Beschluss vom 27.03.2003 -
BVerwG 1 B 190.02ECLI:DE:BVerwG:2003:270303B1B190.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.03.2003 - 1 B 190.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:270303B1B190.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 190.02

  • Hessischer VGH - 08.04.2002 - AZ: VGH 5 UE 4731/96.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. März 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M a l l m a n n , H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. April 2002 wird verworfen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerde-verfahrens.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie bezeichnet den allein von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund des Verstoßes gegen Verfahrensrecht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise.
Die Beschwerde rügt zunächst als verfahrensfehlerhaft, das Berufungsgericht habe gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, indem es lediglich die aktuelle Entwicklung bis in die zweite Januarhälfte 2002 hinein berücksichtigt und allgemein zugängliches Pressematerial zur weiteren Entwicklung nicht berücksichtigt habe. Darüber hinaus habe u.a. hinsichtlich einer Reihe von im Einzelnen bezeichneten Tatsachenkomplexen, auf die der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. Oktober 2001 eingehe, weiterer Aufklärungsbedarf bestanden. Hiermit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde nicht auf, inwiefern sich dem Berufungsgericht eine ergänzende Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf den dem Prozessbevoll-
mächtigten der Kläger und den übrigen Beteiligten bekannten Beschluss vom 30. Januar 2003 - BVerwG 1 B 206.02 - Bezug genommen.
Die Beschwerde rügt darüber hinaus einen Verstoß gegen das Gebot der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit das Gericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Frage, ob dem Kläger im Süden und Westen Sri Lankas eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe, aufgrund der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. Februar 2002 davon ausgehe, dass die kostenlose Behandlung des - unter schwerwiegenden Erkrankungen leidenden - Klägers gewährleistet sei. Das Gebot der freien Beweiswürdigung verlange, dass die Instanzgerichte ihrer Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legten. Es sei verletzt, wenn das Instanzgericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehe und insbesondere Umstände übergehe, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. Hier hätte sich das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Gesundheitsgefährdung des Klägers eingehend mit den der erwähnten Auskunft des Auswärtigen Amtes "diametral entgegengesetzten Bekundungen des Sachverständigen Keller-Kirchhof in seinem Gutachten vom 30. April 2001 ... auseinander setzen müssen", soweit es um die angebliche Kostenfreiheit der staatlichen Gesundheitsfürsorge gehe. Das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung gewichtige Tatsachen unerwähnt gelassen, was dafür spreche, dass es diese entweder nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in Erwägung gezogen habe.
Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde den behaupteten Verfahrensverstoß nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend auf. Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzurechnen; mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann daher regelmäßig - und so auch hier - ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266).
Die Beschwerde macht auch nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist oder seine (verfahrensrechtliche) Pflicht zur Begründung seiner Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verletzt hat. Aus der Tatsache, dass im Berufungsurteil das in Rede stehende Sachverständigengutachten nicht ausdrücklich erwähnt wird, kann nicht geschlossen werden, dass das Berufungsgericht dieses Gutachten nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. Hiergegen spricht vielmehr der Umstand, dass das Berufungsgericht die Sache in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2001 gerade im Hinblick auf die Vorlage des Gutachtens vom 30. April 2001 vertagt hat und auf die Niederschrift über die damalige mündliche Verhandlung im Tatbestand des Berufungsurteils Bezug genommen wird (UA S. 6). Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass eine kostenlose Behandlung und Versorgung mit Medikamenten weiterhin gewährleistet ist, stützt es sich auf die von ihm hierzu eingeholte und als eindeutig angesehene Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. Februar 2002 (UA S. 75 f.). Die anschließenden Darlegungen des Berufungsgerichts, dass es die vom Bevollmächtigten des Klägers geäußerten Zweifel nicht teile und dass der Bevollmächtigte keine eigenen, der Feststellung des Auswärtigen Amtes widersprechenden Anhaltspunkte für Zweifel vorgetragen habe, stellen tatrichterliche Wertungen dar, die keine Anhaltspunkte dafür bieten, dass das Berufungsgericht das Gutachten vom 30. April 2001 nicht (mehr) in seine Erwägungen einbezogen hat. Im Übrigen sind die in diesem - die Klägerin betreffenden - Gutachten enthaltenen allgemeinen Ausführungen zur Kostenfreiheit der Gesundheitsversorgung wenig konkret. Soweit die Beschwerde schließlich geltend macht, die in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. Februar 2002 hinsichtlich der kostenfreien Behandlung enthaltene Aussage könne das Berufungsgericht insoweit nicht geleitet haben, da die gleiche Aussage "im Grunde" bereits im Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Colombo vom 22. November 2001 enthalten gewesen sei und das Berufungsgericht damals offensichtlich nicht überzeugt habe, trifft dies nicht zu. Die Frage des Berufungsgerichts, ob die Erfüllung eines rechtlichen Anspruchs auf kostenfreie Behandlung angesichts der finanziellen Schwierigkeiten des srilankischen Staates auch noch faktisch gewährleistet sei, wurde in diesem Schreiben nicht hinreichend beantwortet (vgl. auch die erneute Anfrage des Berufungsgerichts vom 19. Februar 2002).
Ohne Erfolg macht die Beschwerde schließlich als Verfahrensmangel geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht über die Frage von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG entschieden. Insoweit wird auf den den Beteiligten ebenfalls bekannten Beschluss vom 30. Januar 2003 - BVerwG 1 B 172.02 - Bezug genommen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.