Beschluss vom 22.07.2009 -
BVerwG 5 PKH 11.09ECLI:DE:BVerwG:2009:220709B5PKH11.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2009 - 5 PKH 11.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:220709B5PKH11.09.0]

Beschluss

BVerwG 5 PKH 11.09

  • VGH Baden-Württemberg - 17.03.2009 - AZ: VGH 13 S 3209/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:

Der Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe für ihre Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. März 2009 zu bewilligen und Rechtsanwalt ... beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1 Den Klägern kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Rechtsanwalt nicht beigeordnet werden; denn die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Ein Grund für die Zulassung der Revision nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 VwGO besteht nicht.

2 1. Es bestehen keine hinreichenden Aussichten darauf, dass die Revision wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist.

3 Es kann offen bleiben, ob die Beschwerde überhaupt den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) hinsichtlich des Zulassungsgrundes der Grundsatzbedeutung genügt und ob die zur Anwendung und Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG aufgeworfenen Fragen, soweit sie überhaupt Rechtsfragen betreffen, sich ohne Weiteres im Wege der Gesetzesauslegung oder auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lassen, ohne dass es hierfür eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Beschwerde kann jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil das Beschwerdevorbringen nicht berücksichtigt, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung auf mehrere jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann in Fällen, in denen ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbständig tragende Begründungen gestützt ist, die Revision gegen dieses Urteil nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl. Beschlüsse vom 17. April 1985 - BVerwG 3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53, vom 24. Mai 2007 - BVerwG 4 BN 16.07 u.a. - BauR 2007, 2041 und vom 2. Dezember 2008 - BVerwG 5 B 60.08 -). Das ist hier nicht der Fall.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat dahin entschieden, dass die Kläger den von ihnen geltend gemachten Anspruch nicht auf die ihnen gegenüber gemachten unanfechtbar gewordenen Einbürgerungszusicherungen vom 11. September 2006 stützen können, in denen die Einbürgerung ausdrücklich davon abhängig gemacht worden sei, dass die Kläger den Nachweis erbringen, die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren zu haben (Entscheidungsgründe 1.). In diesem Zusammenhang ist auch ausgeführt worden, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestünden, dass es den Klägern von vornherein unzumutbar bzw. sogar unmöglich sein würde, einen für den Erhalt einer diesbezüglichen Erklärung (zum Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit) erforderlichen Identitätsnachweis zu beschaffen. Weiterhin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt (Entscheidungsgründe 2.), dass die Kläger einen Einbürgerungsanspruch auch nicht unmittelbar aus § 8 oder § 10 StAG herleiten können, weil dem Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG entgegenstehe, dass die Kläger ihre Staatsangehörigkeit nicht aufgeben oder verlieren (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG (Buchst. a), sie nicht die für eine Einbürgerung nach § 8 StAG erforderlichen Mindestaufenthaltszeiten erfüllten (Buchst. b), der Einbürgerung weiter entgegenstehe, dass die Identität der Kläger nicht gesichert sei (Buchst. c) und - hinsichtlich der Kläger zu 1 und 2 - jedenfalls diese nicht in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt und den ihrer unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zu sichern (Buchst. d).

5 Die von den Klägern im Rahmen der Grundsatzrüge aufgeworfenen Fragen,
„ob die nach dem Heimatrecht des jeweils Einzubürgernden zu beurteilende Aufgabe oder Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit von der deutschen Einbürgerungsbehörde und den deutschen Gerichten zu beurteilen ist und ob die Einbürgerungsbehörden bzw. Gerichte befugt sind, hier ausländisches Recht nach ihren Vorstellungen und deutschen rechtlichen Grundsätzen auszulegen, oder ob die Einbürgerungsbehörden und auch die Gerichte an die durch äthiopische Behörden erfolgte Auslegung des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes gebunden sind, hilfsweise inwieweit Behörden und Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland diese konkreten Aussagen zum äthiopischen Staatsangehörigkeitsrecht einer äthiopischen Behörde und einer äthiopischen Auslandsvertretung zumindest bei einer möglichen Auslegung des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes zu berücksichtigen haben.“ (Schriftsatz vom 8. Juni 2009, S. 2),
„ob zumindest bei der Auslegung der Artikel 19 und 20 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die Bescheinigung der äthiopischen Botschaft vom 31.05.2006 berücksichtigt werden muss, und zwar von dem eindeutigen Wortlaut der Äußerungen der äthiopischen Behörden, oder ob tatsächlich entgegen diesem eindeutigen Wortlaut das Gericht hier in Deutschland diese Auslegung missachten kann und dagegen eine völligkommend entgegengesetzte Auslegung fremden Rechtes vornimmt, ja selbst den eigentlich eindeutigen Wortlaut der Äußerung der äthiopischen Behörden anderes interpretiert, als der eindeutige Wortlaut aussagt“ (Schriftsatz vom 8. Juni 2009, S. 4 f.)
und
„ob bei der Auslegung des Artikel 19 und Artikel 20 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die deutsche Behörde und die deutschen Verwaltungsgerichte, soweit sie fremdes Recht auslegen können und dürfen, dann aber mit dem entsprechenden Gewicht schriftliche Äußerungen äthiopischer Behörden über die Auslegung des Gesetzes zu beachten haben und/oder inwieweit sie andernfalls verpflichtet sind, entsprechend einer ordnungsgemäßen Auslegung deutschen Rechts ebenfalls die Gesetzesmaterialien und die Rechtsprechung des ausländischen Staates über das Staatsangehörigkeitsgesetz mit in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen“ (Schriftsatz vom 8. Juni 2009, S. 5).
betreffen - wie die Kläger selbst hervorheben - ausschließlich die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, dass der Einzubürgernde seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Insbesondere beziehen sich diese Fragen nicht auf die das Ergebnis selbständig tragende Begründung (Buchst. c), die Identität der Kläger stehe nicht mit der für eine Einbürgerung erforderlichen Gewissheit fest. Im Übrigen beziehen sich die zweite und dritte Frage im Kern auf die Auslegung und Anwendung ausländischen Rechts und damit revisionsrechtlich auf Tatsachenfragen (vgl. dazu auch die Zitate nachfolgend unter 2.2).

