Beschluss vom 28.04.2009 -
BVerwG 1 WB 3.09ECLI:DE:BVerwG:2009:280409B1WB3.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.04.2009 - 1 WB 3.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:280409B1WB3.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 3.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Brigadegeneral Muntz und
den ehrenamtlichen Richter Major Löwa
am 28. April 2009 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen das ihm vom Bundesministerium der Verteidigung bekanntgegebene Ergebnis der Beratung der Perspektivkonferenz II im Jahr 2008, in der ihm (erneut) die individuelle Förderperspektive A 16 zuerkannt wurde.

2 Der 1952 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 29. Februar 2012 enden. Zum Oberst wurde er am 11. November 2003 ernannt. Zum 1. Oktober 1984 wurde er zum Amt für Militär... in M. versetzt. Er wird beim ...dienst verwendet und ist zurzeit in der Funktion eines Gruppenleiters beim Amt für Militär... eingesetzt.

3 Das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 2 - teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 mit, die Perspektivkonferenz II im Jahr 2008 beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis habe ihm die individuelle Förderperspektive A 16 zuerkannt. Diese individuelle Förderperspektive werde grundsätzlich im Abstand von zwei Jahren überprüft und bei Bedarf aktualisiert. Das Ergebnis der Perspektivkonferenz wurde dem Antragsteller am 12. November 2008 mit „Ergänzenden Erläuterungen zu den Perspektivkonferenzen“ eröffnet.

4 Mit Schreiben vom 17. November 2008 erklärte der Antragsteller gegenüber seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten, dass er die ihm zuerkannte individuelle Förderperspektive nicht anerkenne. Die Behandlung in einer Perspektivkonferenz II setze noch eine mindestens fünfjährige weitere Verwendung voraus. Im Jahr 2007 habe er sich gegen seine Ausgrenzung aus der damaligen Beurteilungsrunde mit der Begründung gewandt, es liege für ihn nur noch eine Beurteilung vom 28. August 2003 vor. Diese reflektiere lediglich seine Verwendung als Stellvertretender Gruppenleiter in der Besoldungsgruppe A 15. Seine diesbezügliche Beschwerde sei durch Beschwerdebescheid vom 3. Mai 2007 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die Möglichkeit einer Einbeziehung in die Perspektivkonferenz II mit dem 29. Februar 2008 verfalle und sich deshalb eine Beurteilung nicht mehr auswirken könne. Da nach den ihm überreichten „Ergänzenden Erläuterungen zu den Perspektivkonferenzen“ auch Beurteilungen heranzuziehen seien, in seinem Fall jedoch keine aktuelle Beurteilung vorliege, könne die Perspektivkonferenz aus seiner Sicht nur zu einer willkürlichen Festlegung gelangt sein.

5 Dieses Schreiben hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - als Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2009 dem Senat vorgelegt.

6 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Er betrachte seine Einbeziehung in die Perspektivkonferenz II vom Herbst 2008 als rechtswidrig, weil für ihn keine aktuelle Beurteilung vorgelegen habe. In den beiden vorangehenden Beurteilungsrunden sei er nicht beurteilt worden; seine letzte Beurteilung aus dem Jahr 2003 reflektiere lediglich seine Leistungen als Dezernatsleiter. Zweck seiner Intervention sei es, infolge des rechtswidrigen Perspektivkonferenzergebnisses seinen Ausschluss von Besetzungsplanungen für Dienstposten der Besoldungsgruppe B 3 zu vermeiden. Nach der Umorganisation des Amtes für Militär... im Jahr 2008 sehe er sich aufgrund seiner bisher wahrgenommenen Tätigkeiten und Leistungen für einen speziellen Bereichsleiterdienstposten der Besoldungsgruppe B 3 als besonders prädestiniert.

7 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

8 Er hält den Antrag für unzulässig, weil die Ergebnisse der Beratungen in einer Perspektivkonferenz als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung im Rahmen der Vorbereitung von Personalentscheidungen noch nicht unmittelbar die Rechte eines Soldaten berührten. Diese Ergebnisse stellten deshalb keine anfechtbaren Maßnahmen dar.

