Verfahrensinformation

Erzeuger und Besitzer von Abfällen aus privaten Haushalten sind verpflichtet, die von ihnen nicht verwerteten Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen. Diese Pflicht besteht nicht für Verkaufsverpackungen, die einer Rücknahmepflicht nach der Verpackungsverordnung unterliegen. Die Klägerin, ein privater Entsorgungsfachbetrieb, stellte in Lübecker Wohngebieten Sammelcontainer für Altpapier, Altglas sowie Verkaufsverpackungen aus Metallen, Kunst- und Verbundstoffen auf. Die Hansestadt Lübeck untersagte die Abfallsammlung, weil die Klägerin ein nicht anerkanntes Entsorgungssystem betreibe. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Im Revisionsverfahren wird zu entscheiden sein, wie sich die Sonderregelung für Versandhandelsverpackungen zu den Vorschriften über die Abholung sämtlicher Verkaufsverpackungen verhält.


Pressemitteilung Nr. 17/2006 vom 16.03.2006

Verbot einer nicht flächendeckenden Abfallsammlung

Eine Sammlung von Verkaufsverpackungen des Versandhandels ist rechtswidrig, wenn sie auf die Erfassung sämtlicher Verkaufsverpackungen unabhängig von ihrer Herkunft aus dem Versandhandel zielt. Das hat heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.


Die beklagte Hansestadt Lübeck untersagte der Klägerin die Sammlung von Verkaufsverpackungen in Großbehältern, weil sie eine haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen betreibe, die den behördlich anerkannten Entsorgungssystemen wie dem Dualen System Deutschland vorbehalten sei. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stellte die Klägerin ihre Sammelbehälter in Lübecker Wohngebieten auf und zielte durch deren Beschriftung auf eine möglichst umfassende Sammlung von Verkaufsverpackungen aller Art, um hohe Verwertungsquoten zu erzielen. Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die von der Klägerin betriebene Abfallsammlung gegen die Verpackungsverordnung verstößt.


Die Verpackungsverordnung verpflichtet Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen, diese am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen und einer Verwertung zuzuführen. Die Pflicht zur individuellen Rücknahme kann auch durch Beauftragung Dritter erfüllt werden, die ihr durch ein Selbstentsorgersystem nachkommen. Demgegenüber entfällt die Rücknahmepflicht der Hersteller und Vertreiber, die sich an einem behördlich anerkannten Entsorgungssystem beteiligen, das flächendeckend die regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe sicherstellt und die Verwertungsanforderungen erfüllt. Eine Sondervorschrift erlaubt den Unternehmen des Versandhandels, ihre Rücknahmepflicht dadurch zu erfüllen, dass die Rückgabe von Versandhandelsverpackungen in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher ermöglicht wird. Durch dieses Versandhandelsprivileg ist die Rücknahme von Verkaufsverpackungen vereinfacht, zugleich allerdings auf Verkaufsverpackungen des Versandhandels beschränkt worden. Im Interesse der Stabilität der anerkannten Abfallsammelsysteme sind Selbstentsorger des Versandhandels und ihre Beauftragten verpflichtet, durch entsprechende Standortwahl, Kapazität und Beschriftung der Sammelbehälter sicherzustellen, dass Verkaufsverpackungen des Versandhandels unter weitgehendem Ausschluss von Fehlwürfen gesondert erfasst werden. Mangels Bereitschaft der Klägerin, den gebotenen Anforderungen Rechnung zu tragen, durfte die Abfallsammlung untersagt werden.


BVerwG 7 C 9.05 - Urteil vom 16.03.2006


Urteil vom 16.03.2006 -
BVerwG 7 C 9.05ECLI:DE:BVerwG:2006:160306U7C9.05.0

Leitsätze:

Die Sonderregelung für die Rücknahme von Verkaufsverpackungen des Versandhandels (§ 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV) erlaubt keine haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen jeder Herkunft.

