Beschluss vom 30.09.2008 -
BVerwG 1 WB 50.08ECLI:DE:BVerwG:2008:300908B1WB50.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.09.2008 - 1 WB 50.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:300908B1WB50.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 50.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die ehrenamtliche Richterin Oberstabsarzt Dr. Richter und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Schäfer
am 30. September 2008 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Sonderurlaub unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen mit Bundesbeteiligung.

2 Der 1958 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2011 enden wird. Zum Stabsfeldwebel wurde er am 16. März 2004 ernannt. Der Antragsteller besetzt derzeit einen Dienstposten als Führungsunterstützungsfeldwebel beim ...unterstützungskommando in R. Mit Verfügung vom 26. Juni 2007 wurde er für die Zeit vom 26. Juni 2007 bis 27. März 2008 zur Dienstleistung bei der B. Informationstechnik GmbH in R. kommandiert, um dort die Vorbereitung und den Umbau des IT-Systems für den Zielbetrieb und die Durchführung in weiteren Teilbereichen dieser Gesellschaft sicherzustellen; im Anschluss an den Kommandierungszeitraum bis heute leistet er aufgrund mündlicher Weisung weiter Dienst bei der B. Informationstechnik GmbH in H. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 teilte die Stammdienststelle der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass er für eine Anschlussverwendung im Betriebszentrum Informationstechniksystem der Bundeswehr eingeplant sei.

3 Unter dem 10. Januar 2008 beantragte der Antragsteller, ihm im Rahmen des IT-Projekts „Herkules“ Urlaub ohne Geld- und Sachbezüge für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis 31. Oktober 2011 zur Aufnahme einer Beschäftigung bei der BWI Informationstechnik GmbH als Application Manager NUKOM Projektteam im Bereich CBS ... zu gewähren. Der Antrag wurde von dem Dezernatsleiter, dem Gruppenleiter und dem Abteilungsleiter des Antragstellers sowie vom Kommandant Stabsquartier des ...unterstützungskommandos befürwortet.

4 Mit Bescheid vom 27. März 2008, ausgehändigt am 9. April 2008, lehnte das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 7 - den Antrag auf Sonderurlaub ab, weil dienstliche Gründe entgegenstünden. Die Ausbildungs- und Verwendungsreihe 25014 Fernmeldebetrieb, der der Antragsteller angehöre, weise in dem Geburtsjahrgang des Antragstellers einen strukturellen Fehlbedarf von sieben Portepeeunteroffizieren auf. Außerdem sei der Antragsteller aufgrund seiner fachlichen Qualifikation für eine militärische Anschlussverwendung in dem noch nicht aufgestellten Betriebszentrum Informationstechniksystem der Bundeswehr vorgesehen. Vor dem Hintergrund des dort zu erwartenden erhöhten Bedarfs an fachlich qualifiziertem Personal sei die Beurlaubung des Antragstellers aus dienstlichen Gründen nicht zu vertreten.

5 Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 17. April 2008 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - zusammen mit seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2008 dem Senat vorgelegt.

6 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die Feststellungen des ablehnenden Bescheids seien nicht nachvollziehbar und stünden im Widerspruch zu den Planungsabsichten der Vergangenheit. Es werde abstrakt mit strukturellen Kriterien argumentiert, obwohl die tatsächliche Bedarfslage dem nachweisbar entgegenstehe. Der Sonderurlaub liege im Interesse des Bundesministers der Verteidigung, wie auch von seinen militärischen Vorgesetzten im Bereich des ...unterstützungskommandos bestätigt werde. Es sei für ihn unverständlich, dass alle Ablehnungen im Falle von Unteroffizieren mit Portepee aufgrund einer dienstlichen Notwendigkeit erfolgt seien; hier sei keine Einzelfallprüfung vorgenommen worden. Er sehe im Übrigen eine Ungleichbehandlung darin, dass bei Offizieren regelmäßig anders verfahren werde. Die in dem Bescheid erwähnte Anschlussverwendung sei ihm bis heute nicht bekannt. Gleiches gelte für die dort angeführten dienstlichen Gründe (Mangel AVR 25014), die einer Genehmigung des Sonderurlaubs entgegenstünden. Mit einer Änderungsmeldung vom 23. Januar 2008 sei ihm durch die Stammdienststelle der Bundeswehr eine neue Ausbildungs- und Verwendungsreihe (1010060) mitgeteilt worden; eine Bedarfsprüfung hätte deshalb in dieser Ausbildungs- und Verwendungsreihe stattfinden müssen. Außerdem sei er im Rahmen der Umsetzung des Personalanpassungsgesetzes angeschrieben worden, was er so werte, dass seine vorzeitige Zurruhesetzung jedenfalls nicht ausgeschlossen sei; insofern sei es widersprüchlich, dass er sich zwar vorzeitig zur Ruhe setzen lassen könne, jedoch sein Antrag auf Sonderurlaub abgelehnt werde.

