Verfahrensinformation

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, durch den das beklagte Bergamt einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan des beigeladenen Bergbauunternehmens zugelassen hat. Der Rahmenbetriebsplan hat den Braunkohlentagebau Garzweiler im Zeitraum von 2001 bis 2045 zum Gegenstand. Er sieht unter anderem vor, dass der gesamte Heimatort des Klägers und damit auch dessen Hausgrundstück für den Braunkohlentagebau in Anspruch genommen werden. Das Grundstück des Klägers soll voraussichtlich im Jahre 2017 abgebaggert werden. Seine Klage blieb mit der Begründung erfolglos, er werde durch den Rahmenbetriebsplan noch nicht in eigenen Rechten verletzt. Dass sein Heimatort und damit auch sein Grundstück für den Tagebau nicht in Anspruch genommen werden dürften, könne er erst gegenüber seiner späteren bergrechtlichen Enteignung (der so genannten Grundabtretung) geltend machen. Hiergegen wendet der Kläger sich mit der Begründung, zum Zeitpunkt der Grundabtretung seien durch den herangerückten Tagebau und die bereits weitgehend abgeschlossene (freiwillige) Umsiedlung des Ortes vollendete Tatsachen geschaffen und ein effektiver Rechtsschutz deshalb nicht mehr möglich.


Pressemitteilung Nr. 37/2006 vom 29.06.2006

Eigentümer können gegen die Zulassung eines Braunkohlentagebaus klagen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Eigentümer von Grundstücken, die für einen Braunkohlentagebau in Anspruch genommen werden sollen, schon gegen die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans klagen können, der diesen Tagebau zum Gegenstand hat.


Der Kläger wandte sich gegen einen Bescheid, durch den das beklagte Bergamt einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan des beigeladenen Bergbauunternehmens zugelassen hat. Der Rahmenbetriebsplan hat den Braunkohlentagebau Garzweiler im Zeitraum von 2001 bis 2045 zum Gegenstand. Er sieht unter anderem vor, dass der gesamte Heimatort des Klägers und damit auch dessen Hausgrundstück für den Braunkohlentagebau in Anspruch genommen werden. Das Grundstück des Klägers soll voraussichtlich im Jahre 2017 abgebaggert werden. Seine Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, er werde durch den Rahmenbetriebsplan noch nicht in eigenen Rechten verletzt. Dass sein Heimatort und damit auch sein Grundstück für den Tagebau nicht in Anspruch genommen werden dürften, könne er erst gegenüber seiner späteren bergrechtlichen Enteignung (der so genannten Grundabtretung) geltend machen. Mit seiner Revision machte der Kläger geltend, zum Zeitpunkt der Grundabtretung seien durch den herangerückten Tagebau und die bereits weitgehend abgeschlossene (freiwillige) Umsiedlung des Ortes vollendete Tatsachen geschaffen und ein effektiver Rechtsschutz deshalb nicht mehr möglich.


Das Bundesverwaltungsgericht gab der Revision statt: Das zuständige Bergamt habe schon bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans zu prüfen, ob öffentliche Interessen einer großflächigen Inanspruchnahme von Grundstücken für den Tagebau entgegenstehen. Die großflächige Inanspruchnahme von Grundstücken mit der Umsiedlung zahlreicher Menschen unter vollständiger Umgestaltung der Landschaft könne öffentlichen Interessen widersprechen, wenn das Abbauvorhaben nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, den dort anstehenden Bodenschatz zur Sicherung der Rohstoffversorgung abzubauen. Diese Prüfung diene gleichzeitig auch den Interessen des einzelnen Grundstückseigentümers, auf dessen Eigentum sonst zugegriffen werden müsste. Weil das Oberverwaltungsgericht von seinem abweichenden Standpunkt aus die Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht in der Sache auf Rechtsfehler nachgeprüft hat, verwies das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurück.


