Pressemitteilung Nr. 14/2001 vom 29.03.2001

Ausschluss vom Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft wegen Nähe zum kommunistischen Herrschaftssystem

Das Bundesverwaltungsgericht hat heute über die Auslegung einer am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Ausschlussregelung im Vertriebenenrecht entschieden.


Das Bundesvertriebenengesetz schließt deutsche Volkszugehörige vom Erwerb der Rechtsstellung eines Spätaussiedlers aus, wenn sie in den Aussiedlungsgebieten Funktionen ausgeübt haben, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galten. Dasselbe gilt für Personen, die mit dem Inhaber einer solchen Funktion mindestens drei Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben (§ 5 Nr. 2 b und c BVFG). Das Berufungsgericht hat mehreren Klägern aus der Russischen Föderation, aus Kasachstan und aus Usbekistan, die geltend machen, deutsche Volkszugehörige zu sein, diese Ausschlusstatbestände entgegengehalten.


Das Bundesverwaltungsgericht ist dem in den Fällen, in denen es sich bei den Klägern um hauptamtlich tätige Parteifunktionäre oder ihnen vergleichbare Funktionsträger handelte, mit folgender Begründung gefolgt: Bei denjenigen, die in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt haben, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass sie den Schutz dieses Systems genossen, für sie also das für Volksdeutsche sonst (möglicherweise) bestehende Kriegsfolgenschicksal nicht fortbestand. Das vom Gesetzgeber angenommene Fehlen eines Kriegsfolgenschicksals greife bei Parteifunktionen nicht erst bei Spitzenfunktionen, sondern auf allen Funktionsebenen, also schon auf der unteren Funktionsebene. Auch verlange das Gesetz weder eine bestimmte Mindestzeit für die Funktionsausübung noch ihre Andauer bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Herrschaftssystems. In Ermangelung gesetzlicher Überleitungsvorschriften gelte die Neuregelung auch für noch nicht abgeschlossene Aufnahmeverfahren.


In einem der entschiedenen Fälle führte die Revision des Klägers, der in Kasachstan "Staatsanwalt-Kriminalist" gewesen war, zur Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz, weil der bloßen Strafverfolgung keine Bedeutung für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems zugekommen sei. Aufgeklärt werden müsse aber, ob der Kläger möglicherweise gelenkt von der KPdSU politische Strafverfolgung betrieben habe.


Soweit der Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids daran gescheitert sei, dass die Kläger mindestens drei Jahre mit den genannten Funktionsträgern in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, sei dies verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch insoweit habe der Gesetzgeber bei typisierender Betrachtungsweise davon ausgehen dürfen, dass sie wie die Funktionsträger geschützt waren und für sie deshalb das für Volksdeutsche sonst (möglicherweise) bestehende Kriegsfolgenschicksal ebenfalls nicht fortbestand.


BVerwG 5 C 15.00 - Urteil vom 29.03.2001