Beschluss vom 26.07.2004 -
BVerwG 8 B 4.04ECLI:DE:BVerwG:2004:260704B8B4.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.07.2004 - 8 B 4.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:260704B8B4.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 4.04

  • VG Frankfurt/Oder - 27.10.2003 - AZ: VG 5 K 52/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladenen zu 2 und 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 51 838 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegt weder die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor, noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu. Auch die gerügten Verfahrensverstöße (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>).
Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz zu dem Urteil vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 2.00 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 22) liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung nicht, wie die Beschwerde meint, einen allgemeinen Rechtssatz dergestalt aufgestellt, dass Voraussetzung für eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz die dauerhaft rechtlich gesicherte Erschließung des Grundstücks sei, sondern hat im konkreten Einzelfall eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darin gesehen, dass mit der dem dortigen Verfahren zugrunde liegenden Enteignung verbundene Rechtsverstöße durch eine ebenfalls rechtswidrige Indienstnahme fremden Eigentums bewältigt wurden und dies nur deswegen möglich war, weil das fremde Eigentum einem Westbürger gehörte. Demgegenüber ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren zum einen die Enteignung des streitgegenständlichen Grundstücks nach dem Aufbaugesetz unter Einschluss der nach der Trennung des Flurstücks 429 hinterliegenden Grundstücke vorgenommen worden und zum anderen die Erschließung der Flurstücke 429/2 und 429/3 über das angrenzende Flurstück 428, das im Eigentum des Volkes stand, und eine Dienstbarkeit auf dem besonders großen Flurstück 429/2 möglich gewesen.
Auch die weitere von der Beschwerde gerügte Divergenz liegt nicht vor. Denn das Verwaltungsgericht hat den ihr von der Beschwerde unterstellten Rechtssatz, "... dass ein Hinwegsetzen über die gültigen Vorschriften unbeachtlich sei, wenn davon ausgegangen werden könne, dass bei Einhaltung der Vorschriften es auch zu der Schädigungsmaßnahme gekommen sei", so nicht aufgestellt. Vielmehr hat es die Auswechslung der Flurstücke 429 und 278, wie sie sich aus dem Beschluss Nr. 9 des Rates der Gemeinde und dem folgenden Antrag auf Aufbaugebietserklärung des Vorsitzenden des Rates der Gemeinde ergab, als Verfahrensfehler angesehen, der nicht als Ausdruck der Absicht gewertet werden könne, das Verfahrensergebnis im Sinne einer unlauteren Machenschaft gezielt zu Lasten der Betroffenen zu beeinflussen. Diese Bewertung von Verfahrensfehlern entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn die Verletzung von Vorschriften über das Enteignungsverfahren kommt als unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG nur dann in Betracht, wenn die Enteignungsbehörde damit die Absicht verfolgte, die vorgenommene Enteignung überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. Beschluss vom 11. November 1996 - BVerwG 7 B 274.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 94).
Auch die von der Beschwerde gerügte Divergenz zum Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 3.00 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 13) liegt nicht vor. Wie die Beschwerde selbst darlegt, hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung auf eine differenzierte Verteilung der Beweislast bei der Frage der Redlichkeit des Erwerbers nach § 4 Abs. 2 und 3 VermG hingewiesen. Danach trifft zwar grundsätzlich den Erwerber die materielle Beweislast für seine den Rückübertragungsausschluss begründende Redlichkeit. Zur Erschütterung der Grundannahme der Redlichkeit des Erwerbers müssen aber greifbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dem ist das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung mit dem Hinweis nachgekommen, dass Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit der Erwerber weder die Kläger vorgetragen haben noch sonst ersichtlich sind.
2. Die als grundsätzlich bedeutsam von den Klägern aufgeworfenen Fragen führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Sie zielen auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass "unbeschadet" der Verneinung des Schädigungstatbestandes im Sinne des § 1 VermG eine Rückübertragung der Flurstücke 429/2 und 429/3 gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei. Hierbei handelt es sich um eine weitere selbstständig tragende Begründung. Ist die Entscheidung der Vorinstanz - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt. Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. In diesem Fall beruht weder das erstinstanzliche Urteil auf der hinwegdenkbaren Begründung noch ist die Klärung mit ihr etwa zusammenhängender Grundsatzfragen in einem Revisionsverfahren zu erwarten (Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4; Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15). Auf die grundsätzliche Bedeutung von Fragen im Zusammenhang mit der zweiten Begründung (Ausschluss eines Restitutionsanspruchs) kommt es danach nicht mehr an, da hinsichtlich der ersten Begründung (Fehlen eines Schädigungstatbestandes) - wie unter 1 und 3 ausgeführt - kein Revisionszulassungsgrund vorliegt.
3. Die Rüge, dass das Verwaltungsgericht gegen § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen habe, hat keinen Erfolg. Denn auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht beruhen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Entschädigungsgesetzes setzt ein Anspruch auf Entschädigung voraus, dass ein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 Abs. 1 VermG vorliegt. Dies hat das Verwaltungsgericht verneint.
Ob der vom Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene ehrenamtliche Bürgermeister der Beigeladenen zu 3 W. K. nur als Partei hätte vernommen werden dürfen, kann dahinstehen. Die Berufung auf einen solchen Verfahrensmangel ist den auch in der ersten Instanz anwaltlich vertretenen Klägern schon deswegen verwehrt, weil sie es versäumt haben, ihn bereits in der Vorinstanz geltend zu machen. Nach § 295 Abs. 1 und § 556 ZPO, deren entsprechende Anwendung im Verwaltungsprozess § 173 VwGO vorschreibt, kann ein Verfahrensmangel in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei das Rügerecht bereits in der Vorinstanz nach § 295 Abs. 1 ZPO verloren hat. Nach § 295 Abs. 1 ZPO verliert eine Partei das Recht, die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift zu rügen, wenn sie diesen Fehler nicht bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, geltend gemacht hat, obwohl sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. So verhält es sich hier. Aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich die Angabe des Herrn K., er sei ehrenamtlicher Bürgermeister der Beigeladenen zu 3, sowie seine Vernehmung als Zeuge. Die Kläger haben in der Verhandlung nicht geltend gemacht, dass Herr K. als Partei hätte vernommen werden müssen und die Vernehmung für sie überraschend gewesen sei. Sie hätten in der mündlichen Verhandlung, die ausweislich der Sitzungsniederschrift nach der Zeugenvernehmung fortgesetzt worden ist, indem die Beteiligten ihre Klageanträge gestellt und Erklärungen zur Sache abgegeben haben, hinreichend Gelegenheit gehabt, das Gericht auf den Verfahrensfehler hinzuweisen (vgl. auch Beschluss vom 21. Juli 1997 - BVerwG 7 B 175. 97 - juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 72 GKG i.V.m. §§ 13, 14 GKG a.F.