144 Rn. 34) – aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde den Beschwerdeführer vorab über den Stand seiner Erwägungen für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde informiert und ihm Gelegenheit zu einer entsprechenden substantiierten Ergänzung seiner bisherigen Beschwerdebegründung gibt.

6 Für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz in § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine Frist von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils vor. Die Begründung ist nicht beim Bundesverwaltungsgericht, sondern bei demjenigen Gericht einzureichen, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll. Dieses Gericht hat nach § 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach Ablauf der Frist darüber zu befinden, ob im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe der Beschwerde abzuhelfen und dementsprechend die Revision zuzulassen ist. Erst nach der Entscheidung des Ausgangsgerichts, der Beschwerde nicht abzuhelfen, wird die Sache dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt (§ 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Wegen der Vorgaben § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zur Darlegung bezeichnender Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO innerhalb der Frist von zwei Monaten ist das Bundesverwaltungsgericht darauf beschränkt, ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung zu entscheiden, ob ein Revisionszulassungsgrund vorliegt. Rechtliche Gesichtspunkte, die der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, können dementsprechend nicht berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).

7 Soweit sich der Kläger in der Anhörungsrüge inhaltlich mit dem Beschluss des Senats über die Nichtzulassungsbeschwerde befasst und die konkrete Argumentation des Senats beanstandet, wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht i. S. v. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dargelegt. Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung abzielen. Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D -‌ Rn. 11 und vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 20).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 dieses Gesetzes eine Festgebühr erhoben wird.