Beschluss vom 29.08.2012 -
BVerwG 1 WDS-VR 3.12ECLI:DE:BVerwG:2012:290812B1WDS-VR3.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2012 - 1 WDS-VR 3.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:290812B1WDS-VR3.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WDS-VR 3.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 29. August 2012 beschlossen:

Der Antrag, den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Versetzung des Beigeladenen auf den Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim Bundesministerium der Verteidigung - ... -, nunmehr Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim Bundesministerium der Verteidigung - ... - bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über die Beschwerden des Antragstellers gegen die entsprechenden Auswahl- und Versetzungsentscheidungen vorläufig rückgängig zu machen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreitverfahren um die Besetzung von nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten im Bundesministerium der Verteidigung.

2 Der 1960 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit endet nach der dienstgradbezogenen Altersgrenze voraussichtlich frühestens mit Ablauf des 30. November 2015. Er wurde am 16. Juli 2001 zum Hauptmann befördert und mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen. Der Antragsteller war auf einem nach Besoldungsgruppe A 12 bewerteten Dienstposten beim Amt für ... der Bundeswehr in E. verwendet. Mit Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 24. Mai 2012 wurde er auf einen nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten beim ... - ... - in B. versetzt und hat dort am 4. Juni 2012 seinen Dienst angetreten.

3 Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 sowie nochmals vom 30. September 2010 beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den zum 1. Oktober 2011 frei werdenden und nachzubesetzenden, nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... eines Sachbearbeiters beim ... - ... -. Dem Dienstposten sind Aufgaben aus dem Bereich des ... der Bundeswehr zugeordnet; Einzelheiten zu den Aufgaben und den Anforderungen an den Dienstposteninhaber ergeben sich aus einem Arbeitsblatt vom 3. August 2011.

4 Mit Auswahlentscheidung vom 15. September 2011 wählte das Personalamt der Bundeswehr den Beigeladenen für die Nachbesetzung dieses Dienstpostens aus; der Beigeladene wurde mit Verfügung vom selben Tage mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 auf den Dienstposten versetzt. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 20. September 2011 Beschwerde. Auf Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - hob das Personalamt daraufhin die Auswahlentscheidung und die Versetzungsverfügung auf.

5 Zur Vorbereitung einer neuen Auswahlentscheidung wurden sowohl für den Antragsteller als auch für den Beigeladenen Sonderbeurteilungen zum Stichtag 31. Oktober 2011 erstellt. Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde dabei für den Antragsteller mit einem Durchschnittswert von „7,33“ und für den Beigeladenen mit einem Durchschnittswert von „8,44“ bewertet.

6 Unter dem 15. November 2011 wählte das Personalamt erneut den Beigeladenen für die Besetzung des strittigen Dienstpostens aus. Nach dem Auswahlvermerk vom 15. November 2011 habe sich der Beigeladene im Vergleich der dienstlichen Beurteilungen, insbesondere der aktuellen Sonderbeurteilungen, als der besser geeignete und leistungsstärkere Bewerber durchgesetzt. Mit Verfügung vom 24. November 2011 wurde der Beigeladene mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 und Dienstantritt am 16. November 2011 auf den Dienstposten versetzt.

7 Mit Schreiben vom 4. Januar 2012 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die erneute Auswahlentscheidung des Personalamts, die er mit Schreiben vom 17. Januar 2012 auf die Versetzung des Beigeladenen erstreckte. Zur Begründung machte er vor allem die Rechtswidrigkeit der für ihn erstellten Sonderbeurteilung geltend, gegen die er bereits unter dem 3. November 2011 gesondert Beschwerde erhoben hatte.

8 Aufgrund organisatorischer Änderungen im Bundesministerium der Verteidigung wurde mit Wirkung vom 1. April 2012 der Führungsstab der Streitkräfte aufgelöst und ein neuer Organisations- und Dienstpostenplan in Kraft gesetzt. In der neuen Zielstruktur des Bundesministeriums der Verteidigung ist ein Dienstposten mit der Aufgabenbeschreibung des bisherigen Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... nicht mehr enthalten. Im Überleitungs-Organisations- und Dienstpostenplan wurde in der neu aufgestellten Abteilung ... im Referat ... der Unterabteilung I unter Teileinheit/Zeile ... ein nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierter Dienstposten mit der Aufgabe „Grundsätze/Konzeption ...“ und der Bemerkung „künftig wegfallend“ für die Besetzung mit einem Offizier des militärfachlichen Dienstes ausgebracht.

