Verfahrensinformation

Das Begehren der Klägerin, ihre vermögensrechtliche Berechtigung als Entschädigungsgrundlagenbescheid hinsichtlich eines ehemaligen Speditionsunternehmens festzustelllen, war vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten insoweit, als die Berechtigung auch den Gesellschaftsanteil eines Kommanditisten betrifft, für den nicht festgestellt wurde, dass er Jude war. Es wird deshalb zu klären sein, ob der Entschädigungsanspruch der Klägerin in der Höhe auf den Anteil begrenzt ist, den jüdische Anteilseigner an dem Unternehmen besaßen.


Beschluss vom 26.06.2007 -
BVerwG 8 B 2.07ECLI:DE:BVerwG:2007:260607B8B2.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 2.07

  • VG Berlin - 07.07.2006 - AZ: VG 22 A 197.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin über die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil vom 7. Juli 2006 wird aufgehoben. Die Revision wird zugelassen.
  2. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf jeweils 4 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Beklagten ist begründet. Die Revision ist zuzulassen. In einem Revisionsverfahren kann voraussichtlich die aufgeworfene Frage geklärt werden, ob in den Fällen, in denen sich die Berechtigung der Klägerin aus § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG ergibt, deren Entschädigungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG in der Höhe auf den Anteil begrenzt ist, den jüdische Anteilseigner an dem betroffenen Unternehmensträger besaßen.

2 Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52, 72 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 15.07 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 25.06.2008 -
BVerwG 8 C 15.07ECLI:DE:BVerwG:2008:250608U8C15.07.0

Leitsätze:

Erhält die JCC als Rechtsnachfolgerin eines geschädigten sog. jüdischen Unternehmensträgers an dem auch nicht-jüdische Gesellschafter Anteile hatten, einen ehemals zum Unternehmen gehörenden Vermögenswert zurück (Unternehmensrestitution), so ist sie verpflichtet, das durch die Rückerstattung Erlangte unter den Gesellschaftern nach dem Verhältnis der Kapitalanteile zu verteilen.

Wird nur Entschädigung in Geld gewährt, bedarf es keiner solchen Verteilung, weil der Entschädigungsanspruch der JCC dem Grunde nach auf den Anteil des „jüdischen“ Gesellschafters beschränkt ist.

  • Rechtsquellen
    VermG § 2 Abs. 1 Satz 4; § 6 Abs. 6a Satz 3, Abs. 7, Abs. 10 Satz 6
    URüV § 18 Abs. 1 Satz 2

  • VG Berlin - 07.07.2006 - AZ: VG 22 A 197.02

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.06.2008 - 8 C 15.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:250608U8C15.07.0]

Urteil

BVerwG 8 C 15.07

  • VG Berlin - 07.07.2006 - AZ: VG 22 A 197.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2006 wird aufgehoben, soweit es die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass der Klägerin ein Entschädigungsanspruch auch für den Kommanditanteil des Richard W. zusteht.
  2. Insoweit wird die Klage wird abgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  4. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer umfassenden Entschädigungsberechtigung für einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust der N.-V. Ernst H. KG.

2 Ernst H. war persönlich haftender Gesellschafter des im Sommer 1935 von ihm und dem Kaufmann Richard W. als Kommanditisten - mit einer Einlage von 3 000 RM - gegründeten Speditionsunternehmens N.-V. Ernst H. KG mit Sitz in Berlin-Mitte. Im August 1938 verkauften die Inhaber das Unternehmen an Karl T. zum Kaufpreis von 7 500 RM. Ernst H., der Jude war und zu diesem Zeitpunkt mit seiner Familie Deutschland bereits verlassen hatte, gab im Rahmen eines späteren Entschädigungsverfahrens an, dass er den Kaufpreis nie erhalten habe. Mit Schreiben vom 10. Juni 1939 an das Amtsgericht Berlin bescheinigte die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, dass es sich bei dem Verkauf um die mit polizeilicher Genehmigung erfolgende Arisierung des bisherigen vollkaufmännischen Unternehmens handele und gegen die Eintragung im Handelsregister unter der gewählten neuen Firmenbezeichnung keine Bedenken bestünden.

