Urteil vom 26.07.2006 -
BVerwG 2 WD 14.05ECLI:DE:BVerwG:2006:260706U2WD14.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 26.07.2006 - 2 WD 14.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:260706U2WD14.05.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 14.05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 26. Juli 2006, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
sowie
Oberst Landgraf,
Feldwebel Becker
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Pflichtverteidiger,
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 12. April 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

II

11 In dem mit Verfügung des Kommandeurs der ... L...division vom 19. November 2003 durch Aushändigung am 25. November 2003 ordnungsgemäß eingeleiteten - mit den Strafbefehlen sachgleichen - gerichtlichen Disziplinarverfahren fand die 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord, ausgehend von der Anschuldungsschrift vom 13. September 2004 und der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 23. März 2005, den Soldaten am 12. April 2005 eines Dienstvergehens schuldig und entfernte ihn aus dem Dienstverhältnis. Zugleich wurde die Gewährung des gesetzlichen Unterhaltsbeitrages auf die Dauer von insgesamt 14 Monaten verlängert.

12 Die Truppendienstkammer hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
„Zu Anschuldigungspunkt 1:
Am 27. Januar 2002 loggte sich der Soldat in das Computersystem der Firma N. ein und rief um 02.25 sowie um 03:36 die kostenpflichtige Internetseite http://www....de auf, wobei jeweils Kosten in Höhe von 111,36 € anfielen. Um sich der Begleichung dieser Beträge zu entziehen, hatte der Soldat hierbei falsche Konto-Verbindungsdaten angegeben, konnte jedoch mit der vom Anbieter gespeicherten IP-Adresse Nr. ... unter Einschaltung des vom Soldaten genutzten Providers KomTel zweifelsfrei als Nutzer ermittelt werden.
Nachdem sich der Soldat weder im Strafverfahren noch vor der Wehrdisziplinaranwaltschaft zur Sache geäußert, jedoch den insoweit ergangenen Strafbefehl akzeptiert hatte, erklärte er in der Hauptverhandlung zunächst, er habe seine Kontodaten richtig angegeben, es läge kein Betrug vor. Die Begleichung des offenen Betrages sei entweder deshalb nicht erfolgt, weil sein Girokonto damals keine ausreichende Deckung aufgewiesen, oder weil seine Frau der Abbuchung widersprochen habe. Der diesbezügliche Strafbefehl sei von ihm nur aus Bequemlichkeit und Überlastung wegen der Spannungen in seiner Ehe nicht angefochten worden. Als der Vorsitzende während der Darlegungen des Soldaten zu Anschuldigungspunkten 2 und 3 auf Unstimmigkeiten hingewiesen und eine Beratung des Soldaten mit seinem Verteidiger angeregt hatte, die in einer kurzen Sitzungspause erfolgte, wurde auch zu Anschuldigungspunkt 1 ein Geständnis abgelegt. Alle Tatvorwürfe träfen zu.
Zu Anschuldigungspunkt 2 und zur Nachtragsanschuldigungsschrift (Anschuldigungspunkt 3):
Am 04. Januar 2002 fiel dem Zeugen Kriminaloberkommissar A., Bundeskriminalamt, Wiesbaden, im Rahmen einer anlassunabhängigen Recherche in sogenannten ‚Dalnet’, einem Subnetz des Internet Relay Chat im Kanal ‚...’ das Angebot einer Person mit dem pseudonym ‚...’ auf, die zu einer Tauschrate von 1:1 bytes für den Download von Dateien von ihrem File-Server warb:
‚<... Ratio:1:1 Offering: Lots of Preteen Action and Series (Upload only Adult Females & preteen Boys or Girls or you will be banned!!!) [2 of 3 slots in use]’