Selbstentsorger des Versandhandels und ihre Beauftragten sind zur Vermeidung unzulässiger Wettbewerbsvorteile verpflichtet, den Rahmen der ihnen erlaubten Rückgabemodalität nicht zu überschreiten und durch aufkommensadäquate Kapazität der Sammelbehälter, benutzungsbeschränkende Beschriftung und andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Verkaufsverpackungen des Versandhandels unter weitgehendem Ausschluss von Fehlwürfen gesondert erfasst werden.

  • Rechtsquellen
    KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3; § 21 Abs. 1
    VerpackV § 3 Abs. 1 Nr. 2; § 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 6, Abs. 3

  • Schleswig-Holsteinisches VG - 24.10.2003 - AZ: VG 4 A 71/01
    Schleswig-Holsteinisches OVG - 16.06.2005 - AZ: OVG 4 LB 22/04

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 7 C 9.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:160306U7C9.05.0]

Urteil

BVerwG 7 C 9.05

  • Schleswig-Holsteinisches VG - 24.10.2003 - AZ: VG 4 A 71/01
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 16.06.2005 - AZ: OVG 4 LB 22/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t , K r a u ß
und N e u m a n n , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht G u t t e n b e r g e r
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberwaltungsgerichts vom 16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin, ein Entsorgungsfachbetrieb, wendet sich gegen eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung. Sie stellte in Lübecker Wohngebieten Behälter zur Sammlung von Altpapier/Pappe, Altglas und Verkaufsverpackungen aus Metallen, Kunst- und Verbundstoffen auf. Mit Verfügung vom 16. November 2000 forderte die Beklagte sie auf, die Sammelbehälter zu entfernen und die gewerbliche Sammlung von Abfällen in Lübeck zu unterlassen. Der gewerblichen Sammlung ständen öffentliche Interessen entgegen. Die Entsorgungsstruktur werde gefährdet, wenn die Gebührenpflichtigen mit Kosten belastet würden, für die der Entsorgungsträger keine angemessene Gegenleistung erbringen könne, weil die Leistungen durch gewerbliche Sammlungen abgedeckt würden. Unabhängig davon sei die Abfallsammlung mit § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung (VerpackV) vom 21. August 1998 (BGBl I S. 2379) unvereinbar, weil die Klägerin kein anerkanntes Entsorgungssystem betreibe. Erzeuger und Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen seien verpflichtet, von ihnen nicht verwertete Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen. Keine Überlassungspflicht bestehe für Abfälle, die einer Rücknahmepflicht nach der Verpackungsverordnung unterlägen. In Lübeck würden Verkaufsverpackungen durch das anerkannte Entsorgungssystem DSD entsorgt, das die Abholung von Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe gewährleiste. Die haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen durch nicht anerkannte Entsorgungssysteme lasse die Verpackungsverordnung nicht zu.

2 Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben, weil die Klägerin im Auftrag eines Selbstentsorgersystems des Versandhandels tätig sei und die Überlassungspflicht nicht für Verkaufsverpackungen des Versandhandels gelte, die in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher zurückgegeben werden dürften. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen und die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss abgewiesen: Die angefochtene Verfügung diene der Durchführung der Verpackungsverordnung und sei auch in der Sache rechtmäßig. Zwar seien die im Auftrag von Selbstentsorgern gesammelten Verkaufsverpackungen nicht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen und ihr Einsammeln nicht als gewerbliche Abfallsammlung einzustufen. Die von der Klägerin betriebene haushaltsnahe Erfassung gebrauchter Verkaufsverpackungen stelle sich aber als ein von der Rücknahmepflicht befreiendes Entsorgungssystem dar, ohne die hierfür erforderlichen Voraussetzungen einer flächendeckenden Sammlung und einer entsprechenden Systemfeststellung zu erfüllen. Die Sonderregelung zugunsten des Versandhandels stehe der Klägerin nicht zur Seite, weil Zweifel an der Herkunft eines Großteils der Abfälle aus dem Versandhandel beständen, die Sammelbehälter nach Beschriftung und Standort auf Verkaufsverpackungen jeder Herkunft zugeschnitten seien und die Klägerin nach eigenem Bekunden das Ziel verfolge, durch eine breit gestreute Aufstellung von Sammelbehältern in Haushaltsnähe unter Inkaufnahme von Fehlwürfen die erforderlichen Rücknahmequoten zu erfüllen.

