Beschluss vom 31.01.2007 -
BVerwG 1 B 82.06ECLI:DE:BVerwG:2007:310107B1B82.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.01.2007 - 1 B 82.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:310107B1B82.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 82.06

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 03.11.2005 - AZ: OVG 1 LB 211/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Januar 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. November 2005 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

3 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine solche Rechtsfrage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die Beschwerde führt an, dass die Frage des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Volkszugehörige in den übrigen Teilen der Russischen Föderation in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet wird, und beruft sich insbesondere auf Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Bremen und Magdeburg, die - anders als das Berufungsgericht - eine derartige inländische Fluchtalternative für Tschetschenen wegen Fehlens eines wirtschaftlichen Existenzminimums verneint hätten. Sie legt indes nicht - wie erforderlich - dar, dass die von der Berufungsentscheidung im Ergebnis abweichenden Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte nicht nur auf einer anderen Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation, sondern auf unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen an die Annahme einer inländischen Fluchtalternative beruhen, die über die hierzu von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hinaus einer weitergehenden rechtsgrundsätzlichen Klärung bedürften (zum wirtschaftlichen Existenzminimum am Ort der inländischen Fluchtalternative vgl. etwa die auch im Berufungsurteil zitierten Beschlüsse vom 21. Mai 2003 - BVerwG 1 B 298.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270 und vom 31. Juli 2002 - BVerwG 1 B 128.02 - Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 326 m.w.N.). Die Beschwerde benennt weder ausdrücklich noch sinngemäß eine bestimmte klärungsbedürftige Rechtsfrage, die sich auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts über die tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) in einem Revisionsverfahren stellen würde. Sie bemängelt vielmehr, dass die „Rahmenbedingungen“ für die Annahme einer inländischen Fluchtalternative „vor dem Hintergrund der anderweitigen obergerichtlichen Feststellungen" „nicht tragbar“ seien und hebt mithin selbst auf eine abweichende tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung anderer Oberverwaltungsgerichte ab. Damit kann sie die Zulassung einer Grundsatzrevision nicht erreichen. Denn die Klärung der tatsächlichen Verhältnisse - wie etwa der (vom Berufungsgericht im Grundsatz bejahten) Möglichkeit der Registrierung von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation (UA S. 11 ff., 21) oder der Möglichkeit der Existenzsicherung auch ohne Registrierung (UA S. 22 f.) - ist nach der Prozessordnung grundsätzlich den Tatsacheninstanzen vorbehalten. Die Beschwerde kann deshalb auch aus dem Umstand, dass etwa das Oberverwaltungsgericht Hamburg die Berufung zur Frage des Vorliegens einer inländischen Fluchtalternative für Tschetschenen in der Russischen Föderation zugelassen habe, nichts für sich herleiten. Denn während die Berufungsgerichte nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung auch zur Klärung allgemeiner Tatsachenfragen zulassen können, kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur zur Klärung von Rechtsfragen in Betracht.

4 Soweit die Beschwerde sich dagegen wendet, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts ein etwaiges Fehlen des Existenzminimums in anderen Regionen der Russischen Föderation nicht als verfolgungsbedingt anzusehen wäre, weil die wirtschaftliche Lage in Tschetschenien noch schlechter sei (UA S. 23 f.), kann dieses Vorbringen - abgesehen von der mangelnden Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage auch in diesem Zusammenhang - bereits deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil es sich nur auf eine Hilfsbegründung des Berufungsgerichts bezieht und gegen die selbständig tragende Hauptbegründung keine durchgreifenden Zulassungsrügen erhoben worden sind.

5 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.