Über den Aufruf an ‚...’ gelangte der Zeuge um 0:23 Uhr auf diesen Server, hielt die Verbindung bis 01:12 Uhr und rief die Adresse erneut von 02:04 Uhr bis 02:29 Uhr auf. Der Anbieter, als der später der Soldat ermittelt wurde, stellte folgende Bedingungen:
‚Remember To Read The RULES First! ...
Here are my Rules:
It’s allowed to download any kind you find on my Server but:
It’s not allowed to upload any legal shit ...
It’s only allowed to upload Adult Females with PreTeen in Action
No boys only or 2 boys fucking or masturbating themselves ...
Remember ONLY ADULT FEMALES WITH PRETEEN BOYS AND/OR GIRLS IN
If you did not follow the Rules you will be banned without any reason!!!
Have fun
...’
Als Tauschmaterial überspielte der Zeuge zwei Videodateien ohne strafrechtlich relevanten Inhalt (‚upload’) und erhielt im Gegenzug aus dem Datenbestand des Soldaten (‚download’) 17 Bild- und 8 Videodateien mit überwiegend kinderpornographischem Inhalt. Die Kammer hat einige der in digitaler Form abgespeicherten Fotographien und Filmszenen in Augenschein genommen; diese zeigen unter anderem Geschlechts-, Oral und Analverkehr Erwachsener mit Kindern.
Ähnliche Bilddateien bot der Soldat auch unter den Kanälen
- ...,
- ...,
- ... und
- ...
an.
Über IP-Adresse und zugehörige Domäne konnte das Bundeskriminalamt die Einwahl-e-mail-Adresse ‚...’ sowie Klarnamen und Anschrift des Soldaten ermitteln.
Die anschließend eingeschaltete Kriminalpolizeiaußenstelle N. durchsuchte nach richterlicher Anordnung am 25. Februar 2002 die Wohnung des Soldaten und beschlagnahmte u.a. seinen PC. Die Auswertung der Festplatte durch den Zeugen Polizeihauptmeister H., Bezirkskriminalpolizeiinspektion F., ergab als Inhalt u.a. Bilddateien von rund 1 000 kinderpornographischen Fotographien, die den - zum Teil schweren - sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand hatten und vom Soldaten abgespeichert worden waren. Die von der Kammer in Augenschein genommenen Ausdrucke einiger Dateien zeigen u.a. mehrfach Oral- sowie Sexualverkehr mit Eindringen in die Scheide zwischen etwa 10-jährigen oder jüngeren Mädchen und erwachsenen Männern.
Der Soldat hat insoweit zunächst angegeben, er habe das Internet als Kontaktbörse zu anderen Liebhabern von Computerspielen genutzt. Eines Tages habe er dabei ohne sein Zutun Dateien mit kinderpornographischem Inhalt überspielt bekommen und diese automatisch abgespeichert. Er sei damals eine Art ‚Jäger und Sammler’ gewesen, der sich alles, was es so gab, mit dem Befehl ‚Auto speichern’ auf die Festplatte geladen hätte. Was Anschuldigungspunkt 3 anbelange, so habe er aus dieser allgemeinen Sammelwut heraus unbewusst auch den Tauschangebotstext von einem anderen Internetnutzer übernommen und lediglich den ‚Nickname’ geändert. Es sei ihm nur darum gegangen, alles erdenkliche, möglichst ausgefallenes zu sammeln, Dinge die andere nicht hätten, aber nicht speziell Kinderpornographie.
Nach dem vorerwähnten Hinweis des Vorsitzenden, diese Darstellung sei schwerlich mit dem sehr prägnanten Angebotstext in Einklang zu bringen, räumte der Soldat schließlich ein, seit langem gezielt kinderpornographisches Bild- und Videomaterial gesammelt und weitergegeben zu haben. Auf die Nachfrage, wie er sein damaliges Verhalten aus heutiger Sicht bewerte, erklärte er, dies sei alles keine Ruhmestat gewesen. Im letzten Wort wiederholte er diese Einschätzung und bat den Unterhaltsbedarf seiner beiden Kinder bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen.“

13 Zur rechtlichen Würdigung hat die Truppendienstkammer ausgeführt, der Soldat habe vorsätzlich gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verstoßen, mithin ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.