9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - ... - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

10 Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt.

11 Sein Vorbringen ist sach- und interessengerecht dahin auszulegen, dass er beantragt, die ihm in der Perspektivkonferenz II im Jahr 2008 zuerkannte individuelle Förderperspektive A 16 (mitgeteilt durch Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 - vom 31. Oktober 2008) aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seine individuelle Förderperspektive neu entscheiden zu lassen.

12 Dieser Antrag ist unzulässig, weil er nicht eine gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WBO anfechtbare Maßnahme betrifft.

13 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Perspektivkonferenz II beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis für die Beratungen zur Festlegung und Überprüfung der individuellen Förderperspektive ab der Besoldungsgruppe A 16 auch für die im ...dienst als Dauerverwender eingesetzten Offiziere zuständig ist (Nr. 4.5 der Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium der Verteidigung über die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr mit dem ...dienst <Einzelvereinbarung Angelegenheiten des Personals> vom 27. Juli 2005).

14 Die Ergebnisse der Beratungen von Perspektivkonferenzen und die Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine - gerichtlich isoliert angreifbaren - Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO, weil sie als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung im Rahmen der Vorbereitung von Personalentscheidungen noch nicht unmittelbar die Rechte eines Soldaten berühren (Beschlüsse vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 34.05 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 59 = NZWehrr 2006, 209, vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 128, 329 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41>, vom 30. April 2008 - BVerwG 1 WB 44.07 - und vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 69.08 und 1 WB 74.08 -).

15 Mit gerichtlicher Verfügung vom 30. Januar 2009 ist der Antragsteller auf diese Rechtsprechung hingewiesen worden. An ihr hält der Senat fest.

16 Nach der „Richtlinie für die Durchführung von Perspektivberatungen der Berufsoffiziere des Truppendienstes, des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr“ des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 1 - Az.: 16-30-00 vom 7. August 2003 (Schnellbrief R 6/03), Abschnitt I Nr. 5, dienen Perspektivkonferenzen „einer individuellen Potenzialabschätzung und der Feststellung der individuellen Förderperspektive auf der Grundlage des bis dahin gezeigten Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsbildes der zu betrachtenden Berufsoffiziere“. Darüber hinaus sollen sie „eine zeitgerechte Identifizierung von Berufsoffizieren mit Potenzial für Spitzenverwendungen“ ermöglichen. Sie werden durchgeführt, „um Auswahlentscheidungen für die Besetzung von Dienstposten vorzubereiten“. Nach der genannten Richtlinie handelt es sich damit bei den Ergebnissen einer Perspektivkonferenz lediglich um Vorbereitungshandlungen, die noch keine Entscheidungen über die Besetzung eines konkreten Dienstpostens beinhalten und auch sonst keine unmittelbaren Wirkungen für die Rechtssphäre eines Soldaten haben.

17 Auch aus der „Richtlinie für die langfristige Verwendungsplanung der Berufsoffiziere des Truppendienstes, des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr“ des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 1 - Az.: 16-30-00 vom 7. August 2003 (Schnellbrief R 5/03) ergibt sich, dass Perspektivkonferenzen lediglich der individuellen Potenzialabschätzung aufgrund der Eignung, der Fähigkeiten und der bis dahin gezeigten Leistungen der zu betrachtenden Berufsoffiziere dienen (Nr. 4.1.2 der Richtlinie) und die in Perspektivkonferenzen festgestellte individuelle Förderperspektive nur die Grundlage für die individuelle Verwendungsplanung darstellt; die Ergebnisse von Perspektivkonferenzen begründen insoweit kein Anrecht auf Verwendungsentscheidungen für höhere Dotierungshöhen (Nr. 4.2 der Richtlinie). Auch nach diesen Vorschriften handelt es sich bei den Beratungen und Ergebnissen einer Perspektivkonferenz nur um vorbereitende Handlungen für später zu treffende konkrete Verwendungsentscheidungen.