BVerwG 7 C 11.05 - Urteil vom 29.06.2006


Urteil vom 29.06.2006 -
BVerwG 7 C 11.05ECLI:DE:BVerwG:2006:290606U7C11.05.0

Leitsatz:

§ 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG entfaltet schon bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für einen Tagebau drittschützende Wirkung zu Gunsten der Eigentümer, deren Grundstücke für den Tagebau unmittelbar in Anspruch genommen werden sollen (Abweichung vom Urteil vom 14. Dezember 1990 - BVerwG 7 C 18.90 - Buchholz 406.27 § 55 BBergG Nr. 3).

  • Rechtsquellen
    VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1
    BBergG § 48 Abs. 2, § 77 Abs. 2
    ROG § 4 Abs. 1 Satz 2
    LPlG NRW § 34 Abs. 5

  • OVG Münster - 07.06.2005 - AZ: OVG 11 A 1194/02 -
    OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 07.06.2005 - AZ: OVG 11 A 1194/02

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 29.06.2006 - 7 C 11.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:290606U7C11.05.0]

Urteil

BVerwG 7 C 11.05

  • OVG Münster - 07.06.2005 - AZ: OVG 11 A 1194/02 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 07.06.2005 - AZ: OVG 11 A 1194/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann
und Guttenberger
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2005 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, durch den das beklagte Bergamt einen Rahmenbetriebsplan der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen für den Braunkohlentagebau Garzweiler I/II zugelassen hat.

2 Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in dem Ortsteil Immerath der Stadt Erkelenz. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut.

3 Die Beigeladene betreibt im rheinischen Braunkohlerevier Tagebau, darunter den Tagebau Garzweiler.

4 Im Oktober 1987 reichte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bei dem seinerzeit zuständigen Bergamt Köln einen Rahmenbetriebsplan „Garzweiler I/II (Zeitraum 1997 bis 2045)“ ein. Gegenstand des Rahmenbetriebsplans war der Abbau von Braunkohle auf einer 14 km² großen (Rest-)Fläche innerhalb des bereits betriebenen Tagebaus (Abbaubereich Garzweiler I) sowie in dem anschließenden, etwa 63 km² großen Abbaubereich Garzweiler II.

5 Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hatte bereits zuvor im August 1987 bei dem Braunkohlenausschuss die Aufstellung eines Braunkohlenplans für das Abbaugebiet Garzweiler II beantragt. Der Braunkohlenausschuss stellte im Dezember 1994 den Braunkohlenplan Garzweiler II fest, den die Landesplanungsbehörde durch Erlass vom 31. März 1995 genehmigte. Der Braunkohlenplan stellt einen Abbaubereich von nur noch etwa 48 km² dar. Innerhalb dieses verkleinerten Abbaubereichs liegt der Ortsteil Immerath der Stadt Erkelenz mit dem Wohngrundstück des Klägers.

6 Im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren hatte das Bergamt Köln auf Antrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen eine Teilzulassung des eingereichten Rahmenbetriebsplans ausgesprochen. Nach Genehmigung des Braunkohlenplans beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beim nunmehr zuständigen Bergamt Düren eine weitere Teilzulassung, bezogen auf die verbliebene Restfläche des Abbaugebiets Garzweiler I sowie den Abbaubereich Garzweiler II für den Zeitraum 2001 bis 2045. Sie legte hierzu geänderte Unterlagen vor, mit denen sie die Einschränkungen in den Rahmenbetriebsplan übernahm, die im Braunkohlenplan gegenüber ihrem ursprünglichen Vorhaben dargestellt sind.

7 Das beklagte Bergamt Düren ließ den Rahmenbetriebsplan durch Bescheid vom 22. Dezember 1997 zu. Den Widerspruch des Klägers wies das seinerzeit noch bestehende Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen durch Bescheid vom 24. Februar 2000 zurück.