14 Im Hinblick auf die Maßnahmebemessung wird auf die Seiten 6 bis 8 des Urteils der Truppendienstkammer verwiesen.

15 Gegen dieses dem Soldaten am 22. April 2005 zugestellte Urteil hat sein Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 13. Mai 2005, bei der Truppendienstkammer eingegangen am 17. Mai 2005, eine auf die Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung eingelegt und beantragt, den Soldaten zu einer milderen Disziplinarmaßnahme zu verurteilen.

16 Zur Begründung hat der Pflichtverteidiger im Wesentlichen vorgetragen:
Das angefochtene Urteil gehe bei der Maßnahmebemessung davon aus, dass von einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis nur dann abgesehen werden könne, wenn gewichtige Milderungsgründe in der Tat oder außergewöhnliche Milderungsgründe in der Person dies ausnahmsweise zuließen. Dies sei nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. In der Würdigung der Maßnahmebemessungsgründe falle auf, dass Milderungsgründe keine Erwähnung fänden. Infolgedessen gelange das angefochtene Urteil zu einer scharfen Disziplinarmaßnahme. Die Kammer habe verschiedene Milderungsgründe nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt. Der Soldat stehe im 11. Dienstjahr. In disziplinarer und strafrechtlicher Hinsicht sei er - mit Ausnahme der sachgleichen Strafverfahren - unbelastet. Die Beurteilungen bescheinigten ihm Einsatzbereitschaft und fachliche Kompetenz; es handele sich um einen dynamischen und mit frischer Art auftretenden Soldaten. Die Aussage des in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht vernommenen Leumundszeugen, des Hauptmanns S., passe zu diesen Feststellungen nicht recht. Zu Unrecht habe die Kammer eine Nachbewährung verneint. Sogar der den Soldaten recht reserviert schildernde Leumundszeuge habe bestätigt, dass der Soldat keinen Einbruch in seinen Leistungen erlitten habe. Dies sei durchaus als Nachbewährung zu verstehen, insbesondere angesichts des ganz erheblichen Vorwurfs, der über den Zeitraum von drei Jahren über dem Soldaten geschwebt habe. Ein weiterer mildernder Faktor stelle der Umstand dar, dass der Soldat sich derzeit nicht mehr im aktiven Dienst, sondern im Berufsförderungsdienst befinde. Auswirkungen auf die Truppe gebe es nicht. Zu wenig berücksichtigt habe das angefochtene Urteil auch den Umstand, dass die kriminelle Energie, die der Soldat aufzubringen gehabt habe, um die Straftaten zu verwirklichen, recht gering gewesen sei und dass eine nur niedrige Hemmschwelle zu überschreiten gewesen sei. Ein gewichtiger Milderungsgrund sei auch darin zu sehen, dass der Soldat geständig gewesen sei und den ihm vorgeworfenen Sachverhalt eingeräumt habe. Die Kammer messe dem Geständnis keine große Bedeutung bei, da es erst spät in einer aussichtslosen Beweislage erfolgt sei. Dabei verkenne die Kammer indessen die besonderen Umstände. Dem Soldaten sei es schwer gefallen, angesichts der ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe seine Gedanken in Worte zu fassen. Er habe in der Hauptverhandlung reinen Tisch gemacht und Reue sowie Einsicht gezeigt. Dies sei ihm zugute zu halten. Würdige man diese für den Soldaten sprechenden Umstände, so sei die Entfernung aus dem Dienstverhältnis eine zu harte Maßnahme. Der Soldat sei zu einer milderen Disziplinarmaßnahme zu verurteilen.

III

17 1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).

18 2. Das Rechtsmittel des Soldaten ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen Inhalt seiner Begründung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die rechtliche Würdigung der Truppendienstkammer seiner Entscheidung zugrunde zu legen und unter Beachtung des Verschlechterungsverbots nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. §§ 327, 331 Abs. 1 StPO).

19 Das Ausbleiben des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung hat deren Durchführung nicht entgegengestanden, da der Soldat in der Ladung vom 21. Juni 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann (§ 124 WDO).

20 3. Die Berufung des Soldaten ist als unbegründet zurückzuweisen.

21 Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

22 Der Soldat hat ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das die Truppendienstkammer zu Recht mit der Höchstmaßnahme geahndet hat.