18 Gleiches ergibt sich aus der „Teilkonzeption Personalmanagement der Bundeswehr“ des Bundesministeriums der Verteidigung (PSZ I 1 - Az.: 09-10-10/8) vom 2. April 2004 (Nr. 2.4.4.3, Seite 25 f.). Danach ist die individuelle Förderperspektive, die bei Berufssoldatinnen und Berufssoldaten in regelmäßig stattfindenden Perspektivkonferenzen festgelegt wird und das Ergebnis eines umfassenden ganzheitlichen Eignungs- und Leistungsvergleichs darstellt, so frühzeitig und differenziert zu bestimmen, dass „zeitgerecht die Planung und Einsteuerung in die verschiedenen Dotierungshöhen und entsprechende Verwendungen erfolgen kann“. Die „so festgestellte individuelle Förderperspektive ist die Grundlage für die individuelle Verwendungsplanung“. Sie bildet damit „regelmäßig die Basis, ist jedoch kein Präjudiz für Verwendungsentscheidungen“. Sie begründet überdies „weder einen Anspruch auf entsprechende Verwendungen noch ergibt sich daraus ein genereller Ausschluss von zukünftigen entsprechenden Verwendungen“.

19 Der Antragsteller verkennt in diesem Zusammenhang, dass in den Perspektivkonferenzen nicht über die Besetzung bestimmter Dienstposten entschieden wird und die Konferenzergebnisse auch nicht bestimmte Verwendungsentscheidungen präjudizieren.

20 Da die Beratungen und Ergebnisse der Perspektivkonferenzen demnach keine gesondert anfechtbaren Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 WBO darstellen, gilt dies ebenso für die vom Antragsteller gerügte „Einbeziehung“ in die Perspektivkonferenz II im Jahr 2008. Die Einbeziehung von Soldaten in eine derartige Perspektivkonferenz ist als Vorstufe zu einer Vorbereitungshandlung erst recht nicht isoliert mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 WBO angreifbar.

21 Weder Art. 33 Abs. 2 GG noch § 3 Abs. 1 SG oder das Rechtsstaatsprinzip gebieten die selbstständige Anfechtbarkeit der Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive. Das Prinzip der Bestenauslese und die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens wirken zwar auch auf die Vorbereitung militärischer Verwendungsentscheidungen ein; diesem Zweck dienen ersichtlich die zitierten Richtlinien und die „Teilkonzeption Personalmanagement der Bundeswehr“. Hieraus folgt jedoch nicht, dass auch der Rechtsschutz des Soldaten entsprechend vorzuverlagern wäre. Es genügt - auch unter dem Blickwinkel der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) -, dass der Soldat gegen eine ihn belastende Verwendungsentscheidung zugunsten eines Konkurrenten oder gegen die Ablehnung eines eigenen Antrags auf eine bestimmte - förderliche - Verwendung im Wehrbeschwerdeverfahren vorgehen kann und in diesem Rahmen gegebenenfalls auch überprüft wird, ob die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive, soweit sie bei der Verwendungsentscheidung eine entscheidungserhebliche Rolle gespielt hat, rechtmäßig war und ohne Verfahrensfehler erfolgte (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 69.08 und 1 WB 74.08 -).

22 Dem Antragsteller bleibt unbenommen, seine Versetzung auf den von ihm angestrebten speziellen Bereichsleiterdienstposten der Besoldungsgruppe B 3 im Amt für Militär... zu beantragen und im Falle der Ablehnung dieses Versetzungsantrages ein Wehrbeschwerdeverfahren einzuleiten. In diesem Verfahren könnte u.a. auch geprüft werden, ob eine eventuelle Ablehnungsentscheidung auf einer hinreichend aktuellen Beurteilungsgrundlage getroffen worden ist. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat insoweit im Schriftsatz vom 16. März 2009 ausdrücklich erklärt, dass der Antragsteller (ungeachtet der ihm zuerkannten individuellen Förderperspektive) nicht von der Betrachtung für den von ihm angestrebten Bereichsleiterdienstposten ausgeschlossen sei.

23 Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.