3 Unter Bezugnahme auf die Globalanmeldung vom 22. Dezember 1992 präzisierte die Klägerin am 2. August 1993 ihren Antrag auf Restitution des Betriebsvermögens der Ernst H. KG. Mit Bescheid vom 12. April 2002 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin den Antrag auf Rückgabe des Unternehmens ab und stellte unter Nr. 2. fest, dass der N.-V. Ernst H. KG i.L. für den Verlust der Vermögenswerte dem Grunde nach eine Entschädigung nach dem NS-VEntschG zustehe. Für den Verlust der Kommanditbeteiligung des Kommanditisten Richard W. an der N.-V. Ernst H. KG bestehe kein Anspruch auf Entschädigung. Zur Begründung hieß es, dass die N.-V. Ernst-H. KG eine verfolgungsbedingte Schädigung erlitten habe, weil sie nach § 1 Abs. 2 der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz als jüdischer Gewerbebetrieb angesehen worden sei und damit der Kollektivverfolgung unterlegen habe. Die Rückgabe des Unternehmens sei ausgeschlossen, da die Firma 1939 aufgelöst worden sei und die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Betriebes fehlten. Hinsichtlich des Kommanditanteils des Richard W. stehe der Antragstellerin kein Anspruch auf Entschädigung zu, weil nicht festgestellt werden könne, dass dieser ebenfalls Jude gewesen sei.

4 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Juli 2006 dahingehend statt, dass es die Beklagte verpflichtete festzustellen, dass die Klägerin wegen des Verlustes der N.-V. Ernst H. KG Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sei und ihr dem Grunde nach eine auch den Anteil des Kommanditisten umfassende Entschädigung nach dem NS-Verfolgentenschädigungsgesetz zustehe. Zur Begründung führte es aus, die N.-V. Ernst-H. KG sei unstreitig als jüdische Gesellschaft angesehen worden. Gemäß § 1 Abs. 6 VermG werde vermutet, dass der Verkauf der Firma im Sommer 1938 ein Zwangsverkauf war. Die Vermutung könne nicht widerlegt werden. Die Klägerin könne verlangen, dass ihre Berechtigung als Rechtsnachfolgerin insgesamt festgestellt werde, auch wenn nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kommanditist Richard W.f Jude war. Die Rechtsnachfolgefiktion der Klägerin werde dadurch nicht in Frage gestellt, denn es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass sie auch als Rechtsnachfolgerin solcher Gesellschaften auftreten könne, denen auch nichtjüdische Mitglieder angehört hätten. Sie sei deshalb insgesamt Rechtsnachfolgerin der verfolgten juristischen Person geworden. Da sie Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft als solche, nicht aber nach den einzelnen Gesellschaftern sei, stehe ihr auch der Anspruch auf Feststellung der Berechtigung zu. Unerheblich sei, ob Gegenstand des Verfahrens die Restitution eines Vermögenswertes oder ein Entschädigungsgrundlagenbescheid sei. Dass das Unternehmen nach § 4 Abs. 1 VermG nicht mehr restituiert werden könne, habe keine Auswirkungen auf die grundsätzliche Berechtigung der Klägerin.

5 Die Beklagte hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin sei zwar Berechtigte i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG; das bedeute aber nicht, dass sie einen in der Höhe uneingeschränkten Entschädigungsanspruch besitze, wenn nicht alle Unternehmensanteile in jüdischer Hand gewesen seien.

6 Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2006, Az. VG 22 A 197.02 , aufzuheben, soweit es die Revisionsklägerin und Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Klägerin und Revisionsbeklagte als Berechtigte einen Entschädigungsanspruch hat, der sich auch auf den Anteil an der Entschädigung erstreckt, der auf die Beteiligung des nichtjüdischen Gesellschafters an dem geschädigten Unternehmen entfällt.

7 Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8 Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II

9 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), da nach den vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen die Klage, soweit sie Gegenstand der Revision ist, unbegründet ist.

10 Allerdings hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG als Rechtsnachfolgerin der N.-V. Ernst-H. KG gilt. Bei der N.-V. Ernst-H. KG handelte es sich um eine „jüdische“ Personenvereinigung im Verständnis dieser Vorschrift. Sie stellt darauf ab, ob das Unternehmen von den Nationalsozialisten als „jüdisch“ angesehen wurde (vgl. Urteil vom 23. Februar 2006 - BVerwG 7 C 4.05 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 35). Das war hier der Fall. Denn nach Art. 1 § 1 Abs. 2 der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 (RGBl I S. 627) galt der Gewerbebetrieb einer Kommanditgesellschaft als jüdisch, wenn ein oder mehrere persönlich haftende Gesellschafter Juden waren. Hier war der einzige persönlich haftende Gesellschafter Ernst H. Jude.

11 Die Gesellschaft ist aus den Gründen des § 1 Abs. 6 VermG aufgelöst worden. Der Verkauf des Unternehmens, der zur Löschung im Handelsregister führte, stellte einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust dar. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts konnte die Vermutung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 REAO, dass der Verkauf ein Zwangsverkauf war, nicht durch den Beweis widerlegt werden, dass der Kaufpreis angemessen war und die Verkäuferin frei darüber verfügen konnte.