6 2. Hinreichende Erfolgsaussichten ergeben sich auch nicht mit Blick auf die weiterhin erhobene Verfahrensrüge, mit der die Kläger eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend machen.

7 2.1. Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe das rechtliche Gehör auch dadurch verletzt, dass er sich auf den Standpunkt gestellt habe, „zum einen stehe der Einbürgerung eine mangelnde Sicherung der Identität entgegen und die Eltern seien nicht in der Lage, die gesamte Familien zu unterhalten“, genügt jedenfalls hinsichtlich der Frage „Sicherung der Identität“ nicht den Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels zu stellen sind. Das Vorbringen, es habe „jeder Beteiligte davon ausgehen (können), dass mit Erteilung der Einbürgerungszusicherungen diese Voraussetzungen überprüft sind, nämlich zum einen die Sicherung der Identität“, macht - ohne eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu bezeichnen - der Sache nach geltend, das Berufungsgericht habe bei der sachlichen Rechtsanwendung der Bindungswirkung der erteilten Zusicherung nicht die sachlichrechtlich gebotene Bedeutung beigemessen; auf einen Verfahrensfehler weist dies um so weniger, als das Berufungsgericht auch davon ausgegangen ist, dass die Zusicherungen erloschen seien (UA S. 17 Abs. 2).

8 Die auf die Sicherung der Identität bezogene Begründung des Berufungsgerichts verletzt das rechtliche Gehör der Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Überraschungsentscheidung“. Denn als unzulässiges „Überraschungsurteil“ stellt sich eine Entscheidung nur dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235 und Beschluss vom 23. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 80.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241; s.a. Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 -). So lag es hier nicht. Denn der Beklagte hatte auch im Berufungsverfahren ausdrücklich geltend gemacht, dass die Einbürgerung der Kläger daran scheitere, dass ihre Identität nicht nachgewiesen sei (Schriftsatz vom 18. Dezember 2008, S. 5); die Kläger hatten hierauf auch erwidert (Schriftsatz vom 26. Februar 2009, S. 3 f.).

9 2.2. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Rüge, das rechtliche Gehör sei dadurch verletzt, dass den Beweisanträgen zum Inhalt und zur Auslegung des äthiopischen Staatsangehörigkeitsrechts sowie zur Bedeutung der dort vorgesehenen „Ausbürgerungsbescheinigung“ nicht nachgegangen worden sei, bei isolierter Betrachtung hinreichende Aussichten auf Erfolg bietet (zu den Anforderungen an die Ermittlung von Inhalt und Rechtspraxis bei der Anwendung ausländischen Rechts im Bereich des Asylverfahrens s. etwa Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 12.04 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 67, vom 25. Juni 2004 - BVerwG 1 B 230.03 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 282 und vom 29. Juni 2001 - BVerwG 1 B 131.00 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 63 = NVwZ-RR 2002, 311; s.a. Urteil vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 = Buchholz 402.240 § 87 AuslG Nr. 2). Denn ebenso wie die auf die Sicherung des Lebensunterhalts bezogenen Ausführungen betrifft dies nicht die auf die fehlende Sicherung der Identität gestützte Begründung des Verwaltungsgerichtshofs.

10 3. Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO <analog>).

Beschluss vom 26.08.2009 -
BVerwG 5 B 39.09ECLI:DE:BVerwG:2009:260809B5B39.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.08.2009 - 5 B 39.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:260809B5B39.09.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 39.09

  • VGH Baden-Württemberg - 17.03.2009 - AZ: VGH 13 S 3209/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. August 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und Dr. Störmer
beschlossen:

  1. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger haben ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. März 2009 mit Schriftsatz vom 13. August 2009 zurückgenommen. Das Beschwerdeverfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m.

3 § 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG.