Beschluss vom 29.10.2008 -
BVerwG 2 B 25.08ECLI:DE:BVerwG:2008:291008B2B25.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.10.2008 - 2 B 25.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:291008B2B25.08.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 25.08

  • Bayerischer VGH München - 12.02.2008 - AZ: VGH 14 B 06.1119

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Oktober 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und
Dr. Burmeister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 200 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nur dann vor, wenn der Beschwerdeführer eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, höchstrichterlich ungeklärte Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf und die Darlegung dessen auch den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

3 Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Revision nicht wegen Rechtsgrundsätzlichkeit zuzulassen, weil sich der Vortrag des Beschwerdeführers letztlich in der Feststellung erschöpft, die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung stehe in Widerspruch zur Rechtsauffassung zweier Bundesministerien. Damit ist aber die Rechtsgrundsätzlichkeit der Sache nicht ansatzweise dargelegt. Sie verlangt eine Durchdringung des Streitstoffs (Beschluss vom 19. August 1993 - BVerwG 6 B 42.93 - (Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 81), was vorliegend namentlich eine Auseinandersetzung mit jenen höchstrichterlichen Entscheidungen verlangt hätte, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Auch der bloße Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 13. September 2001 - BVerwG 2 C 34.00 - (Buchholz 251.6 § 39 NdsPersVG Nr. 1) entspricht nicht den Anforderungen im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Gleiche gilt auch für den Hinweis des Beschwerdeführers auf abweichende erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

4 2. Die Beschwerdebegründung lässt auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erkennen, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Ein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht erkennbar. Es bedurfte keines Hinweises des Berufungsgerichts an den Beschwerdeführer (§ 86 Abs. 3 VwGO), dass es eine vom Verwaltungsgericht abweichende Rechtsauffassung vertreten würde; ebenso wenig bedurfte es der Aufforderung an ihn, den bereits erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalt näher zu erörtern.

5 a) Das Berufungsgericht hat den Rechtsstandpunkt vertreten, an individuelle Leistung anknüpfende Entlohnungsbestandteile wie Überstundenvergütungen oder Erfolgsprämien könnten - anders als etwa Aufwandsentschädigungen - grundsätzlich Arbeitsentgelt im Sinne des § 37 Abs. 4 BetrVG sein, allerdings nur, soweit sie auch dem freigestellten Betriebsratsmitglied vergleichbare Arbeitnehmer erhielten und anzunehmen sei, dass das Betriebsratsmitglied aufgrund der betrieblichen Verhältnisse einerseits und der vor der Freistellung gezeigten Leistungen andererseits zum Kreis der Empfänger der Zuwendungen gehören würde. Damit hat es zum einen den Begriff des Arbeitsentgelts im Grundsatz davon gelöst, dass das freigestellte Betriebsratsmitglied prämierbare Leistungen erbringen muss, die es während des Freistellungszeitraums naturgemäß überhaupt nicht erbringen kann; zum anderen hat es den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsatz einer fiktiven Nachzeichnung der Entlohnung zugrunde gelegt und den Sachverhalt darauf überprüft, ob er die rechtlich gebotene Prognose trägt, der Kläger hätte - ohne Freistellung als Betriebsratsmitglied - auch im Jahre 2002 eine Zulage nach § 4 ZTV erhalten.

6 Auch wenn diese Rechtsauffassung vom Beschwerdeführer nicht geteilt wird, stand die Frage, ob eine auf die Prämierung einer individuell außergewöhnlichen Leistung abzielende Zulage trotz fehlender Leistungserbringung wegen des Benachteiligungsverbots gleichwohl als Arbeitsentgelt (und allgemeine Zuwendung) im Sinne des § 37 Abs. 4 BetrVG angesehen werden kann, während des gesamten Prozessverlaufs für alle Beteiligten als zentrale Rechtsfrage im Raum. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, warum das Berufungsgericht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung gehalten gewesen sein könnte, den Beschwerdeführer auf diesen Rechtsstandpunkt hinzuweisen (Beschluss vom 24. Juli 2008 - BVerwG 6 PB 18.08 - juris Rn. 3); dies gilt umso mehr, als bereits in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2001 a.a.O. hingewiesen worden ist, dessen Erwägungen das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

7 b) Zur Wahrnehmung der dem Beschwerdeführer zustehenden Rechte war es ebenso wenig geboten, ihn zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen nochmals zu hören und ihm Gelegenheit zu geben, es näher zu erörtern.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beteiligten vor Erlass seiner Entscheidung Kenntnis gegeben, dass er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde gelegt, zu denen sich die Beteiligten nicht hatten äußern können. Er hat das Vorbringen des Beklagten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Dass er dessen Vorbringen zum Teil anders gewürdigt hat als der Beklagte selbst und das Verwaltungsgericht, verletzt nicht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das gilt insbesondere für die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dasVorbringen des Klägers, dass „alle Lokomotivführer auf seiner vorherigen Stelle mit gleichen und vergleichbaren Posten die einmalige Entgeltzulage für 2002 erhalten haben“, sei unwidersprochen geblieben. Der Beklagte meint, der Verwaltungsgerichtshof hätte klären müssen, ob die Behauptung des Klägers zutreffe. Dasselbe gelte für die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Beklagte habe nicht dargelegt, dass unter den für die Zulage in Betracht kommenden Mitarbeitern hinsichtlich der Höhe nach Leistung differenziert werde. Beide Annahmen des Verwaltungsgerichtshofs betrafen den Kern des Rechtsstreits, der bereits Gegenstand des Urteils des Verwaltungsgerichts war und unter den Beteiligten kontrovers bewertet wurde. Es wäre deshalb Sache des Beklagten gewesen, dem nach seiner Ansicht unzutreffenden Vorbringen des Klägers entgegenzutreten. Er durfte sich nicht darauf verlassen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens ebenso beurteilen würde wie das Verwaltungsgericht. Die Unterlassung einer entsprechenden Erwiderung durch den Beklagten lässt sich nicht durch die Rüge eines Gehörsverstoßes im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wettmachen.

9 3. Die Kostenentscheidung leitet sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG ab.