23 Der Schwerpunkt des Dienstvergehens liegt in dem Fehlverhalten des Soldaten zu den Anschuldigungspunkten 2 und 3.

24 a) In Bezug auf die Anschuldigungspunkte 2 und 3 ergeben sich Eigenart und Schwere des Dienstvergehens daraus, dass der Soldat mit dem Besitzverschaffen und zusätzlich der Weitergabe von Bildern, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, kriminelles Unrecht nach § 184 Abs. 5 StGB beging.

25 Der Senat hat in Bezug auf Eigenart und Schwere sowie die disziplinare Einstufung eines solchen Fehlverhaltens - Besitzverschaffen kinderpornografischer Darstellungen und Weitergabe an Dritte - u.a. folgende grundsätzliche Erwägungen angestellt und zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine so genannte „reinigende Maßnahme“ genommen (vgl. Urteil vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - BVerwGE 111, 291 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 33 = NZWehrr 2001, 36):
„... Durch das 27. Strafrechtsänderungsgesetz vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1346) sind die Besitzverschaffung und der Besitz kinderpornografischer Darstellungen unter den Voraussetzungen des neu eingefügten § 184 Abs. 5 StGB unter Strafe gestellt worden; des Weiteren wurde die Einziehung von kinderpornografischen Darstellungen durch Einfügung von § 184 Abs. 7 StGB erleichtert. Durch die Beschränkung auf Schriften, die ein tatsächliches Geschehen von sexuellem Kindesmissbrauch zum Gegenstand haben, ist in § 184 Abs. 5 StGB als besonderer Strafgrund der mittelbare Schutz der missbrauchten kindlichen ‚Darsteller’ normiert worden, der dadurch erreicht werden soll, dass das Schaffen und Aufrechterhalten eines entsprechenden ‚Marktes’ mit authentischen kinderpornografischen Darstellungen verhindert wird (vgl. Lenckner in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 184 RdNr. 2; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 184 RdNr. 3 a); damit hat der Gesetzgeber dem ‚Realkinderpornomarkt’ - hier vor allem den ‚Konsumenten’ - den Kampf angesagt, um den sexuellen Missbrauch von Kindern als ‚Darsteller’ zu verhindern (vgl. Lenckner, a.a.O., § 184 RdNr. 63).
Bildmaterial, das das tatsächliche Geschehen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern durch skrupellose Erwachsene wiedergibt, die die Kinder für die Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter ausnutzen, steht nicht mit den allgemeinen Wertvorstellungen von sexuellem Anstand in Einklang (vgl. die Gesetzesmaterialien zu § 184 StGB, BT-Drucks. VI/3521 S. 50). Kinderpornografische Darstellungen zielen unabhängig davon, auf welchem Bildträger sie wiedergegeben sind, beim Betrachter generell auf die Erregung eines sexuellen Reizes ab und degradieren die sexuell missbrauchten kindlichen ‚Darsteller’ zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung. Sie verstoßen damit gegen die unantastbare Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG, die dem Menschen nur in seiner personellen Ganzheit zukommt (Urteile vom 17. März 1989 - BVerwG 2 WD 40.88 - <BVerwGE 86, 136 [f.] = NZWehrr 1989, 205> und vom 15. Juni 1999 - BVerwG 2 WD 34.98 - <NZWehrr 1999, 258 = DokBer B 1999, 297>) und auf deren Gewährleistung er nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (Urteile vom 3. Februar 1998 - BVerwG 2 WD 16.97 - <NVwZ-RR 1998, 763 = DokBer B 1998, 243> und vom 15. Juni 1999 - BVerwG 2 WD 34.98 - <a.a.O.> m.w.N.) nicht zulässigerweise verzichten kann.