3 Die Klägerin hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt und trägt zur Begründung vor: Die angefochtene Verfügung sei durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Sie diene nicht der Durchführung von Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, da die von der Klägerin gesammelten Verkaufsverpackungen nicht der gesetzlichen Überlassungspflicht unterfielen. Ebenso wenig diene sie der Durchführung der Verpackungsverordnung, weil die Klägerin nicht rücknahmeverpflichtet und damit nicht Normadressat des § 6 Abs. 1 oder 3 VerpackV sei. Auch in der Sache sei § 6 Abs. 3 VerpackV nicht verletzt. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV, der den Rücknahmepflichtigen aus dem Bereich des Versandhandels die Möglichkeit einräume, die Rückgabe von Verkaufsverpackungen in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher vorzusehen. Abgesehen davon, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht die Angaben der Klägerin zum Umfang der gesammelten Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel bezweifelt und unzureichende Hinweise auf Verkaufsverpackungen des Versandhandels bemängelt habe, verkenne die Entscheidung den Inhalt des Versandhandelprivilegs. Das Verlangen, den Kundenkreis zu konkretisieren und dementsprechend die Standorte der Abfallbehälter festzulegen, finde in Wortlaut und Zweck der Vorschrift keine Grundlage und laufe darauf hinaus, dass die Versandhandelsunternehmen ihre Rücknahmepflichten nicht mehr erfüllen könnten. Die Klägerin beabsichtige nicht, alle Verpackungsabfälle unabhängig von ihrer Herkunft einzusammeln. Fehlwürfe der Abfallbesitzer dürften jedoch nicht der Klägerin angelastet werden. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV zwinge den Versandhandel nicht, die Verkaufsverpackungen seiner Kunden zielgerichtet zu erfassen, was praktisch unmöglich sei. Sie solle die Erfüllung der Rücknahmepflichten der Unternehmen erleichtern und zur Erhöhung der Verwertungsquoten beitragen. Die Einsammlung von Verkaufsverpackungen des Versandhandels "in zumutbarer Nähe zum Endverbraucher" schließe das Recht ein, die Abfallbehälter vor der Haustür der potentiellen Kunden aufzustellen. Im Übrigen sei die Ordnungsverfügung auch deshalb rechtswidrig, weil das generelle Verbot der Abfallsammlung unverhältnismäßig sei, die Klägerin keine gewerbliche Sammlung durchführe und die Beklagte ihr Ermessen nicht ausgeübt habe.

4 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus: Durch § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG sei sie als zuständige Behörde ermächtigt, gegenüber Personen, denen das Gesetz oder aufgrund des Gesetzes erlassene Verordnungen konkrete Rechtspflichten auferlegten, die materiellen Anforderungen durchzusetzen. Zu diesen Personen gehöre auch die Klägerin, die als Auftragnehmerin beauftragter Dritter i.S.d. § 11 VerpackV bei der Erfüllung der den Herstellern und Vertreibern von Verkaufsverpackungen obliegenden Rücknahmepflichten mitwirke. Dabei sei sie zur Beachtung der Vorschriften der Verpackungsverordnung im Rahmen der Auftragsdurchführung verpflichtet. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stelle sie Sammelbehälter ohne benutzungsbeschränkenden Hinweis in Haushaltsnähe auf und nehme Fehlwürfe von Verkaufsverpackungen außerhalb des Versandhandels in Kauf. Eine derart umfassende Sammlung von Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher sei durch § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV nicht gedeckt. Die Untersagungsverfügung sei hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.

