Beschluss vom 30.10.2007 -
BVerwG 10 B 121.07ECLI:DE:BVerwG:2007:301007B10B121.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.10.2007 - 10 B 121.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:301007B10B121.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 121.07

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 05.06.2007 - AZ: OVG 13 A 4569/05.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Klägerin kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, denn die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 Sie hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine posttraumatische Belastungsstörung im Kosovo adäquat behandelt werden kann. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die in einem Revisionsverfahren verallgemeinerungsfähig beantwortet werden kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage zielt nicht auf eine Rechtsfrage, sondern betrifft die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der wirtschaftlichen und medizinischen Verhältnisse im Kosovo. Im Übrigen bezieht sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf neue tatsächliche Umstände, die vom Berufungsgericht so nicht festgestellt worden sind und daher weder im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch in einem Revisionsverfahren berücksichtigt werden können.

4 Die Beschwerde beanstandet, die Berufungsentscheidung weiche hinsichtlich der Frage einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG (hier: Gefahrenmaßstab bei Gesundheitsbeeinträchtigungen) von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Die Beschwerde nennt in diesem Zusammenhang insbesondere die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2006 - BVerwG 1 C 18.05 - (BVerwGE 127, 33 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 21), ohne näher auf die in diesen und anderen Entscheidungen vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Rechtssätze einzugehen. Die Beschwerde setzt sich auch nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die dort zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG entwickelten rechtlichen Maßstäbe ausdrücklich und uneingeschränkt zugrunde gelegt hat. Die Beschwerde zeigt insbesondere keinen inhaltlich bestimmten, die Berufungsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz auf, mit dem das Berufungsgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Damit genügt die Beschwerde bereits den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Im Übrigen ist - ungeachtet der unzureichenden Darlegung durch die Beschwerde - eine inhaltliche Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht ersichtlich. Die Ansicht der Beschwerde, das Berufungsgericht verlange praktisch eine „extreme Gesundheitsgefährdung“, findet in den Gründen der Berufungsentscheidung keine Grundlage.

5 Die Beschwerde macht ferner sinngemäß geltend, die Berufungsentscheidung weiche auch hinsichtlich der Frage eigener gerichtlicher Sachkunde bei der Beurteilung ärztlicher Stellungnahmen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Die Beschwerde bezieht sich hierbei vor allem auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 118.05 - (Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 16). Ob tatsächlich eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Denn die Beschwerde kann jedenfalls deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine zweite, selbständig tragende Begründung gestützt ist, gegen die die Beschwerde keine durchgreifenden Zulassungsgründe vorbringt. Das Berufungsgericht hat angenommen, selbst wenn man das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit der Gefahr einer Retraumatisierung der Klägerin annehme und ihre schwere Depression berücksichtige, bestehe gleichwohl keine beachtlich wahrscheinliche Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin unter diesem Krankheitsbild, weil ihre psychische Erkrankung im Kosovo hinreichend behandelt werden könne (BA S. 24 f.). Ist eine Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt, kann die Revisionszulassung grundsätzlich nur begehrt werden, wenn gegen sämtliche tragende Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26).

6 Entsprechendes gilt, wenn dem Vorbringen der Beschwerde in diesem Zusammenhang die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht zu entnehmen sein sollte. Im Sinne der Beschwerde spricht zwar einiges dafür, dass sich das Berufungsgericht angesichts der im Entscheidungsfall gegebenen Umstände nicht unter Hinweis auf Widersprüche in den Angaben der Klägerin zu ihrem Verfolgungsschicksal von sich aus und ohne weiteres über ärztliche Diagnosen hinwegsetzen durfte (vgl. BA S. 13 ff.), sondern vielmehr verfahrensrechtlich gehalten war, die begutachtenden Ärzte zunächst auf die (vermeintlichen) Widersprüche hinzuweisen und um eine Überprüfung ihrer Diagnose zu bitten. Aber auch ein etwaiger Verfahrensmangel könnte im Hinblick auf die selbständig tragende Begründung einer hinreichenden Behandlungsmöglichkeit für die Klägerin im Kosovo nicht zur Zulassung der Revision führen.

7 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandwert ergibt sich aus § 30 RVG.