Wenngleich die Anschauungen über geschlechtsbezogene Handlungen und deren Darstellung in den letzten Jahrzehnten liberaler geworden sind, geht Kinderpornografie eindeutig über die nach den gesellschaftlichen Anschauungen und Wertvorstellungen des sexuellen Anstandes gezogenen, dem Menschenbild des Grundgesetzes entsprechenden Grenzen hinaus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 27. November 1981 - BVerwG 2 WD 25.81 - <NZWehrr 1983, 30 = NJW 1982, 1660>, vom 17. Oktober 1986 - BVerwG 2 WD 21.86 - <NZWehrr 1987, 80>, vom 17. Mai 1990 - BVerwG 2 WD 21.89 - <BVerwGE 86, 288>, vom 29. Januar 1991 - BVerwG 2 WD 18.90 - <BVerwGE 93, 30> und vom 14. April 1994 - BVerwG 2 WD 8.94 -) ist der sexuelle Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Denn er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, da ein Kind oder Jugendlicher wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zugleich benutzt der Täter die Person eines Kindes oder Jugendlichen als ‚Mittel’ zur Befriedung seines Geschlechtstriebes, auch wenn er sich an dem jeweiligen Opfer nicht selbst unmittelbar vergreift. Wer als Soldat in dieser Weise versagt, beweist erhebliche Persönlichkeitsmängel mit der Folge einer nachhaltigen Ansehensschädigung oder gar des völligen Ansehensverlustes, weil er das Vertrauen, das der Dienstherr in seine Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische Integrität setzt, von Grund auf erschüttert oder zerstört hat.
Bei einem Soldaten in Vorgesetztenstellung ist ein solches Verhalten als so gravierend anzusehen, dass er im Allgemeinen für die Bundeswehr untragbar wird und nur in minderschweren Fällen oder bei besonderen Milderungsgründen in seinem Dienstverhältnis, jedoch grundsätzlich nicht mehr als Vorgesetzter, verbleiben kann. Denn Verstöße gegen einschlägige strafrechtliche Schutzbestimmungen, die zugunsten von Kindern und Jugendlichen erlassen sind, werden jedenfalls nach wie vor als verabscheuungswürdig angesehen und setzen den Täter kritischer Resonanz und Missachtung aus (vgl. Urteil vom 19. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 3.96 - <BVerwGE 103, 349 [f.] = NZWehrr 1996, 255 = NVwZ 1997, 579>).
Dies gilt grundsätzlich auch für Fehlverhalten, das der Beschaffung und dem Besitz von kinderpornografischen Schriften für sich oder einen Dritten dient. Denn auch der Konsument, der sich kinderpornografische Filme, Fotografien, Videofilme oder authentische Tonaufnahmen beschafft, trägt dazu bei, dass Kinder sexuell missbraucht werden. Daraus erwächst eine mittelbare Verantwortlichkeit des Verbrauchers für die Existenz eines entsprechenden Marktes und den mit seiner Versorgung verbundenen sexuellen Kindesmissbrauch (vgl. Tröndle, a.a.O., RdNr. 42). Denn gerade die Nachfrage schafft erst den Anreiz, kinderpornografische Bilder herzustellen und die betroffenen Kinder bzw. Jugendlichen zu missbrauchen.
Soweit sich ein Soldat den Besitz solcher Darstellungen dadurch verschafft hat, dass er über das Internet Dateien mit kinderpornografischem Inhalt abgerufen und auf Diskette bzw. Festplatte überspielt hat, sind in die Maßnahmebemessung eines solchen Fehlverhaltens generalpräventive Erwägungen einzubeziehen. Denn Kinderpornografie stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit der Globalisierung des Datenaustausches und der Datennutzung im Rahmen des Internet als ein sehr ernst zu nehmendes Gefahrenpotenzial dar, wie sich in vielen Einzelfällen, insbesondere in dem in Belgien aufgetretenen Fall Dutroux, erwiesen hat. Im vorliegenden Fall sind als generalpräventive Erwägungen vor allem die Warn- und Abschreckungswirkung zu berücksichtigen, die aus der Sicht eines vorurteilsfreien und besonnenen Betrachters die Ahndung nicht nur des unmittelbaren, sondern auch des mittelbaren rechts- und sittenwidrigen sexuellen Missbrauchs eines Kindes oder Jugendlichen im Wege der Beschaffung und des Besitzes von kinderpornografischen Schriften durch einen Soldaten erfordert.
Handelt es sich dabei um einen nach § 10 Abs. 1 SG zu vorbildlicher Haltung und Pflichterfüllung aufgerufenen Vorgesetzten, so ist sein Versagen regelmäßig geeignet, sein Ansehen bei Vorgesetzten, Gleichgestellten und Untergebenen zu zerstören. Denn ein Vorgesetzter büßt auch im Dienst, insbesondere gegenüber Wehrpflichtigen, auch wenn es sich nur um wenige Untergebene handelt, die ihm zeitweise unterstellt sind, sowie gegenüber deren Familienangehörigen zwangsläufig seine Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit ein...“

