Verfahrensinformation

Die Kläger begehren die Ergänzung eines Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes für den Ausbau der Bahnstrecke Berlin-Dresden im Abschnitt Wünsdorf-Baruth. Als Eigentümer von Grundstücken an der Strecke streben sie einen besseren Schutz gegen Lärm und Erschütterungen durch den Bahnbetrieb an. Die Strecke soll zunächst für eine Geschwindigkeit von 160 km/h, in einer weiteren Ausbaustufe für eine Streckengeschwindigkeit von 200 km/h ausgebaut werden. Die Beteiligten streiten vor allem darum, welche Vorbelastung die Kläger sich anrechnen lassen müssen.


Beschluss vom 28.08.2009 -
BVerwG 9 A 22.07ECLI:DE:BVerwG:2009:280809B9A22.07.0

Beschluss

BVerwG 9 A 22.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2009
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu je 3/8, dem Beklagten zu 1/8 und den Beigeladenen zu je 1/16 auferlegt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Rechtsstreit ist nach § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO in der Hauptsache erledigt. Das folgt daraus, dass die Kläger ihn Klage mit Schriftsatz vom 15. Juli 2009 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und die Beklagte dieser Erledigungserklärung nicht innerhalb der am 10. August 2009 abgelaufenen Widerspruchsfrist widersprochen hat, obgleich das Gericht sie auf diese Folge hingewiesen hatte. In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Verfahren deshalb einzustellen.

2 2. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Danach erscheint es angemessen, die Kosten entsprechend den in der Entscheidungsformel vorgenommenen Quotelung unter den Beteiligten zu verteilen. In die Kostenverteilung sind auch die Beigeladenen einzubeziehen, da sie einen Antrag gestellt und sich dadurch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO).

3 Zu den Erfolgsaussichten ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:

4 a) Mit ihrem auf Aufhebung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag wären die Kläger voraussichtlich nicht durchgedrungen, weil sie ihn mittels einer unzulässigen Klageänderung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben. Ausweislich des in ihrer Klagebegründung formulierten Antrags und der darauf bezogenen Ausführungen erstrebten die Kläger zunächst allein eine Planergänzung. Die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung hat dieses Verständnis des Klagebegehrens bestätigt. Angesichts dessen stellt die Erklärung in dem nachgereichten Schriftsatz vom 31. August 2008, „klageerweiternd“ werde die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses begehrt, eine Klageänderung dar. Diese ist nach § 91 Abs. 1 VwGO unzulässig. Die Beklagte hat in sie weder ausdrücklich noch durch widerspruchslose Einlassung zur Sache (§ 91 Abs. 2 VwGO) eingewilligt. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich. Da die Kläger zunächst nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses begehrt haben, ist der Beschluss - abgesehen von der Entscheidung über die Ablehnung der auf ergänzenden Lärm- und Erschütterungsschutz sowie Entschädigung gerichteten Begehren der Kläger als Einwender - bestandskräftig geworden. Eine Sachentscheidung über das nachträglich in die Klage einbezogene Aufhebungsbegehren ist mithin ausgeschlossen.

5 b) Der erste Hilfsantrag hätte hingegen voraussichtlich Erfolg gehabt, soweit er sich auf die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung über Lärmschutzmaßnahmen bezog. Das von den Beigeladenen in Erfüllung des gerichtlichen Auflagenbeschlusses vom 4. September 2008 vorgelegte lärmtechnische Gutachten vom Oktober 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass der Beurteilungspegel an der Westfassade des Wohnhauses der Kläger tagsüber im Planfall mit 70,4 dB(A) über dem Vergleichswert des Nullfalls (70,2 dB(A)) liegen wird. Ausgehend von dieser Lärmprognose führt das Vorhaben zu einer wesentlichen Änderung des Schienenwegs im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG, § 1 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV, so dass die Beklagte zu erneuter Entscheidung über Schutzmaßnahmen zu verpflichten gewesen wäre. Dass in der Lärmprognose für die Züge des Personenfernverkehrs bezogen auf den Nullfall eine Streckengeschwindigkeit von 160 km/h, bezogen auf den Planfall hingegen eine solche von 200 km/h in Ansatz gebracht worden ist, dürfte seine Rechtfertigung darin finden, dass die zweite Ausbaustufe mit dem Wegfall höhengleicher Bahnübergänge als Planungsbestandteil zu berücksichtigen war. Zwischen der planfestgestellten ersten und der ausweislich des Schienenwegebedarfsplans bereits konkret absehbaren zweiten Ausbaustufe besteht ein enger räumlicher und konzeptioneller Zusammenhang; beide erweisen sich damit als Teile einer Gesamtplanung. Das dürfte es erfordern, die Lärmvorsorge bereits auf der ersten Stufe entsprechend auszurichten (vgl. Urteil vom 23. November 2005 - BVerwG 9 A 28.04 - BVerwGE 124, 334 <337 ff.>).

6 c) Im Übrigen hätte dem ersten Hilfsantrag jedoch nicht stattgegeben werden können. Schutzansprüche für die untersuchten Außenwohnbereiche wären zu verneinen gewesen, weil ausweislich der lärmtechnischen Untersuchung vom Oktober 2008 die dortige Lärmbelastung sich planbedingt verringern bzw. nicht relevant ansteigen wird. Ebenso wenig hätten die Kläger eine erneute Entscheidung über Lärmschutzmaßnahmen für den ehemaligen Güterschuppen beanspruchen können. Aktiver Lärmschutz wäre in Anbetracht der Außenbereichslage des Gebäudes jedenfalls an § 41 Abs. 2 BImSchG gescheitert. Einem Anspruch auf passiven Schutz hätte die Regelung in § 42 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, § 2 Abs. 4 Nr. 2 der 24. BImSchV entgegengestanden, wonach passive Schallschutzmaßnahmen nicht erforderlich sind, wenn im Zeitpunkt der Planauslegung (hier: 23. Februar bis 22. März 2004) die beeinträchtigte bauliche Anlage noch nicht genehmigt war. Die Nutzungsänderungsgenehmigung für den ehemals Bahnzwecken dienenden Güterschuppen wurde erst mit Datum vom 12. Dezember 2005 erteilt.

7 d) Ohne Erfolg wäre überdies der zweite Hilfsantrag geblieben. Für einen Entschädigungsanspruch wegen Grundstückswertminderung würde es an einer rechtlichen Grundlage fehlen. Ein solcher Anspruch ließe sich namentlich nicht auf § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG stützen, der eine Entschädigung lediglich als Surrogat für nicht zu verwirklichende Ansprüche auf einen technisch-realen Ausgleich unzumutbarer Auswirkungen der Planung vorsieht, unabhängig davon mit der Planung verbundene Verkehrswertminderungen hingegen nicht erfasst. Diese sind entschädigungslos im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2005 - BVerwG 9 A 12.05 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 69 S. 59).

8 Die Anteile des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens rechtfertigen die vorgenommene Quotelung.

9 3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.