Beschluss vom 29.06.2017 -
BVerwG 3 VR 1.16ECLI:DE:BVerwG:2017:290617B3VR1.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.06.2017 - 3 VR 1.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617B3VR1.16.0]

Beschluss

BVerwG 3 VR 1.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2017
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1 2/6, der Antragsteller zu 2 1/6 und die Antragsgegnerin 3/6. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 22 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die allein noch anstehende Entscheidung darüber, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu treffen.

3 Danach sind die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin und den Beigeladenen nicht allein deshalb aufzuerlegen, weil die Beigeladenen für die Dauer des Verfahrens von der Ausnutzung des - fortbestehend vollziehbaren - Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG) abgesehen haben. Es handelte sich hierbei um ein bloßes Entgegenkommen, mit dem die Beigeladenen die baldige Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren (BVerwG 3 A 1.16 ) erleichtern, aber nicht etwa eine sonst drohende gerichtliche Vollziehungsaussetzung abwenden wollten. Dieses Entgegenkommen kann ihnen nicht zum Nachteil gereichen. Abgesehen davon hat die Antragsgegnerin, die über die behördliche Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden hatte, sich auf die Anfrage des Senats dezidiert gegen ein Zuwarten ausgesprochen und, übereinstimmend mit den Beigeladenen, einen baldigen Baubeginn für unumgänglich erklärt.

4 Die Kostenentscheidung ist damit an dem voraussichtlichen Ausgang des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu orientieren, soweit er ohne die Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatsachenfragen eingeschätzt werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <363> und Beschluss vom 7. November 2014 - 2 C 8.14 - Buchholz 237.6 § 44 NdsLBG Nr. 1 Rn. 2). Maßgebend für die Einschätzung ist im vorliegenden Fall nicht der Zeitpunkt der - in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren abgegebenen - Erledigungserklärungen; denn es ist nicht sachgerecht, die erst in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren in die Beurteilung der Erfolgsaussichten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens einfließen zu lassen. Angemessen ist es vielmehr darauf abzustellen, wie die Erfolgsaussichten bei Entscheidungsreife des Rechtsschutzantrags zu beurteilen gewesen wären. Nach diesem Sach- und Streitstand ließ sich weder ausschließen noch klar bejahen, dass der Antrag Erfolg gehabt hätte.

5 Zwar gilt als Ausgangspunkt, dass Betroffene bei Mängeln eines Planfeststellungsbeschlusses, etwa des auch hier beanstandeten Lärm- und Erschütterungsschutzkonzepts, die Anordnung realer Schutzvorkehrungen oder die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs im Wege der Planergänzung, nicht aber die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen können. Ist ein Aufhebungsanspruch nicht erkennbar gegeben, scheidet im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses aus (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2016 - 3 VR 2.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​010416B3VR2.15.0] - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 74 Rn. 17; Ramsauer/Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 75 Rn. 67 ff. m.w.N.). Hier war jedoch nicht von vornherein auszuschließen, dass der Planfeststellungsbeschluss bei der Ermittlung und Bewertung der zu erwartenden Erschütterungen an Fehlern litt, die zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit hätten führen können. Ob die Zumutbarkeitsschwelle für Erschütterungen auf das 1,5-fache der Anhaltswerte nach der DIN 4150-2 festgesetzt werden durfte (PFB S. 57 f.), ließ sich vor der mündlichen Verhandlung anhand der Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 260 ff.) mangels einer Abschätzung der konkreten tatsächlichen oder plangegebenen Vorbelastung nicht sicher beurteilen. Ob ein etwaiger Fehler bei der Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle durch bloße Planergänzung hätte geheilt werden können, war ebenfalls offen. Es sprach vielmehr manches dafür, dass der Fehler das Abwägungsgerüst bis hin zur Trassenwahl hätte infrage stellen können.

6 Es ist nicht Sache einer Kostenentscheidung nach Hauptsachenerledigung, schwierige Rechts- und Tatsachenfragen aufzuarbeiten und zu beantworten. Mit Blick hierauf sind die Kosten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwischen den Antragstellern einerseits und der Antragsgegnerin andererseits verhältnismäßig zu teilen. Angesichts der dargelegten Unsicherheiten der Beurteilung ist eine hälftige Teilung angemessen, die sich auf der Antragstellerseite am Verhältnis der Streitwerte orientiert. Die Beigeladenen erhalten keine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten, werden an den Verfahrenskosten aber auch nicht beteiligt.

7 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei geht der Senat von Teilstreitwerten von 30 000 € für den Antragsteller zu 1 und von 15 000 € für den Antragsteller zu 2 aus (vgl. Nr. 34.4 und 34.2 .1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Der Gesamtstreitwert von 45 000 € ist mit Blick auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.