Beschluss vom 30.10.2007 -
BVerwG 8 B 52.07ECLI:DE:BVerwG:2007:301007B8B52.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.10.2007 - 8 B 52.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:301007B8B52.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 52.07

  • VG Frankfurt/Oder - 21.02.2007 - AZ: VG 6 K 1566/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
  2. Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 845 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Die geltend gemachte Divergenz zum Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1984 (BVerwG Gr.Sen. 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356) besteht nicht. Das Verwaltungsgericht hat keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, durch den der Inhalt der Vorschrift von § 48 Abs. 4 Satz 1 (Bbg) VwVfG anders als nach der Divergenzentscheidung bestimmt wird.

3 a) Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht widerspreche folgenden Ausführungen in dem genannten Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts:
„Das bedeutet freilich nicht, dass der Zeitpunkt des Eintritts der Entscheidungsreife nicht mit dem Zeitpunkt zusammenfallen könnte, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkennt. Vielfach wird nämlich der jeweilige Einzelfall zu diesem Zeitpunkt in jeder Hinsicht entscheidungsreif und eine weitere Sachaufklärung - in welcher Richtung und mit welchem Ergebnis auch immer - überflüssig sein, weil angesichts des infolge der Aufdeckung des Entscheidungsfehlers feststehenden Sachverhaltes nur eine Entscheidung rechtmäßig sein kann. Nur wenn und soweit dies bei Anlegung eines objektiven Maßstabs nicht der Fall ist, ist eine weitere Sachaufklärung - gegebenenfalls unter Mitwirkung des Betroffenen (vgl. § 26 Abs. 2 VwVfG) und nach seiner Anhörung (§ 28 VwVfG) - erforderlich und beginnt die Jahresfrist erst, sobald diese Sachaufklärung zur Entscheidungsreife geführt hat." (a.a.O. S. 364)

4 Jedoch stellt die fehlerhafte Anwendung eines mit der Divergenzentscheidung aufgestellten Rechtssatzes durch das Verwaltungsgericht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO keine Abweichung dar. Im Übrigen hat der Kläger mit seiner Beschwerde nicht vorgetragen, dass die Voraussetzungen gegeben sind, nach denen die Jahresfrist schon vor Abschluss des Anhörungsverfahrens beginnen konnte. Den zitierten Sätzen aus der Begründung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts zufolge kommt es für den Fristbeginn auf das Anhörungsverfahren nicht mehr an, wenn unabhängig von dem, was der Anzuhörende an Gesichtspunkten für den Erhalt des rechtswidrigen Verwaltungsaktes vorbringen könnte, die Rücknahme sowieso zwingend geboten ist. Der Kläger hat nicht näher dargetan, dass in seinem Fall nur eine Rücknahme ermessensfehlerfrei gewesen wäre. Immerhin hatte der Beklagte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erwogen, ob der Kläger Vermögensdispositionen im Vertrauen auf die festzusetzende Entschädigung getroffen hatte.

5 Aus der Erkenntnis, dass eine Ermessensreduzierung auf Null im Allgemeinen nicht vorliegt, hat das Bundesverwaltungsgericht zum Vermögensrecht in ständiger Rechtsprechung gefolgert, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG regelmäßig erst nach Abschluss eines gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 VermG durchgeführten Anhörungsverfahrens beginnt (Urteile vom 20. September 2001 - BVerwG 7 C 6.01 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 103 und vom 25. August 2007 - BVerwG 8 C 6.06 - sowie Beschluss vom 15. Dezember 2004 - BVerwG 7 B 80.04 - juris).

6 b) Soweit der Kläger vorträgt, dass der Beklagte das Recht auf Rücknahme verwirkt habe, macht er ebenfalls keinen Rechtssatzwiderspruch im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend. Diesem Vortrag ist bereits der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend entgegengetreten.

7 2. Die Fragen nach dem Beginn der Frist von § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG weisen - jedenfalls nach den Darlegungen des Klägers - keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Sie sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Aus den Einwendungen des Klägers gegen diese Rechtsprechung ergibt sich auch nicht, dass in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Fortentwicklung des Rechts zu erwarten wäre. Der Kritik, die Behörde habe „es praktisch in der Hand, den Fristbeginn fast beliebig hinauszuschieben“, ist bereits das Bundesverwaltungsgericht mit dem Hinweis begegnet, dass ein solches Verhalten zur Verwirkung des Rechts auf Rücknahme führen könne (Urteil vom 20. September 2001 a.a.O.).

8 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.