II

5 Die Revision ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zum Einschreiten gegen die Klägerin ermächtigt ist (1). Seine Auffassung, dass Unternehmen des Versandhandels oder ihre Beauftragten im Fall der Selbstentsorgung keine Verkaufsverpackungen anderer Herkunft erfassen dürfen, ist mit Bundesrecht vereinbar (2). Seine Annahme, die Untersagungsverfügung sei rechtmäßig, begegnet keinen revisisionsrechtlichen Bedenken (3).

6 1. Die angefochtene Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 21 Abs. 1 KrW-/ AbfG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen treffen. Soweit die Beklagte davon ausgegangen ist, dass die Sammlung der Klägerin auf Altpapier wie ausgediente Zeitungen und Zeitschriften sowie Altpappe gerichtet ist, die nicht von Verkaufsverpackungen stammen, greift die Pflicht zur Überlassung von Abfällen aus privaten Haushaltungen an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein, wenn der gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG); das kann der Fall sein, wenn ohne die Überlassung dieser Abfälle zur Verwertung die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung gefährdet wäre. Unter dieser Voraussetzung diente die angefochtene Verfügung der Erfüllung der gesetzlichen Überlassungspflicht (§ 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG). Ebenso wie das Oberverwaltungsgericht kann auch der Senat offen lassen, ob die Abfallsammlung der Klägerin die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung gefährdet; denn die angefochtene Verfügung erweist sich unabhängig hiervon deshalb als rechtmäßig, weil sich die von der Klägerin betriebene Abfallsammlung der Sache nach als von der individuellen Rücknahmepflicht freistellendes haushaltsnahes Sammelsystem darstellt, ohne die entsprechenden Voraussetzungen nach § 6 Abs. 3 VerpackV zu erfüllen.

7 Soweit es sich bei den in Rede stehenden Abfällen um Verkaufsverpackungen handelt, die nach § 6 VerpackV einer Rücknahmepflicht unterliegen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG), ist die Beklagte ermächtigt, Anordnungen zur Erfüllung der Rücknahmepflichten nach der Verpackungsverordnung gegenüber den Verpflichteten zu erlassen. Zum Kreis der hiernach Verpflichteten gehört die Klägerin, soweit sie als Auftragnehmerin beauftragter Dritter bei der Erfüllung der den Herstellern und Vertreibern von Verkaufsverpackungen obliegenden Rücknahmepflichten mitwirkt. Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen können sich zur Erfüllung ihrer Rücknahmepflichten Dritter bedienen (§ 11 VerpackV). Werden die Rücknahmepflichten der Hersteller und Vertreiber vertraglich von Dritten übernommen, haben diese für deren ordnungsgemäße Erfüllung einzustehen. Wie sich aus den im Klageverfahren vorgelegten Vertragsauszügen ergibt, haben die hiernach für die Erfüllung der Rücknahmepflichten verantwortlichen Dritten die Klägerin beauftragt, die Verkaufsverpackungen in geeigneten Abfallbehältern zu erfassen, zu sortieren und zu verwerten, ohne dass sie hierbei an Weisungen des Dritten gebunden ist. Infolgedessen darf die Beklagte nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG die erforderlichen Anordnungen gegen die Klägerin erlassen, wenn diese im Rahmen der vertraglich übernommenen Aufgaben Vorschriften der Verpackungsverordnung verletzt.

8 2. Ohne Verletzung von Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass an die Sammlung von Verkaufsverpackungen des Versandhandels andere Anforderungen zu stellen sind, als dies bei einem anerkannten Rücknahmesystem für Verkaufsverpackungen aller Art der Fall ist.

