Beschluss vom 29.06.2004 -
BVerwG 8 B 36.04ECLI:DE:BVerwG:2004:290604B8B36.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.06.2004 - 8 B 36.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:290604B8B36.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 36.04

  • VG Potsdam - 19.01.2004 - AZ: VG 9 K 32/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 431 987,95 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Weder weicht das angefochtene Urteil im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab oder beruht auf den gerügten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), noch hat die Sache die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Die Divergenzrüge ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6). Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, § 1 Abs. 3 VermG erfasse nur solche Maßnahmen, die auch ein staatstreuer und durch die allgemein herrschenden ideologischen Wertvorstellungen geprägter DDR-Bürger als missbräuchlich und sittenwidrig empfinden musste (UA S. 9). Diese Rechtsauffassung widerspricht der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Dort lautet die einschlägige Aussage wie folgt: "Ein derartiges qualifiziertes Einzelfallunrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang - gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorstellungen und den sie tragenden ideologischen Grundsätzen - 'alles mit rechten Dingen zugegangen' ist". Im Rahmen dieses Rechtssatzes hält sich die beanstandete Formulierung.
2. Die Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch. Sie wenden sich bei näherer Betrachtung gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts und setzen ihr eine andere Schlussfolgerung aus dem vorhandenen Tatsachenmaterial entgegen. Damit mögen sie geeignet sein, zwar die Rechtsfindung, nicht aber den Verfahrensgang ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann grundsätzlich ein Verfahrensfehler nicht begründet werden. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15). Der vermisste Antrag der Gemeinde Glienicke vom 10. Januar 1980 zum Aufbauplan befindet sich in Kopie auf Blatt 86 der Gerichtsakten und enthält die durch Stempelaufdruck vorgenommene Erklärung des Rates des Bezirks Potsdam zum Aufbaugebiet.
Auch der Einwand, keine Auskunft beim Landeshauptarchiv eingeholt zu haben, ist unbegründet. Einen entsprechenden förmlichen Beweisantrag hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Ob sich dem Verwaltungsgericht eine entsprechende Nachfrage von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, kann dahinstehen. Da der der Klägerin nachträglich erteilten Auskunft im Wesentlichen keine anderen Schriftstücke beigefügt waren, als die, welche bereits in den Verwaltungsvorgängen vorhanden sind (vgl. Beiakten Heft III - VG-Heftung - Bl. 9 ff.), beruht das angefochtene Urteil nicht auf der gerügten Unterlassung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
3. Der Sache fehlt es schließlich an der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung. Die als offen angesehene Frage, ob § 1 Abs. 3 VermG nur solche Maßnahmen erfasse, die auch ein staatstreuer und durch die allgemein herrschenden ideologischen Wertvorstellungen geprägter DDR-Bürger als missbräuchlich und sittenwidrig empfinden musste, ist durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (grundlegend Urteil vom 24. Juni 1993 - BVerwG 7 C 14.92 - Buchholz 428 § 28 VermG Nr. 1). Mit dem eingangs (unter 1.) wiedergegebenen Rechtssatz wird in bewusst weit gefasster Formulierung auf die Rechts- und Werteordnung in der ehemaligen DDR abgehoben. Maßstab ist der Normal-Bürger, der sich als Gewaltunterworfener an die von der DDR selbst gesetzten und nach außen hin deutlich gewordenen staatlichen Regelungen gehalten hat. Auf Wertevorstellungen im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ist eingedenk der Präambel zur Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (Anlage III zum Einigungsvertrag) nicht zurückgegriffen worden. Allerdings genügt auch eine punktuelle Sicht auf Vermögen entziehende Maßnahmen nicht, geboten ist eine kritische Gesamtschau der festgestellten Geschehensabläufe (Urteil vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 13, 14 GKG.