9 Am 17. April 2012 wählte das Personalamt wiederum den Beigeladenen für die Besetzung des neu ausgebrachten Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... aus. Nach dem Auswahlvermerk vom selben Tage wurden hierbei die auf der Grundlage der beiden Sonderbeurteilungen getroffene Auswahlentscheidung vom 15. November 2011 sowie die Tatsache berücksichtigt, dass sich seitdem keine neuen Erkenntnisse zum Eignungs- und Leistungsbild des Antragstellers und des Beigeladenen ergeben hätten. Mit Verfügung vom 19. April 2012 wurde der Beigeladene mit Wirkung vom 1. April 2012 auf den Dienstposten versetzt. Am 26. April 2012 wurde der Beigeladene außerdem mit Wirkung vom 1. Mai 2012 zum Stabshauptmann befördert.

10 Mit Schreiben vom 30. April 2012 erhob der Antragsteller auch gegen die Auswahl des Beigeladenen für die Besetzung des Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... sowie gegen dessen Versetzung auf diesen Dienstposten Beschwerde. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass die neuerliche Auswahl des Beigeladenen lediglich die Fortsetzung der bereits am 15. November 2011 zu dessen Gunsten getroffenen und aus seiner, des Antragstellers, Sicht fehlerhaften Entscheidung in die neue Bundeswehrstruktur darstelle.

11 Bereits mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 30. März 2012 hatte der Antragsteller außerdem beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, den Bundesminister der Verteidigung im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Versetzung des Beigeladenen auf den Dienstposten Teileinheit/Zeile ... bis zur bestandskräftigen Entscheidung über seine Beschwerden gegen die diesbezügliche Auswahlentscheidung und Versetzungsverfügung vorläufig rückgängig zu machen. Mit Bescheid vom 18. April 2012 lehnte es der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - ab, eine einstweilige Maßnahme gemäß § 3 Abs. 2 WBO zugunsten des Antragstellers zu treffen. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. Mai 2012 bezog der Antragsteller die Auswahl des Beigeladenen für den neu ausgebrachten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... sowie dessen Versetzung auf diesen Dienstposten in das Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ein.

12 Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Die ihm erteilte Sonderbeurteilung sei rechtswidrig, weil sie entgegen Nr. 401 ZDv 20/6 nicht das zutreffende Bild seiner Leistungen wiedergebe. Der ihm zuerkannte Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung sei das Ergebnis persönlicher Drohungen gegenüber dem beurteilenden Vorgesetzten; ohne diese wäre die Sonderbeurteilung besser ausgefallen. Hierfür werde auf die Vernehmungsprotokolle der Oberstleutnante L., Ha. und K. sowie das Protokoll seiner, des Antragstellers, eigener Vernehmung verwiesen. Im Übrigen dürfe die Sonderbeurteilung nicht verwertet werden, weil sie von ihm mit einer noch nicht bestandskräftig verbeschiedenen Wehrbeschwerde angefochten sei; zumindest unterliege sie einer Inzidentüberprüfung durch den Senat. Gerügt werde ferner, dass die Auswahlentscheidung insofern auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhe, als davon ausgegangen werde, dass die drittletzte für ihn vorliegende planmäßige Beurteilung diejenige zum Stichtag 31. März 2006 sei. Für diese Beurteilung bestehe jedoch ein Aufhebungsvermerk; die letzte, für ihn vorliegende planmäßige dienstliche Beurteilung vor 2008 sei demgemäß diejenige zum Stichtag 31. März 2004. Nicht zuletzt erfülle er, der Antragsteller, die Anforderungen des strittigen Dienstpostens aufgrund seines bisherigen Werdegangs, auch nach den vorliegenden Stellungnahmen seiner Vorgesetzten, besser als der Beigeladene.

13 Der Antragsteller beantragt zuletzt,
den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über die Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung und Versetzung des Beigeladenen auf den nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... -, nunmehr Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... - die Versetzung des Beigeladenen auf diesen Dienstposten vorläufig rückgängig zu machen.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag abzulehnen.

15 Er hält die getroffenen Auswahlentscheidungen für rechtmäßig und verteidigt die Erwägungen in den Auswahlvermerken vom 15. November 2011 und 17. April 2012. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Erstellung aktueller Sonderbeurteilungen geboten gewesen. Diese seien mit dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe wirksam. Das Personalamt sei deshalb, ungeachtet der Beschwerde des Antragstellers gegen die für ihn erstellte Sonderbeurteilung, nicht gehindert gewesen, die Sonderbeurteilungen im Auswahlverfahren zu berücksichtigen.

16 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - Az. ..., ..., ...., ..., ... und ..., die Gerichtsakten der weiteren beim Senat anhängigen Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers BVerwG 1 WB 3.12 und BVerwG 1 WB 4.12 sowie die Personalgrundakten des Antragstellers und des Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag hat keinen Erfolg.