12 Mit der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG steht fest, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin desjenigen anzusehen ist, dem die Rückgabe- oder Entschädigungsberechtigung bei Anmeldung originär zustünde. Bei einer Unternehmensrestitution oder -entschädigung ist die für den Fall einer Unternehmensstilllegung in § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG angeordnete „Wiederbelebung“ der geschädigten Gesellschaft unabhängig davon nicht erforderlich, ob und in welchem Umfang die JCC durch jüdische Anteile am Unternehmensträger beteiligt ist (Urteil vom 26. September 2001 - BVerwG 8 C 11.00 - BVerwGE 115, 152 <157>). Die Klägerin gilt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG als Rechtsnachfolgerin der verfolgten N.-V. Ernst H. KG als solcher, nicht nur als Rechtsnachfolgerin einzelner ihrer Gesellschafter.

13 Das Verwaltungsgericht hat aber verkannt, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin nicht mehr Ansprüche erwerben kann, als einer wiederbelebten Liquidationsgesellschaft zustünden. Diese könnte sich nicht nur auf die Rechte des geschädigten Unternehmensträgers berufen, sondern würde auch dessen Pflichten unterliegen (vgl. z.B. § 6 Abs. 10 VermG). Die Klägerin ist auf Grund der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG voll umfänglich Rechtsnachfolgerin des geschädigten Unternehmensträgers geworden.

14 Ist die Rückübertragung des geschädigten Unternehmens ausgeschlossen, aber die Rückgabe einzelner Vermögenswerte, die im Zeitpunkt der Schädigung im Eigentum des Berechtigten standen, möglich (§ 6 Abs. 6a Satz 1 VermG) - sog. Naturalrestitution -, so erhält die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des geschädigten jüdischen Unternehmensträgers den gesamten Vermögenswert zurück und nicht nur einen Bruchteil, der dem Beteiligungsverhältnis der jüdischen Gesellschafter an dem Gesellschaftskapital entspricht (vgl. Urteil vom 23. Februar 2006 a.a.O.). Damit soll verhindert werden, dass der u.U. als Verfügungsberechtigter des Vermögenswertes beteiligte Fiskus des Staates, in dessen jüngster Geschichte sich das wieder gutzumachende Unrecht ereignet hat, begünstigt wird. Die Klägerin unterliegt als Rechtsnachfolgerin aber auch den Pflichten, denen der wiederbelebte Unternehmensträger im Restitutionsverfahren unterliegen würde. Ist die Rückgabe eines Unternehmens ausgeschlossen, weil der Geschäftsbetrieb eingestellt worden ist und die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung fehlen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VermG), gehört dazu die Verpflichtung, das durch die Rückerstattung Erlangte unter den Gesellschaftern nach dem Verhältnis der ursprünglichen Kapitalanteile aufzuteilen (vgl. § 6 Abs. 10 Satz 4 VermG entsprechend i.V.m. §§ 155, 161 Abs. 2 HGB). Auch diese Verpflichtung geht im Fall der Naturalrestitution auf die Klägerin über. Dabei kann es dahinstehen, inwieweit es sich dabei um eine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung handelt. Jedenfalls vermögensrechtlich ist eine entsprechende Auseinandersetzung erforderlich. Dies ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus den in § 6 Abs. 10 Satz 4 und 5 VermG vorgesehenen Regelungen über die Abwicklung des Rückgabeberechtigten.

15 Ist, wie hier, weder eine Rückgabe des Unternehmens nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG noch die Rückgabe einzelner Vermögenswerte gem. § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG möglich, so besteht nur gemäß § 6 Abs. 7 VermG ein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des Entschädigungsgesetzes. Auch insoweit ist die Klägerin in vollem Umfang Rechtnachfolgerin des geschädigten Unternehmensträgers mit den Rechten und Pflichten des eigentlich Berechtigten. Weder das Vermögensgesetz noch das Entschädigungsgesetz enthalten allerdings eine ausdrückliche Regelung, wie im Fall der Entschädigung die Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern zu erfolgen hat.

