Beschluss vom 30.10.2008 -
BVerwG 4 B 56.08ECLI:DE:BVerwG:2008:301008B4B56.08.0

Beschluss

BVerwG 4 B 56.08

  • OVG Rheinland-Pfalz - 31.07.2008 - AZ: OVG 1 A 10361/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Oktober 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Gatz
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Aufklärungsrüge greift nicht durch. Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zur Erhaltungswürdigkeit der „Villa Nau“ einholen müssen. Das Gutachten hätte die historische Bedeutung und Entwicklung nicht nur der in Rede stehenden Entwicklungszone, sondern auch der „Villa Nau“ hervorgehoben und die städtebauliche und historische Bedeutung und damit Prägung für die Stadtgestalt dargelegt.

3 Damit ist ein Aufklärungsmangel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet. Soweit es um die Prägung des Ortsbildes oder der Stadtgestalt durch die „Villa Nau“ geht (§ 172 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. BauGB), legt die Beschwerde nicht - wie dies erforderlich wäre (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328) - dar, welche tatsächlichen, über das Ergebnis der Augenscheinseinnahme hinausgehenden Feststellungen der Sachverständige voraussichtlich getroffen hätte. Soweit die städtebauliche, insbesondere geschichtliche oder künstlerische Bedeutung der „Villa Nau“ selbst in Rede steht (§ 172 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. BauGB), hätte die Beschwerde jedenfalls Anhaltspunkte für eine solche Bedeutung aufzeigen müssen, die Anlass für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätten geben können. Auch daran lässt sie es fehlen.

4 2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

5 2.1 Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob
die Verneinung des Erhaltungsinteresses allein darauf gestützt werden kann, dass die zur Erhaltung anstehende bauliche Anlage allein das Ortsbild nicht maßgeblich prägt.

6 Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren; die Antwort ergibt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz. Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. BauGB darf in den Fällen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, d.h. im Gebiet einer Erhaltungssatzung, die Genehmigung nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt. Ein Versagungsgrund ist hiernach auch dann gegeben, wenn die bauliche Anlage nur im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen prägende Wirkung hat. Das hat auch das Oberverwaltungsgericht nicht in Frage gestellt. Es hat die Betrachtung nicht, wie die Beschwerde meint, auf die „Villa Nau“ als einzelnes Gebäude beschränkt, sondern auch ihren Zusammenhang mit anderen Gebäuden, insbesondere mit zwei kleineren weiter östlich gelegenen Bürgerhäusern in den Blick genommen. Es hat die örtlichen Gegebenheiten jedoch tatrichterlich dahingehend gewürdigt, dass die „Villa Nau“ mit diesen kein prägendes Ensemble bilden könne, weil der durch die Parkplätze und die Einfahrt des Edeka-Marktes gebildete Einschnitt in die Straßenflucht von etwa 40 m zu groß sei (UA S. 18).

7 2.2 Die Frage,
ob der prägende Charakter einer baulichen Anlage, den die konkrete bauliche Anlage im Zusammenwirken mit anderen gleichartigen Anlagen desselben Erhaltungsgebietes aufweist, dadurch ausgeschlossen werden kann, dass die zur Erhaltung anstehende bauliche Anlage von städtebaulichen Fremdkörpern umgeben wird,

8 bedarf, soweit sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist, ebenfalls nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die konkrete bauliche Anlage, auf die sich der Bauantrag bezieht, allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt. Dass die Anlage in einem rechtmäßig festgesetzten Erhaltungsgebiet liegt, genügt nicht (Lemmel, in: Berliner Kommentar, Stand: Juli 2007, § 172 Rn. 29; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 172 Rn. 41). Ob die konkrete Anlage prägende Wirkung hat, kann auch von der Wirkung baulicher Anlagen in ihrer Umgebung abhängen, selbst wenn diese im Widerspruch zur Eigenart des Gebiets stehen (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Mai 2006, § 172 Rn. 155). Ob derartige „Fremdkörper“ einer prägenden Wirkung der baulichen Anlage entgegenstehen, hängt von der konkreten städtebaulichen Situation ab und ist damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.