26 Diese grundsätzlichen Erwägungen hat der Senat in weiteren Urteilen (vgl. u.a. Urteile vom 8. November 2002 - BVerwG 2 WD 29.01 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 36, vom 11. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 35.02 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 39 = NVwZ-RR 2003, 573 und vom 27. August 2003 - BVerwG 2 WD 39.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 9) bestätigt. Hieran hält der Senat fest.

27 b) Das Dienstvergehen hatte ganz erhebliche Auswirkungen. Es führte zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der in den Bildern dargestellten Kinder.

28 Das Beschaffen, der Besitz und das Verbreiten kinderpornografischer Bilder durch den Soldaten tragen nicht nur mittelbar dazu bei, dass Kinder durch die Existenz eines entsprechenden Marktes sexuell missbraucht werden; es wird auch bewirkt, dass durch die Veröffentlichung und Verbreitung der Bilder in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen abgebildeten Kinder nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG fortlaufend eingegriffen wird, ohne dass sich diese dagegen wirksam wehren können. Das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt gerade die Intimsphäre und die engere persönliche Lebenssphäre (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1980 - 1 BvR 185/77 - BVerfGE 54, 148 <153> und vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170>). Es schützt ferner die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten und persönlichen Lebenssachverhalte offenbart werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87 - BVerfGE 80, 367 <373>).

29 Durch sein Verhalten hat der Soldat zu dieser schwerwiegenden Rechtsverletzung aktiv beigetragen, wobei erschwerend zu berücksichtigen ist, dass es jeweils um eine sehr große Zahl von Bildern kinderpornografischen Inhalts ging.

30 Zu Lasten des Soldaten wirkt es sich hier auch aus, dass er mit Wirkung vom 18. Juli 2005 vorläufig des Dienstes enthoben wurde. Eine solche Maßnahme führt zwangsläufig zu nicht unerheblichen Änderungen in der Personalplanung des Dienstherrn. Diese für die Personalplanung und -führung nachteiligen Auswirkungen seines Dienstvergehens muss sich der Soldat zurechnen lassen (vgl. Urteil vom 11. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 35.02 - a.a.O.).

31 c) Das Maß der Schuld als Richtlinie für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bestimmt sich vorliegend nach der vorsätzlichen Begehungsweise des Soldaten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Sonstige Schuldmilderungs- und Schuldausschließungsgründe sind gleichfalls nicht erkennbar.

32 Den Soldaten belastet neben der großen Zahl von kinderpornografischen, oftmals schwerste Missbrauchshandlungen zeigenden Bilddateien, die sich in seinem privaten Besitz befanden, vor allem auch sein unverblümtes Tauschangebot über mehrere Wege im Internet sowie die Weitergabe solchen Bildmaterials über dieses Medium. Dies kennzeichnet das besondere Gewicht des Dienstvergehens. Bei einer derartigen Fallgestaltung, bei der keinerlei Anhaltspunkte für einen minderschweren Fall vorliegen, kann von der Entfernung aus dem Dienstverhältnis nur abgesehen werden, wenn gewichtige Milderungsgründe in den Umständen der Tat oder außergewöhnliche Milderungsaspekte in der Person dies ausnahmsweise zulassen. Dies ist hier nicht der Fall.