16 Der Gesetzgeber hat in anderem Zusammenhang eine anteilige Entschädigung der Gesellschafter des geschädigten Unternehmensträgers vorgesehen. So regelt § 18 Abs. 1 Satz 2 URüV, dass für den Fall, dass ein am geschädigten Unternehmensträger Beteiligter bzw. dessen Rechtsnachfolger einen Rückübertragungsantrag stellt, aber das nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG erforderliche Quorum nicht zustande kommt, dieser Antrag als Antrag auf Entschädigung nach § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG zu behandeln ist. Danach können, wenn dem Verfügungsberechtigten die Rückgabe des Unternehmens nicht möglich ist, weil er das Unternehmen ganz oder teilweise veräußert hat, oder das Unternehmen nicht zurückgefordert werden kann, weil das Quorum nicht zustande kommt, die Berechtigten - gemeint sind hier die Gesellschafter oder Mitglieder des geschädigten Unternehmensträgers (vgl. Wellhöfer, in: RVI, B 101 § 18 URüV Rn. 5) - vom Verfügungsberechtigten die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des ihrem Anteil entsprechenden Erlöses aus der Veräußerung verlangen. Diese Regelung bietet sich zur analogen Anwendung an, um die Regelungslücke des Vermögensgesetzes hinsichtlich der Auseinandersetzung der Entschädigung für das untergegangene Unternehmen zwischen den ehemaligen Gesellschaftern oder Mitgliedern zu schließen.

17 Anders als bei der Naturalrestitution, bei der ein Vermögenswert zunächst dem ehemaligen Unternehmensträger zugeordnet wird und erst anschließend eine Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern stattfindet, kann im Fall der auf die Zuweisung einer Geldleistung gerichteten Entschädigung die Auseinandersetzung unmittelbar erfolgen. So wie in § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG der zu verteilende Erlös ein Surrogat des ursprünglich zur Rückübertragung beantragten Unternehmens ist, so ist auch die Entschädigung nach § 6 Abs. 7 VermG ein Surrogat für die zunächst begehrte Rückgabe des Unternehmens. Wenn aber im Fall des § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG das Surrogat nur nach Anteilen verteilt wird, ist nicht ersichtlich, warum dies im Fall der Entschädigung nach § 6 Abs. 7 VermG anders behandelt werden sollte - zumal § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG alternativ zum anteiligen Erlös die Wahl der Entschädigung nach Abs. 7 ermöglicht. Dafür spricht auch § 6 Abs. 10 Satz 6 VermG, der vorsieht, dass für den Fall, dass das zur Restitution beantragte Unternehmen nicht fortgesetzt wird, die Erfüllung des Rückgabeanspruchs unmittelbar an die Gesellschafter des berechtigten Unternehmensträgers oder deren Rechtsnachfolger geleistet werden kann. Im Ergebnis wird damit auch dem vermögensrechtlichen Grundsatz, dass der Entschädigungsanspruch nicht weiter gehen kann als die Schädigung, Genüge getan.

18 Die Entschädigungsleistung wird damit zwar anders behandelt als die Naturalrestitution. Das ergibt sich aber daraus, dass Entschädigung nur in Geld gewährt wird. Anders als bei der Naturalrestitution ist bei der Erfüllung der Rückerstattungsansprüche durch reine Geldleistungen der Umweg über die Liquidation der Gesellschaft nicht erforderlich. Vielmehr kann Geld direkt aufgeteilt werden. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass der Staat an der Schädigung jüdischen Eigentums partizipiert. Vielmehr gewährt er mit der Entschädigung eine Leistung. Dies rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung von Naturalrestitution und Entschädigung.

19 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die zu leistende Entschädigung bereits dem Grunde nach zwischen den Rechtsnachfolgern des persönlich haftenden Gesellschafters Ernst H. und des Kommanditisten Richard W. aufzuteilen ist. Die Klägerin gilt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG auch als Rechtsnachfolgerin des Gesellschafters Ernst H. Ihr steht deshalb dem Grunde nach sein Anteil an der für die N.-V. Ernst H. KG zu leistenden Entschädigung zu. Der auf den Kommanditisten entfallende Entschädigungsanteil steht der Klägerin aber nicht zu, weil für den Kommanditisten nicht festzustellen war, dass er Jude war. Er ist zwar durch den Verkauf des Unternehmens ebenfalls gemäß § 1 Abs. 6 VermG geschädigt worden; insoweit ist aber keine Rechtsnachfolge der Klägerin fingiert (Urteil vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 7 C 24.03 - BVerwGE 122, 154 <156 f.>). Es ist deshalb auch nicht geboten, dass ihr die auf den nicht-jüdischen Anteil entfallende Entschädigung zufällt.

20 Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Klägerin zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Nach dem angefochtenen Bescheid hätte nicht die Klägerin, sondern die - nicht existente - N.-V. Ernst H. KG i.L. Entschädigungsberechtigte sein sollen. Insoweit war die Klage der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich. Diese Frage war nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.