18 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. Er kann, wie hier, schon vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der - noch nicht anhängigen - Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO).

19 Der Rechtsstreit hat sich auch nicht in der Hauptsache erledigt. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Besetzung des strittigen Dienstpostens (zunächst Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... -, dann Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... -) mit dem Beigeladenen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Oktober 2010 - BVerwG 1 WB 18.10 - Rn. 20 <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 138, 70 und in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 59> und vom 19. Dezember 2011 - BVerwG 1 WDS-VR 5.11 - Rn. 27).

20 Der Rechtsstreit hat sich zum anderen aber auch nicht im Hinblick darauf erledigt, dass der Antragsteller selbst inzwischen auf einen Dienstposten versetzt worden ist, der in seiner Dotierung dem vom Beigeladenen besetzten Dienstposten gleichwertig ist. Denn dem Antragsteller geht es nicht um einen beliebigen, nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten, sondern gerade um den strittigen Dienstposten, zumal sich der vom Antragsteller angestrebte und der von ihm derzeit innegehabte Dienstposten an verschiedenen Dienstsitzen des ... (hier Be., dort B.) befinden.

21 Der Senat lässt offen, ob die vom Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. Mai 2012 vorgenommene „Anpassung“ seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an die nach Wegfall des Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... erfolgte erneute Auswahl und Versetzung des Beigeladenen auf den neu ausgebrachten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... zulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist dem gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ein der Klageänderung oder Klageerweiterung anderer Verfahrensordnungen entsprechendes Rechtsinstitut grundsätzlich fremd (vgl. zuletzt Beschluss vom 26. Juni 2012 - BVerwG 1 WB 42.11 - Rn. 29 m.w.N.). Dementsprechend hat der Antragsteller zu Recht gesonderte Beschwerden gegen jede einzelne der Auswahlentscheidungen (vom 15. September 2011, 15. November 2011 und 17. April 2012, jeweils samt der diese umsetzenden Versetzung des Beigeladenen) erhoben. Ob es deshalb beim Übergang vom Dienstposten Teileinheit/Zeile ... zum Dienstposten Teileinheit/Zeile ... auch eines gesonderten Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz bedurft hätte, ist indes zweifelhaft. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es sich auch aus Sicht der Personalverwaltung gleichsam um die „Fortschreibung“ einer einmal getroffenen Auswahlentscheidung ohne wesentlich neue Erwägungen handelt, entspricht es, gerade im Eilverfahren, der Prozessökonomie, den erreichten Streitstand einer Entscheidung zuzuführen und die Beteiligten nicht zu einer letztlich bloßen Wiederholung des bereits ausgetauschten Vortrags zu nötigen.

22 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war jedoch abzulehnen, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

23 Bei summarischer Prüfung greifen die Einwände, die der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung vom 15. November 2011 und der ihr folgenden Auswahlentscheidung vom 17. April 2012 erhebt, nicht durch.

24 Die Sonderbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. Oktober 2011 durfte bei den Auswahlentscheidungen berücksichtigt werden (vgl. zum Folgenden näher Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - NVwZ-RR 2012, 33 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 39 ff.). Eine dienstliche Beurteilung wird gegenüber dem beurteilten Soldaten - entsprechend § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG - in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm eröffnet wird; sie ist von diesem Zeitpunkt an rechtlich existent und kann verwertet werden. Eine gegen die Beurteilung eingelegte Wehrbeschwerde oder ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Wehrdienstgericht haben keine aufschiebende Wirkung (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 6 Satz 1 WBO), sofern nicht ausnahmsweise die zuständige Stelle oder das Wehrdienstgericht die Vollziehung aussetzt bzw. die aufschiebende Wirkung anordnet (§ 3 Abs. 2, § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO). Auch die Verwaltungsvorschrift der Nr. 1103 Buchst. c ZDv 20/6, wonach eine Beurteilung erst dann Grundlage von Personalentscheidungen wird, wenn das Beurteilungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen und die Beurteilung von der personalbearbeitenden Stelle abschließend geprüft worden ist, kann den (verfassungs-)rechtlichen Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) nicht modifizieren und ist, soweit sie ihm entgegensteht, unbeachtlich. Ungeachtet der von dem Antragsteller gegen seine Sonderbeurteilung zum Stichtag 31. Oktober 2011 eingelegten Wehrbeschwerde war das Personalamt deshalb nicht gehindert, vielmehr sogar verpflichtet, die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber - im Falle des Antragstellers dessen Sonderbeurteilung - im Auswahlverfahren zu berücksichtigen.