8 Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Antrag, den Zulassungsbescheid des beklagten Bergamts und den Widerspruchsbescheid des Landesoberbergamts aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht: Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans verletze ihn in seinen eigenen Rechten. Das Vorhaben der Beigeladenen könne nur verwirklicht werden, wenn die gesamte Ortschaft Immerath abgesiedelt und sein Grundstück für den Bergbau in Anspruch genommen werde. Betroffen seien daher seine Grundrechte auf Eigentum und auf Freizügigkeit, ferner wegen der physischen und psychischen Belastungen der Umsiedlung sein Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit. Mit diesen Grundrechten habe das beklagte Bergamt sich bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht auseinander gesetzt. Seine Interessen hätten jedoch aufgrund der Vorschrift des § 48 Abs. 2 BBergG berücksichtigt werden müssen. Ihre Berücksichtigung hätte zu einer Untersagung des beabsichtigten Abbaus geführt. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans sei die letzte und einzige Verwaltungsentscheidung über die Zulässigkeit des geplanten Vorhabens, die seiner Enteignung vorausgehe. Er könne nicht darauf verwiesen werden, erst die Entscheidung im Grundabtretungsverfahren anzufechten. Zu diesem Zeitpunkt sei der Abbau bereits weit fortgeschritten. Die Umsiedlung des Ortes sei nahezu vollzogen. Diese faktischen Wirkungen vereitelten einen effektiven Rechtsschutz im Grundabtretungsverfahren.

9 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen.

10 Das Oberverwaltungsgericht hat die von ihm zugelassene Berufung des Klägers durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Der Kläger werde durch die angegriffene Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht in seinen eigenen Rechten verletzt. Zu einem Eingriff in sein Eigentumsrecht komme es erst im Grundabtretungsverfahren. Erst hier werde endgültig und mit Wirkung auch gegen ihn über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme seines Grundstücks entschieden. Einem bergrechtlichen Betriebsplan komme keine rechtliche Vorwirkung für die spätere Enteignung zu. Drittschützenden Charakter habe § 48 Abs. 2 BBergG nur in den Fällen, in denen Grundeigentum nicht unmittelbar für das Vorhaben in Anspruch genommen werde, so dass es eines späteren Grundabtretungsverfahrens nicht bedürfe. Trotz der vom Kläger beschriebenen faktischen Beeinträchtigungen verstoße die Verlagerung des Rechtsschutzes auf das Grundabtretungsverfahren nicht gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes.

11 Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Zur Begründung vertieft er seine Auffassung: Nach § 48 Abs. 2 BBergG müsse die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans beschränkt oder untersagt werden, soweit nur so eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Oberflächeneigentums vermieden werden könne. Das gelte auch in den Fällen, in denen Grundeigentum unmittelbar für das Vorhaben in Anspruch genommen werden solle.

12 Das beklagte Bergamt verteidigt das angefochtene Urteil: Das Berufungsgericht habe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass § 48 Abs. 2 BBergG keinen Schutz zu Gunsten eines Dritten vermittele, dessen Grundstück für das beabsichtigte bergbauliche Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen werden solle und dem daher noch die Möglichkeit offen stünde, Rechtsschutz in einem Grundabtretungsverfahren zu erlangen. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum liege nicht vor. Die angefochtene Zulassung entfalte keine Rechtswirkungen zu Lasten des Klägers, hindere ihn insbesondere nicht daran, sein Grundstück zu nutzen, zu veräußern oder in dieses Grundstück zu investieren. Unerheblich sei die Behauptung des Klägers, er müsse nach Abschluss der freiwilligen Umsiedlung in dem zwischenzeitlich verlassenen und größtenteils abgerissenen Heimatort ausharren, bis im Grundabtretungsverfahren über die Rechtmäßigkeit des Vorhabens entschieden sei. Diese Entwicklung könne nicht der Zulassung des Rahmenbetriebsplans zugerechnet werden. Sie beruhe vielmehr auf den freiwilligen Entscheidungen derjenigen, die nach einer gütlichen Einigung mit der Beigeladenen fortzögen. Dass die Beigeladene nach einem Erwerb der Grundstücke diese nicht weiter nutze und die vorhandene Bebauung beseitige, sei Ausdruck der ihr nunmehr zustehenden Eigentümerbefugnisse. Art. 14 Abs. 1 GG gewähre kein Grundrecht auf einen unveränderten Fortbestand des tatsächlichen Umfelds.