33 Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen nicht vor. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 <347> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 15 m.w.N., vom 18. März 1997 - BVerwG 2 WD 29.95 - BVerwGE 113, 70 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 28 = NZWehrr 1997, 212 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31) dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte; als solche Besonderheiten sind u.a. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <129 f.> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998, 83 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 6. Mai 2003 a.a.O.). Die Voraussetzungen für das Vorliegen solcher Milderungsgründe sind hier ersichtlich nicht erfüllt. Der Soldat hat insbesondere weder in einer psychischen Ausnahmesituation, etwa unter Schock, gehandelt, noch lagen Anhaltspunkte für eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat vor. Sein Fehlverhalten erfolgte gerade nicht in einer Augenblickssituation, in der er spontan und kopflos gehandelt hätte. Auch sind keine konkreten Anhaltspunkte für ein ihn teilweise entlastendes Mitverschulden von Vorgesetzten - etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Dienstaufsicht (vgl. dazu Urteil vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127) - erkennbar.

34 Als Erschwerungsgrund fällt hier die herausgehobene Stellung des Soldaten als Oberfeldwebel ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund hat er in erheblicher Weise versagt. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, umso mehr Achtung und Vertrauen genießt er; umso größer sind dann auch die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt werden müssen, und umso schwerer wiegt eine Pflichtverletzung, die er sich zu schulden kommen lässt (vgl. Urteile vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 - BVerwGE 93, 126 <131> = NZWehrr 1994, 254 und vom 21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 37 = NZWehrr 2001, 33 = ZBR 2001, 53). Von ihm als Portepeeunteroffizier konnte und musste aufgrund seiner erhöhten Verantwortung erwartet werden, dass er bei der Wahrung der Persönlichkeitsrechte, zumal der von Kindern, in erster Linie selbst mit gutem Beispiel voranging. Die Stellung des Soldaten erforderte es, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel hätte geben müssen (§ 10 Abs. 1 SG). Denn nur, wenn er dieses Beispiel gibt, kann er von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen. Durch sein Fehlverhalten, das geeignet war, zur erheblichen Minderung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit und des Ansehens der Bundeswehr beizutragen, hat der Soldat ein außerordentlich schlechtes Beispiel gegeben. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Aussage des Wehrbeauftragten in seiner Unterrichtung des Deutschen Bundestages vom 11. März 2003 zu verweisen, in der es u.a. heißt (Jahresbericht 2002 - Drucksache 15/500, Nr. 2.1, 5.8): „Kinderpornographie ist verabscheuungswürdig. Die Bundeswehr muss sie weiterhin mit aller gebotenen Härte bekämpfen und Vorsorge dafür treffen, dass sie sich nicht in den Streitkräften festsetzt.“

35 d) Im Hinblick auf die bisherige Führung und die Persönlichkeit des Soldaten ist zu berücksichtigen, dass seine dienstlichen Leistungen, wie insbesondere die Beurteilung vom 5. August 2003 zeigt, eher als unterdurchschnittlich zu bewerten sind. Auch der Leumundszeuge Hauptmann S. hat sich vor dem Truppendienstgericht in diesem Sinne geäußert. Eine besondere dienstliche Bewährung oder gar Nachbewährung kann dem Soldaten deshalb nicht zugute gehalten werden. Zuungunsten des Soldaten spricht auch die von dem Leumundszeugen dargestellte Tendenz des Soldaten, sich durch Ausreden und Lügen „davonzustehlen“.

36 Im Übrigen erfolgte das Geständnis des Soldaten sehr spät und nicht aus freien Stücken, sondern in einer für ihn aussichtslosen Beweislage.

37 e) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ist zu berücksichtigen, dass hier zu Besitzverschaffung, Besitz und Verbreitung von kinderpornografischen Bild- und Videodateien in besonders gravierender Form auch noch zwei Vermögensdelikte unter Nutzung der Möglichkeiten des Internet hinzutreten. Insbesondere im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Fehlverhaltens zu den Anschuldigungspunkten 2 und 3, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld und auch aus generalpräventiven Erwägungen sowie aus Gründen der Gleichbehandlung ist die Entfernung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis angemessen und erforderlich.

38 4. Da die Berufung des Soldaten keinen Erfolg hatte, waren ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.