25 Solange das unmittelbar die Sonderbeurteilung betreffende Wehrbeschwerdeverfahren nicht abgeschlossen ist, unterliegt die Rechtmäßigkeit der Sonderbeurteilung einer Inzidentkontrolle, die sich im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allerdings auf eine summarische Prüfung beschränkt. Auch aus den Einwänden des Antragstellers gegen den Inhalt der Sonderbeurteilung, insbesondere die Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, lassen sich in diesem Prüfungsrahmen jedoch keine auf die Auswahlentscheidungen durchschlagenden rechtlichen Bedenken herleiten.

26 Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der ihm zuerkannte Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von „7,33“ das Ergebnis persönlicher Drohungen gegenüber dem beurteilenden Vorgesetzten gewesen sei und ohne diese die Sonderbeurteilung besser ausgefallen wäre, lassen sich aus den vorgelegten Niederschriften über die Vernehmung von Zeugen (des Antragstellers selbst, des beurteilenden Vorgesetzten Oberstleutnant L. sowie der Oberstleutnante Ha. und K.) keine abschließenden Schlussfolgerungen für die Rechtmäßigkeit der Sonderbeurteilung ziehen; insoweit bedürfte es zumindest der Gegenüberstellung mit den Aussagen des stellungnehmenden Vorgesetzten (Oberst He.), der unzulässigen Druck ausgeübt haben soll, ggf. auch durch dessen persönliche Vernehmung. Eine solche Beweiserhebung findet im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Auswahlentscheidung nicht statt; sie ist dem gegen die Sonderbeurteilung gerichteten Wehrbeschwerdeverfahren vorbehalten. Der beurteilende Vorgesetzte hat in seiner Zeugenvernehmung zudem ausgeführt, dass er für die Bewertung der Leistungen des Antragstellers einen „Notenbereich zwischen 7,3 und 7,6“ vorgesehen habe und er ohne das Einwirken des stellungnehmenden Vorgesetzten nicht einen Wert von „7,33“, sondern von „7,44“ vergeben hätte. Auch in dem Fall, dass die Sonderbeurteilung des Antragstellers aufgehoben und von dem beurteilenden Vorgesetzten in der von ihm beabsichtigten Weise neu erstellt würde, bliebe der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung des Antragstellers jedenfalls deutlich unter demjenigen des Beigeladenen von „8,44“. Insoweit wird daher das Ergebnis der Auswahlentscheidungen, die maßgeblich auf den Vergleich der Leistungsbewertungen abstellen, nicht in Frage gestellt.

27 Nicht durchdringen kann der Antragsteller ferner mit dem Einwand, die Auswahlentscheidungen würden insofern auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhen, als sie als drittletzte für ihn vorliegende planmäßige Beurteilung diejenige zum Stichtag 31. März 2006 verwerten. Zwar trifft es, wie aus der Personalgrundakte ersichtlich, zu, dass diese Beurteilung aufgehoben ist und einen entsprechenden Vermerk trägt. Ihre fehlerhafte Verwertung als „drittletzte planmäßige Beurteilung“ lässt jedoch die Auswahlentscheidungen vom 15. November 2011 und 17. April 2012 nicht rechtswidrig werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Auswahlverfahren nach dem Grundsatz der Bestenauslese bei der Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschluss vom 24. Mai 2011 a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidungen ist deshalb, dass sie den Leistungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller aus dem Vergleich der Sonderbeurteilungen zum Stichtag 31. Oktober 2011 hergeleitet haben. Der Erwägung, dass der Beigeladene darüber hinaus im Vergleich der vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen besser als der Antragsteller abgeschnitten habe, kommt demgegenüber von vorneherein eine nur „abrundende“ Bedeutung zu; fällt der Vergleich der vorvorletzten - über fünf Jahre zurückliegenden und damit ohnehin wenig aussagekräftigen - Beurteilungen weg, bleibt die Richtigkeit des „ausschlaggebenden“ Vergleichs der aktuellen letzten Beurteilungen unberührt.

28 Soweit sich der Antragsteller schließlich auf weitere, seine Bewerbung unterstützende Stellungnahmen seiner Vorgesetzten im Amt für ... beruft, begründen auch diese keine rechtlichen Bedenken gegen die angegriffenen Auswahlentscheidungen. Die Vorgesetzten im Amt für ... sind für die Auswahlentscheidung nicht zuständig; ihre für das Auswahlverfahren maßgebliche Einschätzung der Eignung des Antragstellers und des Beigeladenen hat ihren Niederschlag in den dienstlichen Beurteilungen, insbesondere den zuletzt erstellten Sonderbeurteilungen, gefunden.