13 Die Beigeladene beantragt die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt ebenfalls das angefochtene Urteil: § 48 Abs. 2 BBergG sei als Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einzuordnen. Die Zulassung des Betriebsplans betreffe den Eigentümer aber nicht im Sinne einer Eigentumsbegrenzung oder Eigentumsausgestaltung diesseits der Eigentumsentziehung, wenn das Vorhaben gezielt auf das Grundstück zugreife. Dieser unmittelbare Eingriff sei in dem besonderen Verfahren der Grundabtretung geregelt. Das Grundeigentum könne sinnvoll nur dann mit den für den Bergbau sprechenden Belangen nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 BBergG abgewogen werden, wenn sich das Eigentum im Einzelfall durchsetzen könne, weil die Beeinträchtigung des Grundstücks durch eine andere Variante bergbaulicher Maßnahmen vermieden werden könne oder wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit dadurch vermieden werden müsse, dass die schädigende Maßnahme unterlassen werde. Eine solche Zielrichtung der Abwägung entfalle aber vollständig, wenn das Bergbauvorhaben von vornherein unabweisbar auf die Inanspruchnahme des Grundstücks angewiesen sei. In diesem Fall gehe es nur um die Frage, ob die unvermeidbare Inanspruchnahme durch Enteignungsgründe gerechtfertigt sei. Diese Prüfung finde nach der Konzeption des Bundesberggesetzes ausschließlich im Verfahren der Grundabtretung, nicht hingegen im Verfahren der Betriebsplanzulassung statt. Das Eigentumsgrundrecht enthalte zwar einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Dieser Anspruch werde aber nicht verletzt, weil die Zulassung des Betriebsplans eigentumsrechtliche Regelungen zu Lasten des Klägers nicht enthalte. Allein der Umsiedlungsdruck beeinträchtige die Möglichkeiten des Rechtsschutzes für den Kläger nicht. Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen hätten keine präjudizierende Bedeutung gegenüber der Prüfung und Entscheidung im Grundabtretungsverfahren. Auch wenn die freiwillige Umsiedlung lange vor der bergbaulichen Inanspruchnahme des Grundstücks stattfinden und der mit dem Eigentum verbundene Nutzwert des Grundstücks dadurch vermindert werden sollte, würden dadurch nicht das Grundstück und seine Nutzbarkeit als solche betroffen. Es verringere sich nur die Attraktivität der Wohnnutzung. Das Eigentumsrecht umfasse jedoch nicht das Fortbestehen der bisherigen Umgebung im weitesten Sinne. Die langfristige Umsiedlung werde im Übrigen nicht durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans, sondern ganz wesentlich durch den Braunkohlenplan angestoßen und gesteuert.

14 Die Vertreterin des Bundesinteresses hält die Revision ebenfalls für unbegründet: Dem Rahmenbetriebsplan komme weder Gestattungswirkung für den Bergbauunternehmer noch eine enteignende Vorwirkung zu Lasten des Oberflächeneigentümers zu. Erst im Verfahren der Grundabtretung werde endgültig und mit Außenwirkung entschieden, ob der Eingriff in das Eigentumsrecht zulässig sei. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes zwinge zu keiner anderen Bewertung.

II

15 Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen § 48 Abs. 2 BBergG angenommen, der Kläger könne durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Zulassung des Rahmenbetriebsplans rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

16 § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG verlangt, dass bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für einen Tagebau die Interessen der Eigentümer berücksichtigt werden, deren Grundstücke für den Tagebau unmittelbar in Anspruch genommen werden sollen. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG entfaltet zu ihren Gunsten drittschützende Wirkung. Die betroffenen Eigentümer können gestützt auf diese Vorschrift geltend machen, dass die Zulassung des Rahmenbetriebsplans sie in eigenen Rechten verletzt (§ 42 Abs. 2 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit das Bundesverwaltungsgericht in früheren Entscheidungen, insbesondere im Urteil vom 14. Dezember 1990 - BVerwG 7 C 18.90 - (Buchholz 406.27 § 55 BBergG Nr. 3), eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält der Senat daran nicht fest.

