Beschluss vom 31.07.2008 -
BVerwG 4 BN 19.08ECLI:DE:BVerwG:2008:310708B4BN19.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.07.2008 - 4 BN 19.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:310708B4BN19.08.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 19.08

  • VGH Baden-Württemberg - 16.04.2008 - AZ: VGH 3 S 1771/07

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Juli 2008
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. April 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die von der Antragsgegnerin als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage zur Reichweite der Festsetzungsbefugnis gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB (BBegr. S. 8 - 12) rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Ist eine gerichtliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbstständig tragfähige Gründe gestützt worden, kommt eine Zulassung der Revision nur in Betracht, wenn für jeden dieser Gründe ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Das Normenkontrollgericht hat zur Begründung der (Teil-)Unwirksamkeit des vom Antragsteller angegriffenen Bebauungsplans zum einen darauf abgestellt, dass die Festsetzung der privaten Grünfläche „PG 2“ auf dem Grundstück des Antragstellers nicht durch § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB gedeckt sei (UA S. 12 - 16). Es hat zum anderen festgestellt, dass der Antragsgegnerin „zudem“ sowohl bei dieser Festsetzung als auch bei der Festsetzung des Sondergebiets „SO 2“ (betriebsbezogenes Wohnen „Gartenbau“) in mehrfacher Hinsicht Abwägungsfehler unterlaufen seien (UA S. 16). Auch die Antragsgegnerin sieht, dass die Festsetzung mit einer „alternativen Begründung“ aufgehoben worden ist. Unter Hinweis darauf, dass das Normenkontrollgericht offen gelassen habe, ob der östliche Teil des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 gemäß § 34 Abs. 1 BauGB bebaubar sei (UA S. 18), meint die Antragsgegnerin jedoch, die Frage sei entscheidungserheblich, wenn man von einer Unbebaubarkeit dieses Grundstückteils ausginge. Diese Begründung beruht ersichtlich auf der Annahme, die vom Normenkontrollgericht festgestellten Abwägungsmängel ließen sich auf den an das SO 2-Gebiet (Wohnbebauung) nach Süden anschließenden vorderen Teil des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 begrenzen und berührten die PG 2-Festsetzung für den östlichen Grundstücksteil nicht. So argumentiert die Antragsgegnerin denn auch damit, dass eine Teilbarkeit der Festsetzung „PG 2“ in Betracht käme. Diese Argumentation trägt jedoch nicht. Entscheidungserheblich auf die Reichweite der Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB könnte es nur ankommen, wenn das Normenkontrollgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die Teilbarkeit der Festsetzung PG 2 hätte in Betracht ziehen müssen. Das hat es nicht getan. Welcher Anlass hierzu bestanden haben sollte, legt die Beschwerde nicht dar. Insbesondere verhielt sie sich nicht zu der Frage, wo die Grenze eines in der Fläche induzierten PG 2 exakt verlaufen sollte.

3 2. Die auf die Abwägungsmängel zielende Frage zur Anwendbarkeit des § 56 VwVfG und der vom Normenkontrollgericht angewandten Nichtigkeitsregelung gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Fällen, in denen die Gegenleistung der Behörde bereits vor Vertragsabschluss erbracht wurde bzw. nicht mehr erbracht werden kann und damit die Leistung der Behörde nicht mehr Bedingung bzw. Geschäftsgrundlage für die vertraglich zu vereinbarende Gegenleistung sein kann (BBegr. S. 12 f., 15), stellt sich ebenfalls nicht. Zum einen legt die Antragsgegnerin einen Sachverhalt zugrunde, den das Normenkontrollgericht so nicht festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts ist die Vereinbarung vom 20. September 2001 zwar erst abgeschlossen worden, nachdem der Gemeinderat dem Bauvorhaben am 17. September 2001 zugestimmt hat. Nach den Darlegungen des Normenkontrollgerichts war aber der Inhalt der Vereinbarung in den Wochen nach der Sitzung des Gemeinderats am 24. Juli 2001 mit dem Antragsteller festgelegt worden und stand zum Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens fest (UA S. 20). Das Gericht geht also davon aus, dass ein - wie die Beschwerde es formuliert - „echtes Synallagma“ bestand, weil die „Vereinbarung ... mit ihrem am 17.09.2001 feststehenden Inhalt ... aus Sicht der Antragsgegnerin ... eine Gegenleistung, jedenfalls eine Bedingung für die Erteilung des Einvernehmens“ war (UA S. 20). Zum anderen hat die Vorinstanz die Vereinbarung nicht nur deswegen als unbeachtlich angesehen, weil sie nach § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig war. Das Gericht hat die Vereinbarung vielmehr aus einem „zweiten (zusätzlichen) Grund“ (UA S. 21) für das Einvernehmen der Gemeinde als rechtlich bedeutungslos angesehen und zur Begründung auf die Fiktionsvorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB verwiesen (UA S. 21 - 23). Zu diesem selbstständig tragenden Grund verhält sich die Beschwerde nicht.

4 3. Als Verfahrensfehler rügt die Antragsgegnerin einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz, weil das Normenkontrollgericht die Erheblichkeit des Abwägungsmangels hinsichtlich des Grundstücks Flst.-Nr. 6589/1 „allein“ damit begründet habe, dass es keinen Zweifel an der konkreten Möglichkeit habe, dass der Gemeinderat bei Vermeidung der rechtlichen Fehleinschätzungen und bei voller Berücksichtigung der privaten Eigentumsbelange des Antragstellers sowie in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Grünflächenfestsetzung eine andere, dem Antragsteller potenziell günstigere Entscheidung für das SO 1 auf dem Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1 getroffen oder dass er von einer Überplanung dieser Grundstücke möglicherweise überhaupt abgesehen hätte (BBegr. S. 18), und für diese Annahme sich in dem gesamten Urteil jedoch kein Ansatzpunkt finde (BBegr. S. 19). Die Antragsgegnerin gibt die Begründung des Normenkontrollgerichts jedoch unvollständig wieder. Das Gericht hat ausgeführt: „Der Senat hat keinen Zweifel an der konkreten Möglichkeit, dass der Gemeinderat ... eine andere, dem Antragsteller potenziell günstigere Entscheidung für das SO 1 auf dem Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1, für das SO 2 und die Frei(land)fläche auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 und bezüglich der Verknüpfung beider Grundstücke getroffen ... hätte“ (UA S. 24). Das Normenkontrollgericht stellt also auf die Wechselbezüglichkeit der Festsetzungen ab und gibt damit die von der Beschwerde vermisste Begründung dafür, dass die mehrfachen und erheblichen Abwägungsmängel auch auf die Festsetzung für das Grundstück Flst.-Nr. 6589/1 durchschlagen.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.