9 Die Verpackungsverordnung sucht die gesetzlichen Ziele der Produktverantwortung (§ 22 KrW-/AbfG) bei Verkaufsverpackungen durch eine Pflicht zur Rücknahme und zur Verwertung zu erreichen. Hersteller und Vertreiber von Verpackungen, die als eine Verkaufseinheit angeboten werden und beim Endverbraucher anfallen oder die Übergabe von Waren an den Endverbraucher ermöglichen oder unterstützen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 VerpackV), sind verpflichtet, gebrauchte restentleerte Verpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen und einer näher bestimmten Verwertung zuzuführen (§ 6 Abs. 1 und 2 VerpackV). Die Pflicht zur individuellen Rücknahme kann auch durch Zusammenwirken mehrerer Hersteller und Vertreiber sowie durch Beauftragung Dritter erfüllt werden, die der Rücknahme- und Verwertungspflicht der Hersteller und Vertreiber, insbesondere zur Erreichung der erforderlichen Verwertungsquoten, durch ein Selbstentsorgersystem nachkommen (§ 11 VerpackV). Demgegenüber entfällt die individuelle Rücknahme- und Verwertungspflicht der Hersteller und Vertreiber, soweit sie sich an einem System beteiligen, das flächendeckend die regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe gewährleistet und die Verwertungsanforderungen erfüllt (§ 6 Abs. 3 VerpackV). Bei einem solchen System bedarf es der behördlichen Feststellung, dass die Erfüllung dieser Voraussetzungen gewährleistet ist (§ 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackV).

10 Art und Ort der Erfüllung der Rücknahmepflicht sind für Selbstentsorger oder Selbstentsorgersysteme einerseits und behördlich festgestellte Systeme andererseits unterschiedlich geregelt. Während Selbstentsorger die gebrauchten Verpackungen in der Warenverkaufsstelle oder in deren unmittelbarer Nähe zurückzunehmen haben, hat der Betreiber eines festgestellten Systems sicherzustellen, dass Verpackungen beim privaten Endverbraucher - und nur bei diesem - durch ein Holsystem, in der Nähe des Endverbrauchers durch ein Bringsystem oder durch eine Kombination beider Systeme regelmäßig erfasst werden können. Für Verpackungen des Versandhandels, der über keine Ladenlokale verfügt, ist die Rücknahmepflicht des Selbstentsorgers abweichend hiervon dadurch zu gewährleisten, dass die Verpackungen "in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher" zurückgegeben werden können, wobei in der Warensendung und in den Katalogen auf die entsprechende Rückgabemöglichkeit hinzuweisen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 6 und 7 VerpackV). Die Rücknahme von Verkaufsverpackungen des Versandhandels ist durch diese Rückgabemöglichkeit vereinfacht, zugleich allerdings auf die entsprechenden Verpackungen beschränkt worden. Die Sonderregelung für den Versandhandel lässt zwar eine Rückgabemöglichkeit für dessen Verpackungen in der Nähe des Endverbrauchers zu, nicht aber die haushaltsnahe Erfassung sämtlicher Verkaufsverpackungen, die dem behördlich festgestellten System vorbehalten bleibt.

11 Hinsichtlich der Verwertung, insbesondere der zu erzielenden Verwertungsquote, unterliegen Hersteller und Vertreiber, die ihre Rücknahme- und Verwertungspflicht für die Verkaufsverpackungen selbst erfüllen oder durch Selbstentsorgersysteme erfüllen lassen, und behördlich festgestellte Systeme denselben Anforderungen (Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV). Das hat der Normgeber der Verpackungsverordnung damit begründet, dass die angestrebte Effizienz der Erfassung und Verwertung zur Herstellung von Wettbewerbsgleichheit auch den Selbstentsorgern abverlangt werden müsse, um eine Aushöhlung der Rücknahmepflichten und die missbräuchliche Inanspruchnahme endverbrauchernaher Erfassungssysteme i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV möglichst auszuschließen (BTDrucks 13/5999, S. 14 f.). Vor diesem Hintergrund gewinnt die erforderliche Unterscheidung zwischen der Rückgabemöglichkeit für Verkaufsverpackungen des Versandhandels im Wege der Selbstentsorgung und der haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen jeder Herkunft durch behördlich festgestellte Systeme besondere Bedeutung. Im Interesse der Stabilität der festgestellten Systeme sind Selbstentsorger des Versandhandels und ihre Beauftragten zur Vermeidung unzulässiger Wettbewerbsvorteile verpflichtet, den Rahmen der ihnen erlaubten Rückgabemodalität nicht zu überschreiten und durch aufkommensadäquate Kapazität der in der Nähe des Endverbrauchers aufgestellten Sammelbehälter, benutzungsbeschränkende Beschriftung und andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Verkaufsverpackungen des Versandhandels unter weitgehendem Ausschluss von Fehlwürfen gesondert erfasst werden.

