Beschluss vom 30.06.2003 -
BVerwG 3 B 171.02ECLI:DE:BVerwG:2003:300603B3B171.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.06.2003 - 3 B 171.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:300603B3B171.02.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 171.02

  • Hessischer VGH - 10.09.2002 - AZ: VGH 11 UE 3202/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k und Dr. B r u n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. September 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 3. Die Beigeladenen zu 2 und 4 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 166 348,84 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei liegt die Annahme nahe, dass dem Klagebegehren durch die mit der Insolvenz der ursprünglichen Klägerin eingeleitete und im Beschwerdeverfahren mit der Einstellung des Krankenhausbetriebes und der Entlassung aller Mitarbeiter fortgesetzte Entwicklung die Grundlage entzogen worden ist. Dem braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden, weil die von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO ohnehin sämtlich nicht vorliegen.
Der Senat beschränkt sich entsprechend der Vorgabe des § 133 Abs. 5 VwGO auf eine Erörterung der ernsthaft in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte; angesichts des ausführlichen Vortrags des Klägers (vgl. u.a. die Vielzahl von Fragestellungen auf S. 9/10 der Beschwerdebegründung) erscheint eine ausdrückliche Befassung mit jeder einzelnen Frage oder Rüge weder sinnvoll noch notwendig.
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr vom Kläger beigelegte grundsätzliche Bedeutung
i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie wirft keine Frage des revisiblen Rechts auf, die zur Wahrung der Rechtseinheit oder zur Fortentwicklung des Rechts der Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich oder bedürftig wäre.
1.1 Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren als unzulässig angesehen, soweit es auf die Anerkennung von mehr als zehn Planbetten gerichtet ist, weil es insoweit an einem vorgängigen Antrag an die Verwaltung fehle. Sämtliche hierzu von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind nicht klärungsbedürftig.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Verpflichtungsklage - auch in der Form der Untätigkeitsklage - unzulässig ist, wenn das Begehren nicht zuvor der Verwaltung durch einen entsprechenden Antrag zur Entscheidung vorgelegt worden ist (vgl. Urteil vom 31. August 1995 - BVerwG 5 C 11.94 - BVerwGE 99, 158; Beschluss vom 21. April 1987 - BVerwG 1 B 32.87 -; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 51). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO. Es gilt auch, wenn das Begehren auf eine antragsunabhängige Leistung gerichtet ist (vgl. Urteil vom 31. August 1995 - BVerwG 5 C 11.94 - a.a.O.). Damit kommt es auf die Frage, ob die Aufnahme in den Krankenhausplan auch von Amts wegen erfolgen kann, nicht an. Erst recht ist die Frage nach den Voraussetzungen einer Klageänderung irrelevant, weil das Fehlen einer Prozessvoraussetzung durch eine eventuell zulässige Klageänderung nicht behoben wird.
1.2 Auch die im Hinblick auf die Bedarfsbeurteilung aufgeworfenen Fragen sind sämtlich nicht klärungsbedürftig.
Soweit sich diese Fragen damit befassen, auf welchen Raum sich jeweils die Bedarfsanalyse zu beziehen hat, ist bereits im Beschluss des Senats vom 31. Mai 2000 (- BVerwG 3 B 53.99 - Buchholz 451.74 § 6 KHG Nr. 5) auf die Beantwortung durch das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen worden. Danach ist der Beurteilung der Bedarfsgerechtigkeit der Bettenbedarf im Einzugsbereich des Krankenhauses zugrunde zu legen. Ob an diesem vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Grundsatz eine durch Landesverordnung erfolgte Festlegung von Versorgungsbereichen etwas ändern könnte, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht in Auslegung der entsprechenden Verordnung festgestellt hat, dass eine solche Änderung nicht erfolgt ist. Daran ist die Revisionsinstanz gebunden (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Soweit das Berufungsgericht in seine Argumentation bundesrechtliche Überlegungen einbezogen hat, sind diese im Übrigen überzeugend und ihre Infragestellung durch die Beschwerde unverständlich. Ebenso unverständlich ist die Frage, ob der oben wiedergegebene und auf die Ausrichtung des jeweiligen Krankenhauses Bezug nehmende Grundsatz auch für Häuser mit überörtlicher Schwerpunktbildung gilt. Nicht nachzuvollziehen ist schließlich, was das Abrechnungssystem eines Krankenhauses ("Fallpauschalen") mit der Ermittlung des Versorgungsbedarfs in einer Region zu tun haben soll.
1.3 Die Rüge, die Revision sei wegen Klärungsbedarfs hinsichtlich der Vereinbarkeit der hessischen Krankenhausplanung mit dem Gemeinschaftsrecht zuzulassen, ist wegen Verletzung des Darlegungsgebots des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO unzulässig. Zu der danach erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehört, dass sich die Beschwerde mit der Argumentation des Berufungsurteils auseinandersetzt und aufzeigt, dass und warum damit die aufgeworfene Frage nicht hinreichend beantwortet wird. Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat mit überzeugenden Argumenten dargelegt, dass die von der Klägerin angezogenen Normen des Gemeinschaftsrechts hier nicht einschlägig sind. Anstatt sich mit diesen Argumenten zu befassen, beschränkt sich die Beschwerde auf die schlagwortartige Benennung verschiedener gemeinschaftsrechtlicher Instrumente, die angeblich die deutsche Krankenhausplanung verbieten sollen.