Beschluss vom 29.08.2012 -
BVerwG 1 WDS-VR 3.12ECLI:DE:BVerwG:2012:290812B1WDSVR3.12.0

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    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2012 - 1 WDS-VR 3.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:290812B1WDSVR3.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WDS-VR 3.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 29. August 2012 beschlossen:

Der Antrag, den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Versetzung des Beigeladenen auf den Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim Bundesministerium der Verteidigung - ... -, nunmehr Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim Bundesministerium der Verteidigung - ... - bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über die Beschwerden des Antragstellers gegen die entsprechenden Auswahl- und Versetzungsentscheidungen vorläufig rückgängig zu machen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreitverfahren um die Besetzung von nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten im Bundesministerium der Verteidigung.

2 Der 1960 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit endet nach der dienstgradbezogenen Altersgrenze voraussichtlich frühestens mit Ablauf des 30. November 2015. Er wurde am 16. Juli 2001 zum Hauptmann befördert und mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen. Der Antragsteller war auf einem nach Besoldungsgruppe A 12 bewerteten Dienstposten beim Amt für ... der Bundeswehr in E. verwendet. Mit Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 24. Mai 2012 wurde er auf einen nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten beim ... - ... - in B. versetzt und hat dort am 4. Juni 2012 seinen Dienst angetreten.

3 Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 sowie nochmals vom 30. September 2010 beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den zum 1. Oktober 2011 frei werdenden und nachzubesetzenden, nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... eines Sachbearbeiters beim ... - ... -. Dem Dienstposten sind Aufgaben aus dem Bereich des ... der Bundeswehr zugeordnet; Einzelheiten zu den Aufgaben und den Anforderungen an den Dienstposteninhaber ergeben sich aus einem Arbeitsblatt vom 3. August 2011.

4 Mit Auswahlentscheidung vom 15. September 2011 wählte das Personalamt der Bundeswehr den Beigeladenen für die Nachbesetzung dieses Dienstpostens aus; der Beigeladene wurde mit Verfügung vom selben Tage mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 auf den Dienstposten versetzt. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 20. September 2011 Beschwerde. Auf Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - hob das Personalamt daraufhin die Auswahlentscheidung und die Versetzungsverfügung auf.

5 Zur Vorbereitung einer neuen Auswahlentscheidung wurden sowohl für den Antragsteller als auch für den Beigeladenen Sonderbeurteilungen zum Stichtag 31. Oktober 2011 erstellt. Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde dabei für den Antragsteller mit einem Durchschnittswert von „7,33“ und für den Beigeladenen mit einem Durchschnittswert von „8,44“ bewertet.

6 Unter dem 15. November 2011 wählte das Personalamt erneut den Beigeladenen für die Besetzung des strittigen Dienstpostens aus. Nach dem Auswahlvermerk vom 15. November 2011 habe sich der Beigeladene im Vergleich der dienstlichen Beurteilungen, insbesondere der aktuellen Sonderbeurteilungen, als der besser geeignete und leistungsstärkere Bewerber durchgesetzt. Mit Verfügung vom 24. November 2011 wurde der Beigeladene mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 und Dienstantritt am 16. November 2011 auf den Dienstposten versetzt.

7 Mit Schreiben vom 4. Januar 2012 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die erneute Auswahlentscheidung des Personalamts, die er mit Schreiben vom 17. Januar 2012 auf die Versetzung des Beigeladenen erstreckte. Zur Begründung machte er vor allem die Rechtswidrigkeit der für ihn erstellten Sonderbeurteilung geltend, gegen die er bereits unter dem 3. November 2011 gesondert Beschwerde erhoben hatte.

8 Aufgrund organisatorischer Änderungen im Bundesministerium der Verteidigung wurde mit Wirkung vom 1. April 2012 der Führungsstab der Streitkräfte aufgelöst und ein neuer Organisations- und Dienstpostenplan in Kraft gesetzt. In der neuen Zielstruktur des Bundesministeriums der Verteidigung ist ein Dienstposten mit der Aufgabenbeschreibung des bisherigen Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... nicht mehr enthalten. Im Überleitungs-Organisations- und Dienstpostenplan wurde in der neu aufgestellten Abteilung ... im Referat ... der Unterabteilung I unter Teileinheit/Zeile ... ein nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierter Dienstposten mit der Aufgabe „Grundsätze/Konzeption ...“ und der Bemerkung „künftig wegfallend“ für die Besetzung mit einem Offizier des militärfachlichen Dienstes ausgebracht.