12 Aufgabe der für die Durchführung der Verpackungsverordnung zuständigen Behörde ist es, die Einhaltung der Vorgaben der Verpackungsverordnung zu gewährleisten und Pflichtverletzungen entgegenzutreten. Diese Aufgabe schließt die Befugnis ein, gegen missbräuchliche Modalitäten der Erfassung von Verkaufsverpackungen einzuschreiten. Das Regelungsgefüge des § 6 VerpackV soll nicht nur die Erfüllung der Rücknahme- und Verwertungspflichten gewährleisten. Es dient auch der Funktionsfähigkeit der anerkannten Systeme. Die von der Rücknahmepflicht freistellenden Systeme (§ 6 Abs. 3 VerpackV) können ihre Funktion, flächendeckend eine regelmäßige haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen zu ermöglichen, nur dann dauerhaft wahrnehmen, wenn sich Selbstentsorger auf die Rückgabemodalitäten beschränken, die ihnen durch § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV zugewiesen sind. Die Funktionsfähigkeit eines flächendeckenden Systems würde gefährdet, wenn eine haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen durch örtlich begrenzte Systeme zugelassen würde, die Verkaufsverpackungen nur an ausgewählten, wirtschaftlich lukrativen Standorten zurücknehmen (vgl. Hess. VGH, NVwZ 2000, 92 ff.).

13 Auf der anderen Seite müssen Selbstentsorgersysteme der Rücknahmepflichtigen grundsätzlich auch ohne haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen funktionsfähig, insbesondere zur Erfüllung der auferlegten Verwertungsquoten in der Lage sein. Die Beschränkung der Selbstentsorger auf die Rücknahme von Verpackungen an der Warenverkaufsstelle oder deren unmittelbare Umgebung schließt es nicht aus, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV erforderlichen Verwertungsquoten einzuhalten. Das gilt auch für den Versandhandel, den die Verordnung den Rücknahmepflichtigen zurechnet und zugleich in bestimmtem Umfang begünstigt. Die Verwertungsquoten lassen sich namentlich durch Zusammenwirken von Herstellern und Vertreibern erreichen, bei dem es nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 7 des Anhangs zu § 6 VerpackV genügt, dass die zusammenwirkenden Selbstentsorger die Verwertungsanforderungen als Gemeinschaft insgesamt erfüllen. Diese Vorschrift ist zwar erst durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 30. Dezember 2005 (BGBl 2006 I S. 2) eingefügt worden und damit während des Revisionsverfahrens in Kraft getreten. Sie ist gleichwohl als Maßstab der revisionsgerichtlichen Beurteilung heranzuziehen, weil sie auch vom Oberverwaltungsgericht zugrunde zu legen wäre, wenn es zum gegenwärtigen Zeitpunkt über die Verwertungsanforderungen einer Selbstentsorgergemeinschaft zu befinden hätte (Urteil vom 18. Dezember 1992 - BVerwG 7 C 16.92 - BVerwGE 91, 334 <337 f.>).

