Beschluss vom 26.05.2003 -
BVerwG 8 B 68.03ECLI:DE:BVerwG:2003:260503B8B68.03.0

Beschluss

BVerwG 8 B 68.03

  • VG Cottbus - 04.12.2002 - AZ: VG 1 K 1272/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 4. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 bis 5, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 14 830 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 bleibt ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin durch das angefochtene Urteil überhaupt sachlich beschwert wird. Jedenfalls hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.), noch liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob der Begriff der Redlichkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 VermG auch das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Handelns staatlicher Organe umfasst mit der Folge, dass die Rechtmäßigkeit von Veräußerungs- bzw. Erwerbsvorgängen durch den Erwerber nicht weiter zu prüfen war und er deshalb bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften der DDR nicht von diesem hätte wissen müssen.
Soweit sich diese Frage allgemein beantworten lässt, ist sie in der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Danach ist das Tatbestandsmerkmal "hätte wissen müssen" in § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG gleichbedeutend mit dem Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit (vgl. u.a. Urteil vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 33.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 6). Dieser Begriff ist in § 276 BGB legal definiert als die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Gefordert wird die Beachtung der Sorgfalt, die normalerweise von einem ordentlichen Menschen in der konkreten (damaligen) Lage zu erwarten war. Dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse des in Betracht kommenden Verkehrskreises Rücksicht zu nehmen, mithin auf das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger dieses Kreises von dem in seinem Rahmen Handelnden zu fordern ist (vgl. Urteil vom 27. Juni 2001 - BVerwG 8 C 26.00 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 13 S. 45 <48>). Ob davon ausgehend, dem Erwerber ein Schuldvorwurf gemacht werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls und lässt sich nicht generalisierend beantworten.
Auch das Verwaltungsgericht geht von der geschilderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus und wendet sie im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung auf den vorliegenden Einzelfall an.
2. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat weder seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) noch den Anspruch der Beigeladenen auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Die Beigeladenen zu 2 bis 5 haben sich - wie die Beschwerde selbst vorträgt - weder im Rahmen des Verfahrens eingelassen noch sind sie - trotz ordnungsgemäßer Ladung - zur mündlichen Verhandlung erschienen. Deswegen konnte das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage nicht mit ihnen erörtern. Selbstverständlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Beteiligte "auf seine Sichtweise" hinzuweisen. Ebenso wenig musste es sich dem Verwaltungsgericht aufdrängen, weiter aufzuklären, ob die Erwerber seinerzeit nachgefragt hatten, ob inzwischen eine wirksame Bevollmächtigung bzw. Genehmigung des Handelns der vollmachtlosen Vertreterin vorliege; denn hierfür war nichts vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.