Beschluss vom 27.12.2007 -
BVerwG 8 B 42.07ECLI:DE:BVerwG:2007:271207B8B42.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 42.07

  • VG Gera - 14.11.2006 - AZ: VG 3 K 1755/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsfähige und klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufwirft, die in einem künftigen Revisionsverfahren zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts beantwortet werden kann. Eine derartige klärungsbedürftige Rechtsfrage wird mit dem Vorbringen der Beschwerde zur Grundsatzrüge nicht aufgeworfen. Die aufgeworfenen Fragen:
Stellt das Fürstenenteignungsgesetz (FEG) eine besatzungshoheitliche Enteignungsgrundlage dar oder handelt es sich um eine deutschrechtliche Regelung, weil das FEG wegen Verstoßes gegen den SMAD-Befehl Nr. 64 Ziff. 5 vom 17. April 1948 nicht von der eingeschränkten Gesetzgebungskompetenz auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 110 gedeckt ist?
Und ob der SMAD-Befehl Nr. 64 Ziff. 5 dem FEG die besatzungshoheitliche Grundlage entzogen hat?
und:
Weicht das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera von dem Grundgedanken des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 11. Juni 1992 ab, wonach dem Berliner Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949 durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 nicht die besatzungshoheitliche Grundlage entzogen wurde, weil der SMAD-Befehl Nr. 64 nicht in Berlin (Ost) gegolten habe, sondern nur in den Ländern und Provinzen der sowjetisch besetzten Zone?
und:
Ist hieraus der Umkehrschluss zu ziehen, dass dort, wo der SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 gegolten hat, späteren Enteignungsgesetzen die besatzungshoheitliche Grundlage entzogen wurde?
ferner:
Wäre die besatzungshoheitliche Grundlage des FEG nur dann gegeben, wenn trotz Verstoßes gegen den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 - vergleichbar mit dem Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949 in Berlin (Ost) - eine ausdrückliche Genehmigung durch die sowjetische Besatzungsmacht vorgelegen hätte oder reicht bloße Untätigkeit der Besatzungsmacht aus?
werden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Enteignungsverbot im Befehl der SMAD Nr. 64 (Zentralverordnungsblatt Jahrgang 1948, Nr. 15, S. 140 <vgl. hierzu: Urteil des Senats vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 8 C 25.05 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 34>) bezieht sich nur auf den Befehl der SMAD Nr. 124 vom 30. Oktober 1945, der „nunmehr nach seiner Durchführung außer Kraft gesetzt und jegliche weitere Sequestrierung von Eigentum auf Grund des erwähnten Befehls“ verbietet. Auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 wurde u.a. das Vermögen der „Nazi- und Kriegsverbrecher“, das in der sowjetischen Besatzungszone belegen war, beschlagnahmt, listenmäßig erfasst und gemäß den Beschlüssen der Länderregierung enteignet und in den Besitz des Volkes übergeführt. Mit dem in Ziff. 5 des Befehls Nr. 64 der SMAD ausgesprochenem Verbot der weiteren Sequestrierung von Eigentum auf der Grundlage des Befehls der SMAD Nr. 124 hat die sowjetische Besatzungsmacht ausdrücklich entschieden, dass weitere Enteignungen von Vermögenswerten, die bis zum Inkrafttreten des Befehls Nr. 64 noch nicht aufgrund des früheren Befehls Nr. 124 beschlagnahmt worden waren, nicht mehr ihrem Willen entsprachen und verboten waren.

3 Die Einstellung der Rentenzahlung an die Rechtsvorgängerin des Klägers, die aufgrund des Schiedsspruchs vom 9. Februar 1930 vereinbart worden war, hat aber mit dem SMAD-Befehl Nr. 124 nichts zu tun und stellt rein inhaltlich schon keine Sequestrierung von Eigentum dar; vielmehr handelt es sich um eine Beendigung einer Geldzahlung, die offenbar schon unmittelbar nach Kriegsende angeordnet war, wie aus der Begründung zum Fürstenenteignungsgesetz hervorgeht (vgl. auch den stenografischen Bericht über die 53. Sitzung des Thüringer Landtages S. 1490, 1492). Da sich der SMAD-Befehl Nr. 124 aber nicht zur Rentenzahlung verhält, kann dessen Aufhebung durch den Befehl Nr. 64 auch keine Rolle in einem Revisionsverfahren spielen.

4 Ebenso wenig kommt es dann auf die Frage an, ob es sich irgendwie auf das Verfahren auswirken kann, dass der SMAD-Befehl Nr. 64 nicht in allen Teilen der sowjetischen Besatzungszone, insbesondere nicht in Ost-Berlin gegolten haben soll. Nach Ziff. 1 des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 war das Vermögen, das sich auf dem von der Roten Armee besetzten Gebiet befand, und das dem deutschen Staat und seinen zentralen und örtlichen Organen oder Amtspersonen der NSDAP, den Militärbehörden, den Regierungen und Personen, die vom sowjetischen Militärkommando in besonderen Verzeichnissen oder auf anderem Weg angegeben wurden etc., als unter Sequester befindlich erklärt worden. Geldforderungen gehörten hierzu erkennbar nicht.

5 Aber auch die Auffassung des Klägers, dass Ansprüche auf Rentenzahlungen gegen den Staat unter den Anwendungsbereich des Befehls Nr. 124 und damit der Ziff. 5 des Befehls Nr. 64 fallen, würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Anordnung der Einstellung der Rentenzahlungen nach Kriegsende kann der Sache nach als eine Maßnahme angesehen werden, die in ihrer Wirkung einer Sequestrierung vergleichbar ist. Anders als Geldforderungen gegen Dritte werden Ansprüche gegen den Staat der Verfügungsbefugnis des Forderungsinhabers entzogen, wenn die Einstellung der Leistungen angeordnet ist, ohne dass der Forderungsinhaber unter den damaligen Verhältnissen die Möglichkeit hatte, die Befriedigung der Forderung durchzusetzen. Insofern würde Ziff. 5 des Befehls Nr. 64 nicht zur Anwendung kommen, da es bereits vor dem Inkrafttreten des Befehls zu einer „Sequestrierung“ gekommen war.

6 2. Auch die Divergenzrüge des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO greift nicht durch. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenzrüge gehört u.a. die Darlegung, mit welchem das angefochtene Urteil unmittelbar tragenden, abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht von einem ebensolchen Rechtssatz in der zu benennenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist. Das Verwaltungsgericht hat aber keinen von der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefolgt und hat diese seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Zum SMAD-Befehl Nr. 64 und den darin enthaltenen Sequestrierungs- und Enteignungsverbot nimmt das Verwaltungsgericht im Übrigen keine Stellung.

7 3. Auch der von der Beschwerde gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Beschwerde meint, das verwaltungsgerichtliche Urteil verstoße gegen „elementare Denkgesetze“, da es nicht den Rechtscharakter des Fürstenenteignungsgesetzes geprüft habe im Hinblick darauf, ob dieses Gesetz überhaupt besatzungshoheitlich sei, sondern setze sich mit dieser Frage „nicht im entferntesten“ auseinander. Gleichwohl stufe es dann die auf diesem Gesetz beruhenden Enteignungen als besatzungshoheitlich ein. Damit legt die Beschwerde aber nicht dar, dass das Verwaltungsgericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, was Voraussetzung für eine erfolgreiche Rüge des Verstoßes gegen die Denkgesetze ist.

8 Von einer weiteren Begründung des Beschlusses sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzung beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbs. VwGO).

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.