14 3. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage gegen die Untersagungsverfügung abgewiesen, weil sich die von der Klägerin betriebene Sammlung von einer haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen jeder Herkunft nicht unterscheide und die Voraussetzungen eines Systems zur Erfassung von Verkaufsverpackungen i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV nicht erfüllt seien. Diese Auffassung hält den Angriffen der Revision stand.

15 Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass Anzahl und Größe der von der Klägerin aufgestellten Sammelbehälter außer Verhältnis zu dem mutmaßlichen Aufkommen an Versandhandelsverpackungen in der Nähe des Aufstellungsorts stehen, die Beschriftung der Behälter keine Beschränkung auf Verkaufsverpackungen des Versandhandels erkennen lässt, der Klägerin unbekannt ist, wo sich Endverbraucher von Versandhandelsverpackungen ihrer Auftraggeber befinden, und sie nach ihrem eigenen Bekunden das Ziel verfolgt, durch eine breit gestreute Aufstellung von Sammelbehältern in Haushaltsnähe unter Inkaufnahme von Fehlwürfen die ihren Auftraggebern obliegenden Verwertungsquoten sicherzustellen. Die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts rechtfertigen den vom ihm gezogenen Schluss, dass die von der Klägerin betriebene Sammlung darauf angelegt ist, neben Verkaufsverpackungen des Versandhandels auch Verkaufsverpackungen jeder Herkunft zu erfassen. Eine derartige Erfassung von Verpackungen ist nicht durch das Versandhandelsprivileg des § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV gedeckt. Sie stellt sich als unzulässige Inanspruchnahme eines haushaltsnahen Erfassungssystems dar, weil sie die Verwertungsvorteile einer über Versandverpackungen hinausgehenden Erfassung nutzt, ohne die Voraussetzungen eines flächendeckenden und anerkannten Sammelsystems zu erfüllen.

16 Es kann offen bleiben, ob die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen worden sind. Wird das unterstellt, ist die Verfahrensrüge unbegründet; denn die Revision behauptet zu Unrecht, das Oberverwaltungsgericht habe wesentliches Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin im Auftrag der Vereinigung für Wertstoffrecycling (VfW) auch Verpackungen erfasst, die von Versandhandelsunternehmen stammen. Nach seiner Auffassung hat die Klägerin indes die bestehenden Zweifel an der Angemessenheit von Anzahl, Größe und Standorten der Sammelbehälter zum Zweck der Erfassung von Versandhandelsverpackungen nicht ausgeräumt. Den Angaben, die die Beklagte hierzu im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemacht hatte, ist die Klägerin nicht mit konkretem tatsächlichem Vorbringen entgegengetreten, obwohl sie insoweit darlegungspflichtig ist, weil sie sich auf die ihr günstigen Rechtsfolgen des Versandhandelsprivilegs beruft. Gleiches gilt für die unzureichende Beschriftung der Abfallbehälter mit einem Aufkleber, der auf die Rücknahme von "Verkaufsverpackungen" hinweist und damit den Endverbraucher im Unklaren darüber lässt, dass die Behälter nur für Versandhandelsverpackungen benutzt werden dürfen. Die Revision behauptet zwar, die Klägerin habe bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unwidersprochen Aufkleber zu den Akten gereicht, aus denen hervorgehe, dass in die Behälter nur Verkaufsverpackungen aus dem Versandhandel eingeworfen werden dürften. Dieses Vorbringen wird aber durch den Akteninhalt nicht gedeckt.