9 Am 17. April 2012 wählte das Personalamt wiederum den Beigeladenen für die Besetzung des neu ausgebrachten Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... aus. Nach dem Auswahlvermerk vom selben Tage wurden hierbei die auf der Grundlage der beiden Sonderbeurteilungen getroffene Auswahlentscheidung vom 15. November 2011 sowie die Tatsache berücksichtigt, dass sich seitdem keine neuen Erkenntnisse zum Eignungs- und Leistungsbild des Antragstellers und des Beigeladenen ergeben hätten. Mit Verfügung vom 19. April 2012 wurde der Beigeladene mit Wirkung vom 1. April 2012 auf den Dienstposten versetzt. Am 26. April 2012 wurde der Beigeladene außerdem mit Wirkung vom 1. Mai 2012 zum Stabshauptmann befördert.

10 Mit Schreiben vom 30. April 2012 erhob der Antragsteller auch gegen die Auswahl des Beigeladenen für die Besetzung des Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... sowie gegen dessen Versetzung auf diesen Dienstposten Beschwerde. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass die neuerliche Auswahl des Beigeladenen lediglich die Fortsetzung der bereits am 15. November 2011 zu dessen Gunsten getroffenen und aus seiner, des Antragstellers, Sicht fehlerhaften Entscheidung in die neue Bundeswehrstruktur darstelle.

11 Bereits mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 30. März 2012 hatte der Antragsteller außerdem beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, den Bundesminister der Verteidigung im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Versetzung des Beigeladenen auf den Dienstposten Teileinheit/Zeile ... bis zur bestandskräftigen Entscheidung über seine Beschwerden gegen die diesbezügliche Auswahlentscheidung und Versetzungsverfügung vorläufig rückgängig zu machen. Mit Bescheid vom 18. April 2012 lehnte es der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - ab, eine einstweilige Maßnahme gemäß § 3 Abs. 2 WBO zugunsten des Antragstellers zu treffen. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. Mai 2012 bezog der Antragsteller die Auswahl des Beigeladenen für den neu ausgebrachten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... sowie dessen Versetzung auf diesen Dienstposten in das Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ein.

12 Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Die ihm erteilte Sonderbeurteilung sei rechtswidrig, weil sie entgegen Nr. 401 ZDv 20/6 nicht das zutreffende Bild seiner Leistungen wiedergebe. Der ihm zuerkannte Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung sei das Ergebnis persönlicher Drohungen gegenüber dem beurteilenden Vorgesetzten; ohne diese wäre die Sonderbeurteilung besser ausgefallen. Hierfür werde auf die Vernehmungsprotokolle der Oberstleutnante L., Ha. und K. sowie das Protokoll seiner, des Antragstellers, eigener Vernehmung verwiesen. Im Übrigen dürfe die Sonderbeurteilung nicht verwertet werden, weil sie von ihm mit einer noch nicht bestandskräftig verbeschiedenen Wehrbeschwerde angefochten sei; zumindest unterliege sie einer Inzidentüberprüfung durch den Senat. Gerügt werde ferner, dass die Auswahlentscheidung insofern auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhe, als davon ausgegangen werde, dass die drittletzte für ihn vorliegende planmäßige Beurteilung diejenige zum Stichtag 31. März 2006 sei. Für diese Beurteilung bestehe jedoch ein Aufhebungsvermerk; die letzte, für ihn vorliegende planmäßige dienstliche Beurteilung vor 2008 sei demgemäß diejenige zum Stichtag 31. März 2004. Nicht zuletzt erfülle er, der Antragsteller, die Anforderungen des strittigen Dienstpostens aufgrund seines bisherigen Werdegangs, auch nach den vorliegenden Stellungnahmen seiner Vorgesetzten, besser als der Beigeladene.

13 Der Antragsteller beantragt zuletzt,
den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über die Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung und Versetzung des Beigeladenen auf den nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... -, nunmehr Dienstposten Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... - die Versetzung des Beigeladenen auf diesen Dienstposten vorläufig rückgängig zu machen.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag abzulehnen.

15 Er hält die getroffenen Auswahlentscheidungen für rechtmäßig und verteidigt die Erwägungen in den Auswahlvermerken vom 15. November 2011 und 17. April 2012. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Erstellung aktueller Sonderbeurteilungen geboten gewesen. Diese seien mit dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe wirksam. Das Personalamt sei deshalb, ungeachtet der Beschwerde des Antragstellers gegen die für ihn erstellte Sonderbeurteilung, nicht gehindert gewesen, die Sonderbeurteilungen im Auswahlverfahren zu berücksichtigen.

16 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - Az. ..., ..., ...., ..., ... und ..., die Gerichtsakten der weiteren beim Senat anhängigen Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers BVerwG 1 WB 3.12 und BVerwG 1 WB 4.12 sowie die Personalgrundakten des Antragstellers und des Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag hat keinen Erfolg.