17 Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG kann die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die Vorschrift begründet nicht nur die Befugnis der Bergbehörde, neben dem Betriebsplan oder ihm nachfolgend Anordnungen zu treffen. § 48 Abs. 2 BBergG erweitert vielmehr die Befugnisse der Bergbehörde bereits im Verfahren der Betriebsplanzulassung. Er ergänzt insoweit § 55 Abs. 1 BBergG. Liegen bereits bei der Entscheidung der Bergbehörde über die Zulassung eines eingereichten Betriebsplans Umstände vor, die der Bergbehörde Anlass geben, die Aufsuchung oder Gewinnung gemäß § 48 Abs. 2 BBergG zu beschränken oder zu untersagen, so hat sie dies bei ihrer Entscheidung durch Beschränkung oder Versagung der Zulassung zu berücksichtigen. Es widerspräche einer sinnvollen Gesetzesanwendung, die Bergbehörde zu verpflichten, einen Betriebsplan ohne Einschränkung zuzulassen, wenn sie gemäß § 48 Abs. 2 BBergG im Anschluss daran die Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken oder zu untersagen hätte (Urteil vom 4. Juli 1986 - BVerwG 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 <323> = Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 1).

18 Der Begriff der entgegenstehenden öffentlichen Interessen ist weit gefasst. Er bezieht sich in Abgrenzung zu § 55 Abs. 1 BBergG gerade auf andere Belange als den Schutz vor betrieblichen Gefahren im engeren Sinne. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG stellt einen Auffangtatbestand dar. Nach ihm sind die Belange zu prüfen und abzuarbeiten, die nicht bereits im Rahmen von § 55 BBergG oder in Verfahren geprüft werden, die mangels einer Konzentrationswirkung der Zulassungsentscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlich sind (§ 48 Abs. 1 BBergG). Dies entspricht der Funktion des Rahmenbetriebsplans, die Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens oder zumindest größerer zeitlicher oder räumlicher Abschnitte zu prüfen.

19 Für die so verstandene Zulassungsfähigkeit des Vorhabens kommt es auch darauf an, ob das Abbauvorhaben durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, den dort anstehenden Bodenschatz zur Sicherung der Rohstoffversorgung abzubauen, und ob deshalb die großflächige Inanspruchnahme von Grundstücken mit der Umsiedlung zahlreicher Menschen unter völliger Umgestaltung der Landschaft mit öffentlichen Interessen vereinbar ist. Ein Tagebauvorhaben widerspricht dem öffentlichen Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG, wenn bereits bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans erkennbar ist, dass die Verwirklichung des Vorhabens daran scheitern muss, dass die dafür erforderliche Inanspruchnahme des Eigentums privater Dritter nicht durch Belange des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist.

20 Bei diesem Verständnis lässt § 48 Abs. 2 BBergG Raum auch dafür, gesteuert durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Interessen der betroffenen Grundeigentümer mit den berechtigten Belangen des Bergbaus abzuwägen. Nach § 48 Abs. 2 BBergG kann auch der Grundeigentümer verlangen, dass zu seinem Schutz die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen im Einzelfall untersagt oder beschränkt wird (Urteil vom 16. März 1989 - BVerwG 4 C 36.85 - BVerwGE 81, 329 <339> = Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 2). Das ergibt sich zugleich ausdrücklich aus § 48 Abs. 2 Satz 2 BBergG. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgegriffen. Er hat zum einen anerkannt, dass § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG Anforderungen schon an die Zulassung von Betriebsplänen normiert. Zum anderen hat der Gesetzgeber mit § 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BBergG der Bergbehörde ein verfahrensrechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das es ermöglicht, auch mit Blick auf die betroffenen Interessen Dritter der Funktion insbesondere des Rahmenbetriebsplans gerecht zu werden, die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens umfassend mit Blick auf die davon berührten öffentlichen und privaten Interessen Dritter zu prüfen.

