Beschluss vom 31.01.2002 -
BVerwG 1 DB 2.02ECLI:DE:BVerwG:2002:310102B1DB2.02.0

Beschluss

BVerwG 1 DB 2.02

In dem Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Disziplinarsenat,
am 31. Januar 2002
durch den Vorsitzenden Richter A l b e r s , die Richterin H e e r e n und den Richter Dr. M ü l l e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XII - ... -, vom 27. November 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Auslagen.

I


Durch Bescheid vom 26. Juni 2001 stellte der Leiter der Kundenniederlassung S. der Deutschen Telekom AG den Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers vom 25. Juni 2001 an bis auf weiteres wegen schuldhaft ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst fest. Hiergegen hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesdisziplinargerichts beantragt. Über diesen Antrag (Az.: BDiG XII BK 1/01) ist noch nicht entschieden worden.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2001 hat der Vorstand der Deutschen Telekom AG unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO den sofortigen Vollzug der Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge angeordnet und zur Begründung der Sofortvollzugsanordnung ausgeführt, der Antragsteller sei nach dem Ergebnis seiner Untersuchung durch einen unabhängigen Fachgutachter als dienstfähig anzusehen und habe demnach den Dienst wieder aufzunehmen. Gleichwohl verweigere er die Dienstaufnahme fortwährend und beharrlich, so dass der Bezügeverlust gemäß § 9 BBesG kraft Gesetzes eingetreten sei. Zur Anordnung des Sofortvollzuges heißt es in dem Bescheid vom 27. Juli 2001 u.a., angesichts der fortwährend beharrlichen Leistungsverweigerung durch den Beamten überwiege im Hinblick auf § 54 Satz 1 BBG, § 9 BBesG das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verlustfeststellung der Dienstbezüge, auch im Hinblick darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland die Aktienmehrheit der Deutschen Telekom AG halte. Das überwiegende öffentliche Interesse am Sofortvollzug sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine Rückforderung zu Unrecht gezahlter Dienstbezüge bei beharrlicher Weigerung einer Dienstaufnahme im Wege der Gegenrechnung gegen laufende Dienstbezüge gerade durch die pflichtwidrig beharrliche Leistungsverweigerung vereitelt werde, wodurch wiederum die Wiedereinbringlichkeit der Forderung in hohem Maße gefährdet sei. Der Beamte habe keine persönlichen Gründe angeführt, die gegen eine sofortige Vollziehung der Verlustfeststellung sprächen. Dem allgemeinen Ansehen des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit sei es außerordentlich abträglich, wenn trotz der Leistungsverweigerung an einen Bediensteten weiterhin entgegen der zwingenden Rechtsfolge aus § 9 BBesG Bezüge gezahlt würden. Die weitere Verfolgung der Angelegenheit in einem gerichtlichen Antragsverfahren biete auch keine Aussicht auf Erfolg.
Mit Schreiben vom 13. November 2001 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung des in seinem Schreiben vom 11. Juli 2001 zu erblickenden Antrages auf disziplinargerichtliche Entscheidung bezüglich des Feststellungsbescheides vom 26. Juni 2001 wiederherzustellen. Er hat vorgetragen, der Feststellungsbescheid vom 26. Juni 2001 sei nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei von seiner seit spätestens 16. Oktober 2000 bestehenden Dienstunfähigkeit aufgrund schwer wiegender neurologisch-psychologischer gesundheitlicher Beeinträchtigungen auszugehen. Seit diesem Zeitpunkt sei er durchgehend privatärztlich dienstunfähig geschrieben. Die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage seiner arbeitsmedizinischen Begutachtung im Juni 2001 vertretene Auffassung, er sei vollschichtig dienstfähig, sei nicht nachvollziehbar und werde durch aktuelle Befundberichte seiner Privatärzte widerlegt. Aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs der Feststellung des Verlustes seiner Dienstbezüge sei er inzwischen in eine dramatische wirtschaftliche Lage geraten.
Durch Beschluss vom 27. November 2001 hat das Bundesdisziplinargericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch Bescheid des Vorstandes der Deutschen Telekom AG vom 27. Juli 2001 wieder aufgehoben. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin die Aufrechterhaltung des angeordneten Sofortvollzuges.

II


Die nach § 85 Abs. 1 und Abs. 5 BDG i.V.m. § 121 Abs. 5 BDO zulässige Beschwerde (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 31. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 33.01 ) ist unbegründet; denn die durch Bescheid vom 27. Juli 2001 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge des Antragstellers genügt nicht den formellen Begründungsanforderungen. Dies hat das Bundesdisziplinargericht zutreffend entschieden. Darauf wird Bezug genommen.
Das Bundesdisziplinargericht hat unter Hinweis auf den allen Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 18. September 2001 - BVerwG 1 DB 26.01 - u.a. ausgeführt, dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung sei nicht bereits dann genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben werde, es bedürfe vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus der Sicht der Behörde g e r a d e i m v o r l i e g e n d e n E i n z e l f a l l ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben sei und das Interesse des Beamten am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten habe. Dem wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Die umstrittenen Ausführungen in der angefochtenen Verfügung, das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung ergebe sich aus der haushaltsrechtlichen Erwägung, rechtsgrundlose Leistungen bei beharrlicher Leistungsverweigerung möglichst zu vermeiden, und der Verwaltung sei das Risiko, einen eventuellen Rückforderungsanspruch gegen den Beamten nicht durchsetzen zu können, sind auch im Falle des Antragstellers allgemeiner Natur. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung, angesichts der Ungewissheit über den Termin zur Hauptverhandlung könne ein großer Betrag anwachsen. Zwar können auch im Einzelfall fiskalische Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht nur materiell rechtfertigen, sondern auch zur Begründung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung herangezogen werden (vgl. Beschlüsse vom 9. September 1993 - BVerwG 1 DB 5.93 - und vom 20. Mai 1998 - BVerwG 1 DB 13.98 -), dies enthebt die Behörde, hier die Deutsche Telekom AG, aber nicht der Verpflichtung, über Erwägungen allgemeiner Art hinaus, so zutreffend sie auch sein mögen, substantiiert auf den Fall des Antragstellers einzugehen, warum gerade in seinem Fall die Gefahr besteht, dass möglicherweise zu Unrecht gezahlte Dienstbezüge von ihm nicht erstattet werden. Dem formellen Begründungserfordernis wird nur dann Rechnung getragen, wenn dargelegt wird, dass im konkreten Einzelfall die Realisierung eines Rückzahlungsanspruchs zumindest gefährdet wäre. Die ungewisse Dauer des gerichtlichen Verfahrens und die Höhe eines etwaigen Erstattungsanspruchs mögen zwar beachtliche Gesichtspunkte sein. Der Hinweis darauf ist aber für sich allein nicht geeignet, den Begründungsmangel zu beheben, zumal mit ihm kein individueller Bezug zum Antragsteller und seinen individuellen Verhältnissen hergestellt worden ist.
Ob die Antragsgegnerin überhaupt befugt war, die umstrittene Anordnung zu treffen, kann daher auch im Beschwerdeverfahren offen bleiben. Der zuständigen Stelle bleibt es unbenommen, die sofortige Vollziehung mit zureichender Begründung erneut anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3, § 115 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 BDO.