Verfahrensinformation

Der Kläger, ein guineischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, durch den sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Spanien angeordnet worden ist.


Der Kläger reiste im Oktober 2012 nach Spanien ein, wurde dort erkennungsdienstlich erfasst und stellte im Januar 2013 im Bundesgebiet unter einem Aliasnamen einen Asylantrag. Nach Zurückweisung dieses Antrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) als unzulässig (März 2013) und Überstellung nach Spanien (April 2013) reiste er im Juni 2013 erneut in das Bundesgebiet ein und beantragte Flüchtlingsschutz. Auf ein Übernahmeersuchen des Bundesamtes erklärten die spanischen Behörden mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig ist und ordnete die Abschiebung nach Spanien an.


Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Da der Kläger über Spanien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei, sei Spanien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung abgelaufen sei. Denn diese Vorschrift begründe keine subjektiv-öffentlichen Rechte für den Asylbewerber. Auf die Berufung des Klägers hin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Bescheid des Bundesamtes vom 4. Oktober 2014 aufgehoben. Die Klage sei zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei nicht Spanien, sondern Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die zunächst bestehende Zuständigkeit sei wegen Ablaufs der Überstellungsfrist von sechs Monaten (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Buchst. d Dublin II-Verordnung) auf Deutschland übergegangen. Zwar begründeten die Vorschriften über die Überstellung und die an ihren Ablauf geknüpfte Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs keine einklagbaren subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Der Kläger habe aber aus den materiell-rechtlichen Asylbestimmungen (Art. 16a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 und 2 AufenthG, §§ 3 und 4 AsylG) einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüft. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht feststehe.


Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.


Pressemitteilung Nr. 47/2016 vom 26.05.2016

Unterbrechung der Dublin-Überstellungsfrist auch bei erfolglosem Eilantrag gegen Abschiebungsanordnung

Die sechsmonatige Frist für die Überstellung eines Ausländers an den nach den Dublin-Bestimmungen für das Asylverfahren originär zuständigen Mitgliedstaat wird auch dann unterbrochen, wenn ein Antrag auf Eilrechtsschutz gegen die Abschiebungsanordnung zunächst keinen Erfolg hat. Mit der ablehnenden Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts beginnt eine neue Sechs-Monats-Frist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger, ein guineischer Staatsangehöriger, war über Marokko und Spanien in das EU-Gebiet eingereist und hatte erstmals Anfang 2013 in Deutschland Asyl beantragt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hatte den Antrag wegen der Zuständigkeit Spaniens als unzulässig abgelehnt, die Abschiebung des Klägers nach Spanien angeordnet und ihn im April 2013 dorthin überstellt. Im Juni 2013 reiste der Kläger wieder in das Bundesgebiet ein und beantragte unter einem Aliasnamen erneut Asyl. Nachdem die spanischen Behörden Mitte September 2013 erneut ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers erklärt hatten, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Einen gegen die Abschiebungsanordnung gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht zunächst ab (Beschluss vom Januar 2014); mit Beschluss vom 24. März 2014 ordnete es dann die aufschiebende Wirkung der Klage an, weil zwischenzeitlich die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei. Die Klage selbst hatte beim Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung angeordnet und in der Hauptsache den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Es hat dies damit begründet, dass die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens mit Ablauf der Überstellungsfrist während des gerichtlichen Verfahrens von Spanien auf Deutschland übergegangen sei. Hierauf könne sich der Kläger auch berufen, da Spanien inzwischen nicht mehr aufnahmebereit sei.


Der 1. Revisionssenat hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben, weil im Zeitpunkt der Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Überstellungsfrist von sechs Monaten noch nicht abgelaufen war. Die Überstellungsfrist wird zwar grundsätzlich mit der Erklärung des anderen Mitgliedstaates in Lauf gesetzt, den Schutzsuchenden zur Durchführung des Asylverfahrens (wieder) aufzunehmen. Diese Frist wird aber mit einem vor Ablauf der Überstellungsfrist gestellten Eilantrag gegen die Abschiebungsanordnung unterbrochen, weil dann bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Überstellung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Mit der ablehnenden Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird auch unter Geltung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-Verordnung) die Überstellungsfrist neu in Lauf gesetzt. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt, dass dem jeweiligen Mitgliedstaat ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten für die Vorbereitung und Durchführung einer Überstellung zur Verfügung stehen muss.


