Beschluss vom 29.09.2003 -
BVerwG 3 B 59.03ECLI:DE:BVerwG:2003:290903B3B59.03.0

Beschluss

BVerwG 3 B 59.03

  • VG Berlin - 06.03.2003 - AZ: VG 30 A 57.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. März 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde entbehrt der von der Klägerin als Revisionszulassungsgrund geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. In Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen muss ein substantieller, eines Revisionsverfahrens bedürftiger Klärungsbedarf bestehen. Hieran fehlt es u.a. dann, wenn die Beantwortung keine nennenswerten Schwierigkeiten bereitet und sich die Richtigkeit der hierzu von der Vorinstanz eingenommenen Position geradezu aufdrängt. So liegt der Fall hier.
1. Als klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde zum einen (sinngemäß) die Frage, ob eine sog. Buchersitzung nach § 900 Abs. 1 BGB an einem ehemals volkseigenen Grundstück möglich sei, wenn die vorausgesetzte 30-Jahresfrist nur bei Hinzurechnung einer Zeitspanne unter der Geltung des DDR-Zivilgesetzbuches, das eine solche Ersitzung ausschloss, erreicht wird.
Nach Überzeugung des Senats ist diese Frage ohne weiteres dahin zu beantworten, dass von der genannten Frist nur diejenigen Zeiten erfasst werden, in denen eine Ersitzung des betreffenden Objekts rechtlich in Betracht kam. Nur unter dieser Voraussetzung besteht nämlich für den wahren Eigentümer Veranlassung, der in anders gelagerten Fällen drohenden Buchersitzung durch eine Grundbuchberichtigung entgegenzutreten. Hinzu kommt, dass Grundbucheintragungen in der Rechtswirklichkeit der DDR generell eine gegenüber den Verhältnissen in der Bundesrepublik geminderte Bedeutung zukam. Dies galt insbesondere für die verschiedenen Spielarten des sog. sozialistischen Eigentums. Ob - worüber im vorliegenden Fall gestritten wird - ein Grundstück volkseigen und einer LPG zur Nutzung überlassen war oder sich in deren Eigentum befand, war relativ belanglos. War aber darüber hinaus - wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat - eine Ersitzung des streitgegenständlichen Grundstücks durch die LPG als Bucheigentümerin gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen, so kommt den in diesen Zeitraum fallenden Jahren nicht die in § 900 BGB stillschweigend vorausgesetzte "Ersitzungsfähigkeit" zu.
Etwas anderes folgt auch nicht - wie die Beschwerde meint - aus dem Rechtsgedanken, der Art. 189 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 169 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zugrunde liegt. Die dort aus Anlass der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs getroffene Übergangsregelung besagt in diesem Zusammenhang, dass auf die 30-Jahresfrist des § 900 BGB auch die zuvor durch Grundbucheintragung belegten Jahre anzurechnen seien. Zugleich bestimmt Art. 169 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, dass sich die Beachtlichkeit einer "Hemmung und Unterbrechung" für die Zeit vor dem In-Kraft-Treten des BGB nach den bisherigen Gesetzen richte. Damit respektiert das EGBGB solche von den zuvor zuständigen Gesetzgebern geschaffenen Regelungen, die einer Ersitzung zuwiderlaufen. Übertragen auf den in der DDR geltenden Ersitzungsausschluss für volkseigene Grundstücke spricht dieses Regelungsprinzip eher für als gegen die Nichtanerkennung der von der Geltung des ZGB bestimmten Jahre.
2. Des Weiteren möchte die Beschwerde geklärt wissen, ob Art. 237 § 2 Abs. 4 EGBGB in der von der Vorinstanz erfolgten Auslegung verfassungsgemäß sei. Diese Bestimmung nimmt bestimmte Vermögensmassen - u.a. das ehemalige Volkseigentum - von dem in Art. 237 § 2 Abs. 1 und 2 EGBGB zugunsten des Bucheigentümers vorgesehenen Eigentumserwerb aus und belässt es insoweit bei den für die Abwicklung dieses Vermögens geltenden Bestimmungen. Der Senat teilt die Annahme der Klägerin nicht, dass die für das Volkseigentum geltende Regelung objektiv willkürlich sei. Bei Zugrundelegung des dem Gesetzgeber generell zustehenden weiten Regelungsspielraums sind hinreichende Gründe erkennbar, die eine solche Differenzierung zu rechtfertigen vermögen:
Für die Nichtzulassung eines Eigentumserwerbs an ehemaligem Volkseigentum durch den Buchbesitzer spricht vor allem die Unüberschaubarkeit der potentiell betroffenen Grundstücke oder Gebäude. Während ein individueller Eigentümer in der Regel sein Grundstück kannte und nach der Wende gegen eine anders lautende Eintragung vorgehen konnte, galt dies für das außerordentlich umfangreiche Volkseigentum nicht in gleichem Maße. Der Gesetzgeber konnte nicht davon ausgehen, dass das im Grundbuch einem anderen Eigentümer zugeordnete Volkseigentum in vergleichbar kurzer Zeit auf den wahren Eigentümer umgeschrieben wurde. Dies auch deshalb, weil der bisherige Eigentümer in gewisser Weise weggefallen und es vielfach und für lange Zeit unklar war, auf wen das betreffende Grundstück übergegangen oder zu übertragen und wer aufgrund dessen berechtigt war, ein Grundbuchberichtigungsverfahren einzuleiten. Mithin bestand die Gefahr, dass Volkseigentum in einer nicht absehbaren Zahl von Fällen entgegen den für dessen Abwicklung geltenden Bestimmungen nicht den als Rechtsnachfolgern vorgesehenen Körperschaften zugute gekommen wäre, wenn der durch Art. 237 § 2 Abs. 1 EGBGB bewirkte Eigentumsverlust auch für das Volkseigentum gegolten hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.