Beschluss vom 27.05.2004 -
BVerwG 1 B 233.03ECLI:DE:BVerwG:2004:270504B1B233.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.05.2004 - 1 B 233.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:270504B1B233.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 233.03

  • VGH Baden-Württemberg - 25.06.2003 - AZ: VGH 13 S 2767/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Mai 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde, die auf Verfahrensfehler gestützt wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), ist unbegründet.
Die Beschwerde rügt zunächst als verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht im Tatbestand seines Urteils eine Erklärung des Klägers, eines äthiopischen Staatsangehörigen, der nach erfolglosem Ausgang seines Asylverfahrens eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbefugnis begehrt, wiedergegeben habe, die dieser "so" nicht gemacht habe. Entgegen der Feststellung im angefochtenen Urteil (UA S. 7) habe der Kläger nicht erklärt, "er weigere sich, einen äthiopischen Anwalt mit der Beschaffung einer Geburtsurkunde zu beauftragen oder überhaupt bei der Beschaffung einer Geburtsurkunde mitzuwirken" (Beschwerdebegründung S. 2 unten).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine (etwaige) Unrichtigkeit tatsächlicher Feststellungen eines Urteils bzw. eine unzutreffende Darstellung im Tatbestand eines Urteils keinen Verfahrensmangel darstellt; gemäß § 119 VwGO kann sie nur mittels eines fristgebundenen Antrags auf Berichtigung des Urteilstatbestandes geltend gemacht werden (vgl. Beschluss vom 7. Juni 1989 - BVerwG 2 B 70.89 - Buchholz 310 § 119 VwGO Nr. 5; Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10, jeweils m.w.N.). Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass ein solcher Berichtigungsantrag vom Kläger gestellt worden wäre.
Die Beschwerde hat auch nicht mit der Rüge der "Aktenwidrigkeit" Erfolg. Die insoweit gerügte Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG entspricht bereits nicht den Anforderungen an die Darlegung dieser Zulassungsgründe nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt aktenwidrig festgestellt, setzt nämlich einen "zweifelsfreien", also ohne weitere Beweiserhebung offensichtlichen Widerspruch zwischen den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt voraus. Dieser ist dazulegen (vgl. Beschlüsse vom 16. März 1999 - BVerwG 9 B 73.99 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 7 und vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 m.w.N.). Hier fehlt es bereits an der Darlegung des unumstrittenen Akteninhalts. Die Behauptung, es sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Rede davon gewesen, dass der Kläger die Möglichkeit habe, sich wegen einer Geburtsurkunde an einen Anwalt in Addis Abeba zu wenden (Beschwerdebegründung S. 3 oben), trifft jedenfalls nicht zu. Bereits das Verwaltungsgericht in dem erstinstanzlichen Urteil vom 24. April 2002 hat den Kläger darauf hingewiesen, dass er substantiiert darzulegen habe, warum er eine "Geburtsurkunde nicht durch andere Bezugspersonen (z.B. auch durch einen Anwalt)" beschaffen könne (UA S. 9). Zudem hat das beklagte Landratsamt schon im Verfahren der Berufungszulassung mit Schriftsatz vom 9. September 2002 (VGH-Akte Bl. 61 f.) vorgetragen, der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm die Beschaffung einer Geburtsurkunde, "etwa über Bevollmächtigte im Herkunftsland", tatsächlich unmöglich sei. Die Beschwerde bestätigt vielmehr der Sache nach die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger sich in der Berufungsverhandlung geweigert habe, dem Beklagten eine Vollmacht zu erteilen, damit dieser den Versuch unternehmen könne, unter Einschaltung eines äthiopischen Vertrauensanwaltes eine Geburtsurkunde für den Kläger zu beschaffen. Denn sie weist darauf hin, dass bei Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Berufungsverhandlung erklärt worden war, dass vom Kläger nicht verlangt werden könne, eine Vollmacht zu erteilen (Beschwerdebegründung S. 3 oben). Die Aktenwidrigkeit gerichtlicher Feststellungen kann so nicht aufgezeigt werden.
Die von der Beschwerde weiter gerügte, darüber hinausgehende Gehörsverletzung (Beschwerdebegründung S. 6) liegt nicht vor. Die Beschwerde macht sinngemäß geltend, der Kläger habe aufgrund des Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens nicht damit rechnen müssen, dass das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen würde, für die Ausstellung eines Reisepasses durch äthiopische Behörden könne allein die Vorlage einer Geburtsurkunde ausreichen. Dem ist nicht zu folgen. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer schriftlichen und einer in der Berufungsverhandlung - in Anwesenheit des Klägers - eingeholten mündlichen Auskunft des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - angenommen, es sei nicht ausgeschlossen, dass dem Kläger bei einer erneuten freiwilligen Vorsprache auf der Äthiopischen Botschaft unter Vorlage einer Geburtsurkunde ein Reisepass ausgestellt werde. Bei der gegebenen Beweislage und bei der vom Berufungsgericht festgestellten Weigerung des Klägers, sich um eine Geburtsurkunde zu bemühen, musste ein verständiger Prozessbeteiligter damit rechnen, dass das Berufungsgericht gemäß § 30 Abs. 4 AuslG annehmen würde, der Kläger weigere sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung seiner Passlosigkeit und damit des streitigen Abschiebungshindernisses zu erfüllen.
Soweit die Beschwerde darüber hinaus einen Aufklärungsmangel rügt, ist dieser schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Die Beschwerde führt in diesem Zusammenhang aus, das Berufungsgericht hätte den in Form einer amtlichen Auskunft durch einen Vertreter der Bezirksstelle für Asyl in der Berufungsverhandlung geschilderten Fällen - wonach eine Passerteilung ohne Beibringung von Zeugen, lediglich auf Vorlage einer Geburtsurkunde nicht ausgeschlossen sei - weiter nachgehen müssen. Die Beschwerde geht bereits von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Bei der Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist die materiellrechtliche Auffassung des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, maßgebend. Das Berufungsgericht hat angenommen, Mitwirkungshandlungen - hier zunächst zur Beschaffung einer Geburtsurkunde - seien dem Kläger nur dann nicht zumutbar im Sinne des § 30 Abs. 4 AuslG, wenn sie von vornherein aussichtslos seien. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung, aufgrund der festgestellten Weigerung des Klägers, sich um eine Geburtsurkunde zu bemühen, und angesichts der Auskunft der Bezirksstelle für Asyl, aufgrund der Passerteilungspraxis der Äthiopischen Botschaft sei nicht auszuschließen, dass dem Kläger bei Vorlage einer Geburtsurkunde ein Reisepass ausgestellt würde, ergibt sich nicht, dass sich dem Berufungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts in dem von der Beschwerde angesprochenen Tatsachenkomplex aufdrängen musste.
Soweit die Beschwerde sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wendet, macht sie keinen Verfahrensmangel geltend, sondern die Verletzung materiellen Rechts. Auch dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.