18 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. Er kann, wie hier, schon vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der - noch nicht anhängigen - Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO).

19 Der Rechtsstreit hat sich auch nicht in der Hauptsache erledigt. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Besetzung des strittigen Dienstpostens (zunächst Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... -, dann Teileinheit/Zeile ... beim ... - ... -) mit dem Beigeladenen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Oktober 2010 - BVerwG 1 WB 18.10 - Rn. 20 <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 138, 70 und in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 59> und vom 19. Dezember 2011 - BVerwG 1 WDS-VR 5.11 - Rn. 27).

20 Der Rechtsstreit hat sich zum anderen aber auch nicht im Hinblick darauf erledigt, dass der Antragsteller selbst inzwischen auf einen Dienstposten versetzt worden ist, der in seiner Dotierung dem vom Beigeladenen besetzten Dienstposten gleichwertig ist. Denn dem Antragsteller geht es nicht um einen beliebigen, nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 dotierten, sondern gerade um den strittigen Dienstposten, zumal sich der vom Antragsteller angestrebte und der von ihm derzeit innegehabte Dienstposten an verschiedenen Dienstsitzen des ... (hier Be., dort B.) befinden.

21 Der Senat lässt offen, ob die vom Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. Mai 2012 vorgenommene „Anpassung“ seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an die nach Wegfall des Dienstpostens Teileinheit/Zeile ... erfolgte erneute Auswahl und Versetzung des Beigeladenen auf den neu ausgebrachten Dienstposten Teileinheit/Zeile ... zulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist dem gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ein der Klageänderung oder Klageerweiterung anderer Verfahrensordnungen entsprechendes Rechtsinstitut grundsätzlich fremd (vgl. zuletzt Beschluss vom 26. Juni 2012 - BVerwG 1 WB 42.11 - Rn. 29 m.w.N.). Dementsprechend hat der Antragsteller zu Recht gesonderte Beschwerden gegen jede einzelne der Auswahlentscheidungen (vom 15. September 2011, 15. November 2011 und 17. April 2012, jeweils samt der diese umsetzenden Versetzung des Beigeladenen) erhoben. Ob es deshalb beim Übergang vom Dienstposten Teileinheit/Zeile ... zum Dienstposten Teileinheit/Zeile ... auch eines gesonderten Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz bedurft hätte, ist indes zweifelhaft. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es sich auch aus Sicht der Personalverwaltung gleichsam um die „Fortschreibung“ einer einmal getroffenen Auswahlentscheidung ohne wesentlich neue Erwägungen handelt, entspricht es, gerade im Eilverfahren, der Prozessökonomie, den erreichten Streitstand einer Entscheidung zuzuführen und die Beteiligten nicht zu einer letztlich bloßen Wiederholung des bereits ausgetauschten Vortrags zu nötigen.

22 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war jedoch abzulehnen, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

23 Bei summarischer Prüfung greifen die Einwände, die der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung vom 15. November 2011 und der ihr folgenden Auswahlentscheidung vom 17. April 2012 erhebt, nicht durch.

24 Die Sonderbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. Oktober 2011 durfte bei den Auswahlentscheidungen berücksichtigt werden (vgl. zum Folgenden näher Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - NVwZ-RR 2012, 33 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 39 ff.). Eine dienstliche Beurteilung wird gegenüber dem beurteilten Soldaten - entsprechend § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG - in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm eröffnet wird; sie ist von diesem Zeitpunkt an rechtlich existent und kann verwertet werden. Eine gegen die Beurteilung eingelegte Wehrbeschwerde oder ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Wehrdienstgericht haben keine aufschiebende Wirkung (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 6 Satz 1 WBO), sofern nicht ausnahmsweise die zuständige Stelle oder das Wehrdienstgericht die Vollziehung aussetzt bzw. die aufschiebende Wirkung anordnet (§ 3 Abs. 2, § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO). Auch die Verwaltungsvorschrift der Nr. 1103 Buchst. c ZDv 20/6, wonach eine Beurteilung erst dann Grundlage von Personalentscheidungen wird, wenn das Beurteilungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen und die Beurteilung von der personalbearbeitenden Stelle abschließend geprüft worden ist, kann den (verfassungs-)rechtlichen Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) nicht modifizieren und ist, soweit sie ihm entgegensteht, unbeachtlich. Ungeachtet der von dem Antragsteller gegen seine Sonderbeurteilung zum Stichtag 31. Oktober 2011 eingelegten Wehrbeschwerde war das Personalamt deshalb nicht gehindert, vielmehr sogar verpflichtet, die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber - im Falle des Antragstellers dessen Sonderbeurteilung - im Auswahlverfahren zu berücksichtigen.

