Beschluss vom 26.07.2007 -
BVerwG 6 B 25.07ECLI:DE:BVerwG:2007:260707B6B25.07.0

Beschluss

BVerwG 6 B 25.07

  • VG Köln - 11.01.2007 - AZ: VG 1 K 5326/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juli 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels, der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz stützt, hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die angefochtene Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig nicht verfahrensfehlerhaft. Zwar liegt in der Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil ein Verfahrensmangel, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht (Beschlüsse vom 4. Juli 1968 - BVerwG 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - NVwZ 2007, 227 <Rn. 2>). Ein derartiger Fehler ist dem Verwaltungsgericht aber nicht unterlaufen.

3 a) Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 11. Januar 2007 gestellte Hauptantrag,
festzustellen, dass die Beklagte bei einer weiteren Prüfung einer Preis-Kosten-Schere im Verhältnis der Kosten, die einem effizienten Anbieter von DSL-Endkundenanschlüssen auf der Basis des gemeinsamen Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (Line-Sharing) entstehen, zu den Endkundenpreisen, welche die Beigeladene für DSL-Endkundenanschlüsse erhebt, nicht berechtigt ist, bei der Bemessung der Kosten des Anbieters von DSL-Anschlüssen
a) ausschließlich - hilfsweise: entscheidungserheblich - die Kosten der Beigeladenen heranzuziehen,
b) den kalkulatorischen Zinssatz heranzuziehen, den die Beklagte für Entgelte der Beigeladenen für die Gewährung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung zugrundelegt,
c) die durchschnittliche Vertragslaufzeit von DSL-Anschlusskunden der Beigeladenen heranzuziehen,
d) von einer flächendeckenden Kollokation an sämtlichen DSL-fähigen Hauptverteilern im Anschlussnetz der Beigeladenen abzuweichen,
e) hilfsweise zu d), die Kollokation auf die Gesamtzahl derjenigen Hauptverteiler zu begrenzen, die von den Nachfragern des entbündelten und des gemeinsamen Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung angeschlossen sind,
ist unzulässig, weil er kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zum Gegenstand hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. etwa Urteile vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37 S. 17). Insoweit kann, falls ein berechtigtes Interesse der klagenden gegenüber der beklagten Partei besteht, auch die Feststellung verlangt werden, dass zwischen einer Partei und einem Dritten ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht (Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 3 C 3.04 - Buchholz 442.16 § 33 StVZO Nr. 1 S. 4). Von daher mag die Genehmigungsfähigkeit von Entgelten für den gemeinsamen Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, die die Beigeladene der Beklagten zur Genehmigung vorlegt, ein auf Betreiben der Klägerin feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sein.

4 Die Klägerin verkennt aber, dass unselbständige Elemente oder Vorfragen, insbesondere Tatbestandsmerkmale, von deren Vorliegen die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten abhängen, ihrerseits kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sind (Urteile vom 26. August 1966 - BVerwG 7 C 113.65 - BVerwGE 24, 355 <358>, vom 12. Juni 1992 - BVerwG 7 C 5.92 - BVerwGE 90, 220 <228> und vom 20. November 2003 a.a.O. S. 17 f.; s. auch Sodan, in: Sodan/
Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 43 Rn. 28 ff.). Das Feststellungsbegehren zielt auf die Frage, ob bestimmte Einzelheiten der Methodik, die die Bundesnetzagentur bei der Prüfung der Preis-Kosten-Schere im vorliegenden Fall angewandt hat und möglicherweise auch künftig anwenden wird, nach den dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften (§ 35 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 2 TKG) zulässig sind. Die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Methodik stellt ihrerseits kein selbständiges Rechtsverhältnis dar, sondern lediglich eine Vorfrage davon. Die Methodik als solche nimmt, auch wenn ihr eine von der Klägerin bestimmt bezeichnete Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur zugrunde liegt, lediglich die abstrakten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Nr. 2 TKG in den Blick, aber keine rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen einer Person und einer Sache, wie dies für ein Rechtsverhältnis kennzeichnend ist.

5 b) Auch der Hilfsantrag,
festzustellen, dass die Beklagte im Verfahren der Bundesnetzagentur BK-4a-05/013 nicht berechtigt war, das Verhältnis der Endkundenpreise, welche die Beigeladene für DSL-Kundenendanschlüsse am 3. August 2005 erhob, zu den Kosten, die einem effizienten Anbieter von DSL-Endkundenanschlüssen auf Basis des gemeinsamen Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (Line-Sharing) entstanden, mit einem Erlösüberschuss insbesondere von 1,90 € oder einem Wert größer als 1,90 € zu bewerten, und daher nicht berechtigt war, im Verfahren BK-4a-05/013 die Entgelte für Line-Sharing zu genehmigen,
ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als unzulässig erachtet worden. Er scheitert jedenfalls an § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Sofern die Klägerin durch die umstrittene Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur vom 3. August 2005 in eigenen Rechten berührt war, hätte sie diese durch die von ihr mit Schriftsatz vom 7. September 2005 erhobene, aber mit Schriftsatz vom 18. September 2006 zurückgenommene Anfechtungsklage (weiter-)verfolgen können.

6 Zwar ist die Vorschrift des § 43 Abs. 2 VwGO, nach der die Feststellungsklage gegenüber den dort genannten anderen Klagearten subsidiär ist, ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Parteien streitige Frage sachgerecht durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich regelmäßig, den Kläger auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung er ein berechtigtes Interesse hat, nur Vorfrage wäre (Urteil vom 29. April 1997 - BVerwG 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 9 m.w.N.). Im Streitfall liegen die Voraussetzungen, unter denen der Klägerin zulässigerweise Rechtsschutz gegen die Entgeltgenehmigung im Wege der Feststellungsklage gewährt werden könnte, aber nicht (mehr) vor. Denn der Genehmigungsbescheid vom 3. August 2005 ist durch die Klageänderung vom 18. September 2006, mit der die Klägerin ihren Anfechtungsantrag zurückgenommen und durch einen von dem zunächst angefochtenen Bescheid losgelösten, allein in die Zukunft gerichteten Feststellungsantrag ersetzt hat, bestandskräftig geworden. Mit dem in der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2007 erstmals gestellten Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit jenes Bescheides umgeht die Klägerin die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage und verkennt die bereits eingetretene Bestandskraft.

7 2. Auch im Übrigen rechtfertigt das Beschwerdevorbringen nicht die Zulassung der Revision. Weder beruht das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel einer Verletzung der §§ 88, 86 Abs. 2 VwGO, noch lässt sich den Darlegungen der Klägerin entnehmen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder das Urteil des Verwaltungsgerichts auf einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruht. Insoweit sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO von einer weiteren Begründung ab.

8 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.