21 Das beklagte Bergamt und die Beigeladene sind zu Unrecht der Auffassung, es sei nicht Aufgabe des Betriebsplanverfahrens, die Belange der betroffenen Grundeigentümer gegen die für das Vorhaben sprechenden Belange abzuwägen. Zwar trifft ihr Hinweis zu, schon in dem vorausgegangenen landesplanerischen Braunkohlenverfahren werde geprüft, ob das Vorhaben den Erfordernissen einer langfristigen Energieversorgung entspricht und ob die sozialen Belange der von der Umsiedlung Betroffenen sowie die Belange des Umweltschutzes der Verwirklichung des Vorhabens entgegenstehen (vgl. § 34 Abs. 5 LPlG NRW in der hier noch anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1994, GV. NW. S. 474). Der Braunkohlenplan enthält indes nur Ziele der Raumordnung und Landesplanung. Sie sichern das Gebiet gegen seine Inanspruchnahme für andere Nutzungen als den Braunkohleabbau. Erst mit der Zulassung von Betriebsplänen wird auch für den Bergbautreibenden verbindlich festgelegt, ob und in welchem Umfang ein Abbau zugelassen werden kann und damit verwirklicht werden darf. Weil § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG auf die Zulassung eines fakultativen Rahmenbetriebsplans im Sinne des § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG nicht anwendbar ist, ist der Bergbautreibende nach den bundesrechtlich abschließend geregelten Zulassungsvoraussetzungen nicht an die Ziele der Raumordnung gebunden, die in einem Braunkohlenplan aufgestellt sind. Ein großflächiger Tagebau kann nicht aufgrund eines Rahmenbetriebsplans und jeweils kurzfristig wirkender Hauptbetriebspläne ins Werk gesetzt werden, ohne dass die Bergbehörde zuvor festgestellt hätte, dass dem Vorhaben insgesamt keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. Soweit diese öffentlichen Interessen in einem landesplanerischen Braunkohlenverfahren ermittelt worden sind und in die Darstellung von Zielen der Raumordnung eingegangen sind, ist § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG die bundesrechtliche Norm, über welche die Ziele der Raumordnung für das Zulassungsverfahren verbindlich gemacht werden können.

22 Bei dem dargelegten Verständnis des objektiven Gehalts von § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG ist auch der einzelne Eigentümer in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen. Muss die Bergbehörde nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG eine beabsichtigte Gewinnung untersagen oder beschränken, weil die für sie erforderliche großflächige Inanspruchnahme von Grundstücken öffentlichen Interessen widerspricht, diente diese Untersagung oder Beschränkung der Zulassung gleichzeitig den Interessen des einzelnen Grundeigentümers, auf dessen Eigentum sonst zugegriffen werden müsste. Die öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG sind zugleich die Interessen, aus denen sein Grundstück nicht für das Vorhaben in Anspruch genommen werden darf. Der objektiv-rechtliche Gehalt des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG bewirkt somit einfachrechtlich einen vorgezogenen verfahrensrechtlichen Rechtsschutz.

23 Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Kläger benötige einen in § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu verankernden vorgezogenen Verfahrensrechtsschutz nicht, weil am Ende des Verfahrens nach dem Bundesberggesetz der Rechtsschutz gegen die Grundabtretung stehe. Damit wird verkannt, dass der Abstufung des bergrechtlichen Zulassungsverfahrens auch eine entsprechende Abstufung des Rechtsschutzes entspricht. Gehören zu den in § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG angesprochenen öffentlichen Interessen auch die Belange der Eigentümer, deren Grundstücke für die Verwirklichung des Vorhabens in Anspruch genommen werden müssen, enthält der Zulassungsbescheid eine Regelung auch ihnen gegenüber mit der Folge, dass sie den Zulassungsbescheid anfechten können. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans enthält mit Blick auf § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG die Feststellung, dass die beabsichtigte Gewinnung von Braunkohle nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen, also auch nicht unter Berücksichtigung des Eigentumsschutzes, zu beschränken oder zu untersagen ist. Diese Feststellung belastet den Kläger und stellt auch eine ihm gegenüber wirksame rechtliche Regelung dar. Daraus resultiert zwangsläufig die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO und des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

24 Im Übrigen wird die Nutzung der davon betroffenen Grundstücke auch schon vor ihrer Enteignung jedenfalls faktisch von der verbindlichen Feststellung geprägt, dass trotz großflächiger Inanspruchnahme von Grundstücken dem beabsichtigten Tagebau keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. Das räumt letztlich auch das beklagte Bergamt ein, wenn es auch die Ursache hierfür allein in dem Braunkohlenplan sieht. Zwar gewährt Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Schutz vor einer Veränderung der Umgebung eines Grundstücks. Bei dieser Argumentation übersehen das beklagte Bergamt und die Beigeladene aber, dass die Änderung der Umgebung hier allein auf die staatlich zugelassene Verwirklichung des Tagebaus zurückzuführen ist.

25 Der Möglichkeit einer Rechtsverletzung steht schließlich nicht entgegen, dass der Rahmenbetriebsplan selbst dem Bergbauunternehmen den Abbau der Braunkohle noch nicht gestattet, eine Gestattungswirkung vielmehr erst den noch zuzulassenden Hauptbetriebsplänen zukommt. Weil die Zulassung des Rahmenbetriebsplans die Feststellung enthält, dass das Gesamtvorhaben zulassungsfähig ist und nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen untersagt oder eingeschränkt werden darf, und diese Feststellung der Bestandskraft fähig ist, kann bei der Zulassung der Hauptbetriebspläne die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens - vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - nicht erneut in Frage gestellt werden. Dass die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans auch den betroffenen Eigentümer in dieser Weise binden kann, ergibt sich unmittelbar aus den Vorschriften des Bundesberggesetzes über die Beteiligung Drittbetroffener bei der Zulassung von Rahmenbetriebsplänen. Sie sehen eine materielle Präklusion des betroffenen Dritten mit Einwendungen vor, die er der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans hätte entgegenhalten können (§ 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BBergG).

26 Darüber hinaus ist die Zulassung des Rahmenbetriebsplans auch für das bergrechtliche Grundabtretungsverfahren nicht ohne Bedeutung, wenn ein betroffener Eigentümer an dem Zulassungsverfahren nach § 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BBergG beteiligt worden ist oder er die Zulassung auch ohne eine solche Beteiligung ergebnislos angefochten hat. In einem solchen Fall ist mit Blick auf § 77 Abs. 2 Satz 1 BBergG - wiederum vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - durch den bestandskräftigen Rahmenbetriebsplan festgestellt, dass das Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung und Betriebsführung entspricht und die Benutzung der Grundstücke für das Abbauvorhaben unter diesem Gesichtspunkt notwendig ist.

27 Das Berufungsurteil beruht auf der Annahme, der Kläger sei auch bei objektiver Rechtswidrigkeit des Zulassungsbescheids nicht in seinen Rechten verletzt. Es fehlen deshalb zwangsläufig Feststellungen, die eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zugelassenen Vorhabens ermöglichen. Namentlich ist der Zulassungsbescheid nicht allein deshalb rechtswidrig, weil das beklagte Bergamt die Belange der betroffenen Eigentümer tatsächlich nicht in seine Prüfung einbezogen hat, wie der Kläger geltend macht. Die Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplans ist eine gebundene Entscheidung. Sie ist nur dann rechtswidrig, wenn bei Einbeziehung der möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belange die begehrte Zulassung ganz oder teilweise hätte versagt werden müssen. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG räumt der Bergbehörde kein Ermessen ein, sondern ist eine Befugnisnorm (Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 26.03 - BVerwGE 123, 247 <254> = Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 6). Die nach § 48 Abs. 2 BBergG gebotene Abwägung unterliegt nicht den Grundsätzen der planerischen Gestaltungsfreiheit. Sie entspricht der gerichtlich voll überprüfbaren Abwägung im Rahmen eines unbestimmten Tatbestandsmerkmals.