25 Solange das unmittelbar die Sonderbeurteilung betreffende Wehrbeschwerdeverfahren nicht abgeschlossen ist, unterliegt die Rechtmäßigkeit der Sonderbeurteilung einer Inzidentkontrolle, die sich im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allerdings auf eine summarische Prüfung beschränkt. Auch aus den Einwänden des Antragstellers gegen den Inhalt der Sonderbeurteilung, insbesondere die Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, lassen sich in diesem Prüfungsrahmen jedoch keine auf die Auswahlentscheidungen durchschlagenden rechtlichen Bedenken herleiten.

26 Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der ihm zuerkannte Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von „7,33“ das Ergebnis persönlicher Drohungen gegenüber dem beurteilenden Vorgesetzten gewesen sei und ohne diese die Sonderbeurteilung besser ausgefallen wäre, lassen sich aus den vorgelegten Niederschriften über die Vernehmung von Zeugen (des Antragstellers selbst, des beurteilenden Vorgesetzten Oberstleutnant L. sowie der Oberstleutnante Ha. und K.) keine abschließenden Schlussfolgerungen für die Rechtmäßigkeit der Sonderbeurteilung ziehen; insoweit bedürfte es zumindest der Gegenüberstellung mit den Aussagen des stellungnehmenden Vorgesetzten (Oberst He.), der unzulässigen Druck ausgeübt haben soll, ggf. auch durch dessen persönliche Vernehmung. Eine solche Beweiserhebung findet im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Auswahlentscheidung nicht statt; sie ist dem gegen die Sonderbeurteilung gerichteten Wehrbeschwerdeverfahren vorbehalten. Der beurteilende Vorgesetzte hat in seiner Zeugenvernehmung zudem ausgeführt, dass er für die Bewertung der Leistungen des Antragstellers einen „Notenbereich zwischen 7,3 und 7,6“ vorgesehen habe und er ohne das Einwirken des stellungnehmenden Vorgesetzten nicht einen Wert von „7,33“, sondern von „7,44“ vergeben hätte. Auch in dem Fall, dass die Sonderbeurteilung des Antragstellers aufgehoben und von dem beurteilenden Vorgesetzten in der von ihm beabsichtigten Weise neu erstellt würde, bliebe der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung des Antragstellers jedenfalls deutlich unter demjenigen des Beigeladenen von „8,44“. Insoweit wird daher das Ergebnis der Auswahlentscheidungen, die maßgeblich auf den Vergleich der Leistungsbewertungen abstellen, nicht in Frage gestellt.

27 Nicht durchdringen kann der Antragsteller ferner mit dem Einwand, die Auswahlentscheidungen würden insofern auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhen, als sie als drittletzte für ihn vorliegende planmäßige Beurteilung diejenige zum Stichtag 31. März 2006 verwerten. Zwar trifft es, wie aus der Personalgrundakte ersichtlich, zu, dass diese Beurteilung aufgehoben ist und einen entsprechenden Vermerk trägt. Ihre fehlerhafte Verwertung als „drittletzte planmäßige Beurteilung“ lässt jedoch die Auswahlentscheidungen vom 15. November 2011 und 17. April 2012 nicht rechtswidrig werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Auswahlverfahren nach dem Grundsatz der Bestenauslese bei der Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschluss vom 24. Mai 2011 a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidungen ist deshalb, dass sie den Leistungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller aus dem Vergleich der Sonderbeurteilungen zum Stichtag 31. Oktober 2011 hergeleitet haben. Der Erwägung, dass der Beigeladene darüber hinaus im Vergleich der vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen besser als der Antragsteller abgeschnitten habe, kommt demgegenüber von vorneherein eine nur „abrundende“ Bedeutung zu; fällt der Vergleich der vorvorletzten - über fünf Jahre zurückliegenden und damit ohnehin wenig aussagekräftigen - Beurteilungen weg, bleibt die Richtigkeit des „ausschlaggebenden“ Vergleichs der aktuellen letzten Beurteilungen unberührt.

28 Soweit sich der Antragsteller schließlich auf weitere, seine Bewerbung unterstützende Stellungnahmen seiner Vorgesetzten im Amt für ... beruft, begründen auch diese keine rechtlichen Bedenken gegen die angegriffenen Auswahlentscheidungen. Die Vorgesetzten im Amt für ... sind für die Auswahlentscheidung nicht zuständig; ihre für das Auswahlverfahren maßgebliche Einschätzung der Eignung des Antragstellers und des Beigeladenen hat ihren Niederschlag in den dienstlichen Beurteilungen, insbesondere den zuletzt erstellten Sonderbeurteilungen, gefunden.