BVerwG 1 C 15.15 - Urteil vom 26. Mai 2016

Vorinstanzen:

OVG Münster, 13 A 2159/14.A - Urteil vom 16. September 2015 -

VG Düsseldorf, 13 K 8286/13.A - Urteil vom 12. September 2014 -


Urteil vom 26.05.2016 -
BVerwG 1 C 15.15ECLI:DE:BVerwG:2016:260516U1C15.15.0

Unterbrechung der Dublin-Überstellungsfrist bei erfolglosem Antrag auf Eilrechtsschutz gegen Abschiebungsanordnung

Leitsatz:

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 1, 2 Satz 1 AsylG) unterbricht den Lauf der Frist für eine Überstellung nach den Regelungen der Dublin II/III-VO. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen solchen Antrag wird die Frist auch dann neu in Lauf gesetzt, wenn der Antrag abgelehnt wird.

  • Rechtsquellen
    AsylG §§ 27a, 34a, 77 Abs. 1
    Dublin II-VO Art. 3, 10, 17 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1
    Dublin III-VO Art. 49 Abs. 2
    VwGO § 80 Abs. 5 und 7

  • VG Düsseldorf - 12.09.2014 - AZ: VG 13 K 8286/13.A
    OVG Münster - 16.09.2015 - AZ: OVG 13 A 2159/14.A

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 26.05.2016 - 1 C 15.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:260516U1C15.15.0]

Urteil

BVerwG 1 C 15.15

  • VG Düsseldorf - 12.09.2014 - AZ: VG 13 K 8286/13.A
  • OVG Münster - 16.09.2015 - AZ: OVG 13 A 2159/14.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und
Dr. Harms
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2015 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein guineischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und die Anordnung seiner Abschiebung nach Spanien.

2 Der Kläger reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 von Marokko aus (über Melilla) nach Spanien und wurde dort am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt. Am 14. Januar 2013 beantragte er unter einem Aliasnamen in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte diesen Asylantrag durch Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Spanien an; die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.

3 Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Juni 2013 - nunmehr unter einem anderen Namen - erneut Asyl. Ein Eurodac-Abgleich vom 27. August 2013 ergab, dass der Kläger bereits in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden war. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamtes anerkannten die spanischen Behörden mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages und erklärten ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers. Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziffer 2).

4 Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 7. Januar 2014 einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zunächst ab und ordnete dann nach § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschluss vom 24. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an, weil zwischenzeitlich die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei. Das Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 12. September 2014 die Klage ab, weil nach der Dublin II-Verordnung weiterhin Spanien für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet und in der Hauptsache mit Urteil vom 16. September 2015 den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der hier anzuwendenden Dublin II-Verordnung zwar zunächst Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sei. Diese Zuständigkeit sei aber inzwischen auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Spanien überstellt worden sei. Diese Frist habe mit der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch Spanien im September 2013 begonnen und sei während des gerichtlichen Verfahrens nicht wieder neu eröffnet worden. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Dabei könne offenbleiben, ob und in welchem Umfang die Dublin-Regelungen Individualschutz entfalteten. Eine Verletzung subjektiver Rechte ergebe sich jedenfalls aus dem materiellen Recht, da der Kläger ansonsten seinen Anspruch auf die ihm durch Unionsrecht garantierte Überprüfung seines Begehrens durch einen Mitgliedstaat nicht wirksam durchsetzen könne. Zwar sei im Einzelfall denkbar, dass ein Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist weiterhin zur Wiederaufnahme bereit sei; für den Regelfall könne hiervon aber nicht ausgegangen werden. In Ermangelung jeglichen Hinweises auf eine fortbestehende Aufnahmebereitschaft Spaniens sei hier von einer Rechtsverletzung des Klägers auszugehen. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

6 Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, dass bereits die Überstellungsfrist nicht abgelaufen und daher kein Zuständigkeitswechsel auf Deutschland bewirkt worden sei. Zudem dienten die in den Dublin-Verordnungen geregelten Fristen allein der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und der zeitnahen Überstellung in diesen Staat, begründeten aber keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden.

7 Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II

8 Die zulässige Revision ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die durch die Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzte Überstellungsfrist werde durch einen fristgerechten Antrag nach § 34a AsylG nicht unterbrochen und dann auch bei einer ablehnenden Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht neu in Lauf gesetzt, verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) (3.). Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (4.).