17 Der Einwand der Revision, es sei ihr weder möglich noch zumutbar, Kapazität und Standorte von Abfallbehältern dem jeweiligen Bedarf anzupassen, weil die Abnehmer von Versandhandelsware erst im Zeitpunkt der Bestellung bekannt würden, vernachlässigt, dass das Oberverwaltungsgericht keine exakten Angaben zu den jeweiligen Endverbrauchern von Versandhandelsverpackungen, sondern eine plausible Erklärung für das nach seiner Auffassung weit überdimensionierte Erfassungsvolumen vermisst hat. Aus dem Umstand, dass die Klägerin Angaben zum Umfang der im Umkreis der Endverbraucher regelmäßig anfallenden Versandhandelsverpackungen verweigert hat, durfte das Oberverwaltungsgericht auf ihre Absicht schließen, Verkaufsverpackungen jeder Herkunft in ihren Sammelbehältern zu erfassen. Die Richtigkeit dieser Folgerung wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin sich im Laufe des Verwaltungsprozesses immer wieder des Rechts berühmt hat, Verkaufsverpackungen jeder Herkunft erfassen zu dürfen, weil "das Einsammeln von Verkaufsverpackungen innerhalb von § 6 Abs. 1 bis 3 VerpackV keinen Verboten unterliegt", "es schlichtweg unmöglich (ist), die Behälter nur dort aufzustellen, wo bestehende oder potentielle Kunden der verschiedensten Versandhandelsunternehmen ansässig sind" und "es den Versandhandelsunternehmen überlassen bleiben muss, inwieweit sie eine möglichst hohe Rücknahmequote durch eine breite Fächerung der Aufstellplätze erzielen können". Ein solches Recht sieht die Verpackungsverordnung nicht vor. Vielmehr sind die Versandhandelsunternehmen nur insoweit privilegiert, als sie die Rücknahme ihrer Verpackungen durch geeignete Rückgabemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zum Endverbraucher zu gewährleisten haben. In diesem Sinn zur Rückgabe geeignet sind keine Behälter, deren Standort, Kapazität und Beschriftung darauf angelegt sind, dass in größerem Umfang auch Verkaufsverpackungen jeder Herkunft eingeworfen werden.

18 Wenn eine gesonderte Erfassung von Versandhandelsverpackungen im Einzelfall nicht möglich sein sollte, wie die Revision behauptet, bliebe dem Versandhändler nur die Alternative, sich einem anerkannten Rücknahmesystem i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV anzuschließen, was übrigens eine tragende Erwägung für die Einfügung der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV in die Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 (BGBl I S. 1234) war (BRDrucks 236/91, S. 14). Selbst bei Unmöglichkeit einer zuverlässigen Prognose über das Anfallen von Versandhandelsverpackungen lässt sich eine Abfallsammlung, die ausgesuchte Elemente eines anerkannten Systems übernimmt, ohne dessen Voraussetzungen zu erfüllen, nicht rechtfertigen. Davon abgesehen zwingt das Oberverwaltungsgericht mit seiner Auffassung, dass das Versandhandelsprivileg nicht zur haushaltsnahen Erfassung sämtlicher Verkaufsverpackungen unabhängig von ihrer Herkunft missbraucht werden dürfe, den Versandhändler nicht zum Anschluss an ein anerkanntes Rücknahmesystem. So weist es selbst darauf hin, dass auch eine Abholung von Versandverpackungen unmittelbar beim Endverbraucher durch die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 6 VerpackV gedeckt sein könnte.

19 Auch im Übrigen ist das angegriffene Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Abfallsammlung durfte uneingeschränkt untersagt und die Klägerin zur Entfernung der Abfallbehälter verpflichtet werden, weil die Klägerin nach ihrem Vorbringen in den Tatsacheninstanzen nicht bereit und willens ist, sich auf eine Sammlung von Verkaufsverpackungen des Versandhandels zu beschränken. Dass das in der angefochtenen Verfügung ausgesprochene Verbot einer "gewerblichen" Sammlung nach dem Sinnzusammenhang auf die mit Recht beanstandete Erfassung von Verkaufsverpackungen jeder Herkunft gerichtet ist, hat bereits das Oberverwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung zutreffend klargestellt. Die rechtsirrtümliche Erstreckung des Verbots auf eine gewerbliche Sammlung begründet schon deshalb keinen Ermessensfehler, weil die angefochtene Verfügung selbständig durch den Verstoß gegen die Vorschriften der Verpackungsverordnung getragen wird.

20 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.