2. Die von der Beschwerde geltend gemachten Divergenzrügen gehen ebenfalls fehl. Das Berufungsurteil weicht nicht von den vom Kläger benannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Die abweichende Ansicht der Beschwerde beruht im Wesentlichen auf Fehlinterpretationen des angefochtenen Urteils. An keiner Stelle des angefochtenen Urteils findet sich die von der Beschwerde unterstellte Aussage, dass der Behörde bei der Bedarfsanalyse ein Entscheidungsfreiraum eingeräumt sei. Von einem Gestaltungsfreiraum spricht es nur im Zusammenhang mit dem Begriff der Bedarfsprognose. Dass dieser Begriff wegen des darin enthaltenen Unsicherheitsfaktors und des notwendigen planerischen Spielraums sich einer vollständigen und umfassenden gerichtlichen Überprüfung im Einzelfall entzieht, ist ein Gemeinplatz, wie das Berufungsgericht durch die wörtliche Wiedergabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts belegt.
Im Übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass jedenfalls seit Erlass der 1998 ergangenen Feststellungsbescheide eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Krankenhausplanung einschließlich einer tragfähigen Bedarfsprognose vorhanden war. Warum das Berufungsgericht diese im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung vorhandene Planung nicht hätte berücksichtigen dürfen, ist nicht erkennbar. Aus den vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich das jedenfalls nicht. Die Beschwerde verkennt insbesondere, dass durch die genannten Bescheide eine Fortschreibung der Krankenhausplanung erfolgt ist, sodass die Fixierung auf die Fortschreibung von 1994 nicht gerechtfertigt ist.
3. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einem Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
3.1 Die von der Beschwerde erhobenen Besetzungsrügen gehen fehl. Das gilt zunächst für die Berechtigung der Rüge, dass die an der mündlichen Verhandlung vom 17. November 1998 beteiligten ehrenamtlichen Richter und der damalige Senatsvorsitzende nicht an der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2002 teilgenommen hätten und nicht an der Urteilsfindung beteiligt gewesen seien. Nach § 112 VwGO kann das Urteil nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der "dem Urteil zugrunde liegenden" mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Dies ist nach allgemeiner Auffassung (nur) die letzte mündliche Verhandlung, auf die hin das Urteil ergeht (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O. § 112 Rn. 2 m.w.N.). Das Urteil hatten daher nur diejenigen zu fällen, die am 10. September 2002 auf der Richterbank saßen.
Das übrige Vorbringen zur angeblich fehlerhaften Besetzung der Richterbank führt ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Die Behauptung, der Geschäftsverteilungsplan sei während des Geschäftsjahres allein zu dem Zweck geändert worden, Herrn. H. als Berichterstatter des vorliegenden Verfahrens dem neu gebildeten 11. Senats zu erhalten, widerspricht dem mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Geschäftsverteilungsbeschluss vom 26. Juni 2002. Danach war die genannte Maßnahme Teil eines umfassenden Revirements, dessen Notwendigkeit sich aus der Ernennung von drei Richtern zu Senatsvorsitzenden ergab. Der Vorwurf, die Belassung des zum Senatsvorsitzenden ernannten Herrn H. für das vorliegende Verfahren im 11. Senat verletze das Abstraktionsprinzip des Geschäftsverteilungsplans, übersieht § 21 e Abs. 4 GVG. Danach kann das Präsidium anordnen, dass ein Richter, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt. Die Wahrnehmung dieser gerade im Interesse der Parteien liegenden Möglichkeit drängte sich hier geradezu auf, weil Herr H. schon an der ersten mündlichen Verhandlung als Berichterstatter beteiligt war und ausweislich des Präsidiumsbeschlusses die neue mündliche Verhandlung schon terminiert war.
Nicht nachvollziehbar ist die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, im neuen Termin habe keine Einführung in den Verhandlungsstoff nach Maßgabe des § 103 Abs. 2 VwGO stattgefunden. Ausweislich der Verhandlungsniederschrift haben die Beteiligten und damit auch der in der Verhandlung anwesende Verfasser der Beschwerdebegründung nach Feststellung der Erschienenen übereinstimmend auf den Sachbericht verzichtet.
3.2 Den Behauptungen der Beschwerdebegründung zum angeblichen Vorliegen eines
Überraschungsurteils ist das Berufungsgericht schon in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 11. November 2002 mit nachvollziehbarer und teilweise durch die Akten belegter Begründung entgegengetreten. Die Klägerseite hat sich dazu nicht mehr geäußert.
Von einer Erörterung der übrigen - allesamt unberechtigten - Verfahrensrügen sieht der Senat aus den eingangs dargelegten Gründen ab.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 3 waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungspflichtig zu erklären, weil diese Beigeladenen sich durch Antragstellung im Beschwerdeverfahren selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt haben.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 GKG. Sie entspricht der vorinstanzlichen Festsetzung, die ihrerseits mit dem Streitwertkatalog in der Fassung vom Januar 1996 (DVBl 1996, 605, 608) übereinstimmt.