7 Der Antragsteller beantragt
die Aufhebung des ablehnenden Bescheids und die Genehmigung seines Antrags auf Sonderurlaub, um für die Firma BWI tätig werden zu können.

8 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

9 Dem begehrten Sonderurlaub stünden dienstliche Gründe entgegen. Das Bundesministerium der Verteidigung sei zwar grundsätzlich interessiert, in der B. Informationstechnik GmbH herausgehobene Arbeitsplätze in einem angemessenen Verhältnis zu der finanziellen Beteiligung an diesem Unternehmen mit Bundeswehrpersonal zu besetzen und dem Unternehmen im Wege der Beurlaubung militärisches Fachpersonal zur Verfügung zu stellen. Hieraus könne der Antragsteller jedoch keinen Anspruch auf Sonderurlaub herleiten. Die Beurlaubung zu einer privatrechtlichen Gesellschaft mit Bundesbeteiligung sei nur möglich, wenn der Soldat unter Berücksichtigung der Personalbedarfslage in seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe abkömmlich sei. Diese Voraussetzung liege im Falle des Antragstellers nicht vor. In der Ausbildungs- und Verwendungsreihe des Antragstellers sei in dessen Geburtsjahrgang ein Fehl von sieben Portepeeunteroffizieren (Stand: Juni 2008) zu verzeichnen. Dieses würde bei einer Beurlaubung des Antragstellers auf Dauer vergrößert, weil eine Regeneration in diesem Geburtsjahrgang nicht mehr möglich sei. Die für den Antragsteller vorgesehene militärische Anschlussverwendung sei ihm mit der schriftlichen Mitteilung der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 14. Dezember 2007 am 7. März 2008 eröffnet worden. Das Vorbringen des Antragstellers, dass er einer neuen Ausbildungs- und Verwendungsreihe angehöre, gehe fehl; ihm sei vielmehr lediglich der Allgemeine Tätigkeitsnachweis/Fachtätigkeitsnummer 1010060 mit der Allgemeinen Tätigkeitsbezeichnung „Führungsunterstützungsfeldwebel Bundeswehr“ zuerkannt worden. Auch die Abfrage der Stammdienststelle im Zusammenhang mit der vorzeitigen Zurruhesetzung nach dem Personalanpassungsgesetz stehe nicht im Widerspruch zu der Ablehnung der Beurlaubung aus Bedarfsgründen. Das Personalanpassungsgesetz verfolge den Zweck, Personalüberhänge in strukturell überbesetzten Geburtsjahrgängen abzubauen. Auf der Grundlage einer schriftlichen Interessenbekundung werde geprüft, ob die vorzeitige Zurruhesetzung im dienstlichen Interesse liege. Eine vorzeitige Zurruhesetzung könne nur erfolgen, wenn der Soldat unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedarfslage in seiner Dienststelle nicht mehr benötigt werde. Soweit der Antragsteller unter Verweis auf Beurlaubungen von Offizieren zur B. Informationstechnik GmbH eine Ungleichbehandlung rüge, fehle es an einem vergleichbaren Sachverhalt; Offiziere des militärfachlichen Dienstes und des Truppendienstes gehörten anderen Laufbahnen an, in denen sich die Personalbedarfslage in einzelnen Ausbildungs- und Verwendungsreihen völlig anders gestalten könne als in der Laufbahn der Portepeeunteroffiziere und der Ausbildungs- und Verwendungsreihe des Antragstellers.

10 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 396/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

11 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

12 Der Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 27. März 2008 ist rechtmäßig. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge, um - vom nächstmöglichen Termin bis zum 31. Oktober 2011 - eine hauptberufliche Tätigkeit bei der B. Informationstechnik GmbH ausüben zu können.

13 Für den Sonderurlaub der Soldaten gelten gemäß § 28 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 SG i.V.m. § 9 der Verordnung über den Urlaub der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung - SUV) die Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend, sofern sich aus den folgenden Vorschriften (der SUV) nichts anderes ergibt. Nach der hier über § 9 SUV allein einschlägigen Bestimmung des § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, Richterinnen und Richter des Bundes (Sonderurlaubsverordnung - SUrlV) kann einem Soldaten Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung (nur) gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Eine entsprechende Regelung enthält Nr. 83 Abs. 1 Satz 1 der Ausführungsbestimmungen zur Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung (AusfBest SUV = ZDv 14/5 F 511). Urlaub für mehr als drei Monate kann nur in besonders begründeten Fällen bewilligt werden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SUrlV; Nr. 83 Abs. 1 Satz 2 AusfBest SUV). Zuständig für die Urlaubserteilung ist im vorliegenden Fall das Bundesministerium der Verteidigung (§ 14 SUV; Nr. 97 Abs. 7 3. Spiegelstrich AusfBest SUV).

14 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Gewährung des beantragten Sonderurlaubs zu Recht schon deshalb abgelehnt, weil dienstliche Gründe entgegenstehen.

15 Es stellt einen der Beurlaubung entgegenstehenden dienstlichen Grund im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV dar, wenn die Gewährung von Sonderurlaub zu einem personellen Fehlbedarf, der sich negativ auf den Dienstbetrieb auswirkt, führen bzw. einen solchen Fehlbedarf vergrößern würde. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass der angefochtene Bescheid die Ablehnung des Sonderurlaubs auf die angespannte Personallage im Bereich der Portepeeunteroffiziere der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 25014 Fernmeldebetrieb gestützt hat. Der Antragsteller gehört dieser Ausbildungs- und Verwendungsreihe an; der von ihm vorgelegte Befähigungsnachweis der Stammdienststelle der Bundeswehr betrifft die Zuerkennung einer Ausbildungs- und Tätigkeitsbezeichnung (ATB), nicht die Überführung in eine andere Ausbildungs- und Verwendungsreihe. Das Bundesministerium der Verteidigung hat im Einzelnen dargelegt, dass sich in der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 25014 im Geburtsjahrgang 1958 des Antragstellers bei einer vorgegebenen Bedarfsquote von 20 Portepeeunteroffizieren der tatsächliche Bestand auf lediglich dreizehn Portepeeunteroffiziere beläuft und eine Regeneration in diesem Geburtsjahrgang nicht mehr möglich ist. Diesen Angaben ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit sich der Antragsteller allgemein gegen die Argumentation „mit strukturellen Kriterien“ wendet, ist darauf hinzuweisen, dass das in der Bundeswehr weithin praktizierte System der Bedarfsermittlung, das sich im Interesse eines gleichmäßigen Altersaufbaus an dem (altersstrukturellen) Bedarf in den jeweiligen Geburtsjahrgängen orientiert, auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, gegen die keine rechtlichen Bedenken bestehen (vgl. Beschluss vom 25. Juni 2008 - BVerwG 1 WB 5.07 - <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen> m.w.N.).

16 Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag auf Sonderurlaub außerdem wegen der im Anschluss an die Kommandierung zur B. Informationstechnik GmbH vorgesehenen militärischen Verwendung des Antragstellers abgelehnt. Auch dieser Gesichtspunkt stellt einen - selbstständig tragenden - dienstlichen Grund im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV dar. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die vorhandene und durch die Kommandierung zur B. Informationstechnik GmbH weiter vertiefte fachliche Qualifikation und Erfahrung des Antragstellers in einer Verwendung bei dem im Aufbau befindlichen Betriebszentrum Informationstechniksystem der Bundeswehr genutzt werden soll. Der Einwand des Antragstellers, die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung stehe im „Widerspruch zu den Planungsabsichten der Vergangenheit“, ist nicht nachvollziehbar, da dem Antragsteller bereits frühzeitig, nämlich mit dem Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 14. Dezember 2007, mit einem „hohen Verbindlichkeitsgrad“ die voraussichtliche Anschlussverwendung („Verwendung im Betriebssystem ITSysBw“) mitgeteilt worden ist.

17 Soweit der Antragsteller - in sehr allgemeiner Form - eine Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Sonderurlaub im Verhältnis zwischen Offizieren einerseits und Portepeeunteroffizieren andererseits rügt, handelt es sich - worauf auch bereits in dem Vorlageschreiben hingewiesen wurde - um nicht vergleichbare Sachverhalte, da sich die Bedarfslage je nach Laufbahn und Ausbildungs- und Verwendungsreihe unterschiedlich darstellen kann. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass bei Portepeeunteroffizieren alle Urlaubsanträge „aufgrund einer dienstlichen Notwendigkeit“ abgelehnt worden seien, spricht dies gerade dafür, dass insoweit vergleichbare Sachverhalte auch tatsächlich gleichmäßig behandelt worden sind.

18 Die Ablehnung des Antrags auf Sonderurlaub steht schließlich nicht im Widerspruch zu der dem Antragsteller zugegangenen Interessenabfrage im Hinblick auf eine vorzeitige Zurruhesetzung nach dem Personalanpassungsgesetz. Die Interessenabfrage bedeutet nicht, wie der Antragsteller meint, dass er sich vorzeitig zur Ruhe setzen - und deshalb erst recht Sonderurlaub beanspruchen - könne. Wie sich schon aus dem Begleitschreiben der Stammdienststelle vom 15. Februar 2008 ergibt, hat eine eventuelle Interessenbekundung lediglich zur Folge, dass - ähnlich wie hier im Rahmen von § 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV - geprüft wird, ob eine vorzeitige Zurruhesetzung im dienstlichen Interesse liegt bzw. ob der Soldat dienstlich abkömmlich ist und keine adäquaten Verwendungsmöglichkeiten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung bestehen.

19 Insgesamt muss sich der Antragsteller deshalb daran festhalten lassen, dass er mit dem Status eines Berufssoldaten freiwillig Verpflichtungen zur Dienstleistung übernommen hat, deren Erfüllung der Dienstherr zu Recht erwarten kann.