9 1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom gleichen Tag (BGBl. I S. 394), sowie die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie hier in Bezug auf die anzuwendende Fassung der Dublin-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

10 2. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend dahin erkannt, dass hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 4. Oktober 2013 nur die Anfechtungsklage statthaft ist (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - NVwZ 2016, 154 Rn. 13 ff.). Für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit ist nach deren Art. 49 Abs. 2 die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - nicht heranzuziehen, weil sie intertemporal nur auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt worden sind. Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO Spanien jedenfalls wegen der Einreise des Klägers über diesen Mitgliedstaat mangels vorrangiger Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO originär zuständig war, und die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht wegen einer Versäumung der in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO genannten Frist für die Prüfung des Asylantrages international zuständig geworden ist.

11 3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Asylantrag sei wegen Versäumung der Überstellungsfrist (Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, verletzt indes Bundesrecht. Das Berufungsgericht vernachlässigt bei seiner Berechnung der Frist, die grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, dass bei einem rechtzeitigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) eine Abschiebung bis zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht vollzogen werden darf und daher die sechsmonatige Überstellungsfrist auch dann erneut in Lauf gesetzt wird, wenn das Verwaltungsgericht diesen Antrag ablehnt (s.a. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - Rn. 18 ff.). Aus der - zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO ergangenen - Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass dem Mitgliedstaat in Fällen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz stets die volle Überstellungsfrist zur Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung stehen muss und die Frist für die Durchführung der Überstellung daher erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:​EU:​C:​2009:​41], Petrosian - Rn. 43 ff.). Dem unionsrechtlichen Begriff der "aufschiebenden Wirkung" eines Rechtsbehelfs unterfällt mithin unabhängig von der terminologischen Einordnung nach nationalem Recht auch das allein durch die Antragstellung nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich klar, dass dem Mitgliedstaat stets eine zusammenhängende sechsmonatige Überstellungsfrist zuzubilligen ist, so dass die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, nach der eine bloße Hemmung einer mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzten Überstellungsfrist anzunehmen ist (so VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92), nicht dem Unionsrecht entspricht.

12 Im Zeitpunkt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. März 2014, durch den die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden war, war hiernach die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen. Da der Kläger gegen die Überstellungsentscheidung vom 4. Oktober 2013 Klage erhoben und im Oktober 2013 rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung gestellt hatte, war die Überstellungsfrist unterbrochen worden. Sie begann erst (erneut) mit der Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzantrages durch das Verwaltungsgericht am 7. Januar 2014 zu laufen und war mithin am 24. März 2014, als das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnete, noch nicht abgelaufen. Das Berufungsgericht hat die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung hier nach § 80b Abs. 2 VwGO auch fristgerecht angeordnet, so dass die Vollziehung weiterhin - bis zur Unanfechtbarkeit der Anordnung - ausgesetzt bleibt. Die derart unterbrochene Überstellungsfrist konnte daher nicht wegen der Überschreitung der in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO genannten Fristen, die sich auf eine rechtlich mögliche Überstellung beziehen, ablaufen.

13 Der Kläger hat hier die - unter einem Aliasnamen bewirkte - erste Überstellungsentscheidung des Bundesamtes vom 13. März 2013 bestandskräftig werden lassen und ist auch sonst nicht gegen die am 10. April 2013 bewirkte Überstellung vorgegangen. Die im Beschluss des Senats vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - aufgeworfenen Fragen stellen sich mithin nicht, zumal es der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht verwehrt ist, auf den neuerlichen Asylantrag des Klägers hin das Dublin-Regime anzuwenden, die Anwendung der Dublin-Regelungen den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt und bei Nichtanwendbarkeit ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland erst recht ausscheidet.

14 4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages ist insbesondere nicht ausnahmsweise wegen sog. systemischer Mängel (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​865], N. S. u.a.; EGMR <GK>, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M. S. S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413; s. nunmehr auch Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Der Kläger hat sich allerdings in seiner Klageschrift auf solche Mängel berufen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu indes ausgeführt, dass ihm keinerlei Erkenntnisse vorlägen, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen. Bereits im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Vortrag aus der Klageschrift nicht wieder aufgegriffen, so dass das Berufungsgericht - dem sich derartige Mängel für Spanien nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers oder von Amts wegen in aktueller Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen (dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 - juris) auch nicht aufdrängen mussten - insoweit keine ausdrücklichen Feststellungen treffen musste. Auch im Revisionsverfahren hat der Kläger insoweit nicht an sein erstinstanzliches Vorbringen angeknüpft und nicht mit einer formgerechten Gegenrüge (dazu - m.w.N. - Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 78) substantiiert zu systemischen Schwachstellen des Asylsystems in Spanien vorgetragen.

15 5. Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides), die von der Vorfrage der internationalen Zuständigkeit (§ 27a AsylG) unabhängig sind, sind hier nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.

16 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten wer-den gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.