Urteil vom 26.03.2003 -
BVerwG 1 D 18.02ECLI:DE:BVerwG:2003:260303U1D18.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 26.03.2003 - 1 D 18.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:260303U1D18.02.0]

Urteil

BVerwG 1 D 18.02

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 26. März 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Regierungshauptsekretärin Beate G r a a f - S a u e r
und Postbetriebsassistent Reinhard W e b e r
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektor ...
für den Bundesdisziplinaranwalt,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
und
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer V - ... -, vom 26. April 2002 mit Ausnahme der Kostenentscheidung aufgehoben.
  2. Der Zollhauptsekretär ... wird in das Amt eines Zollsekretärs, Besoldungsgruppe A 6 BBesG, versetzt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen haben der Bund und der Beamte je zur Hälfte zu tragen.

I


1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den am ... in ..., Kreis ..., geborenen und aus der Zollverwaltung der DDR übernommenen Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
1. im Zeitraum Dezember 1996 bis September 1998 in insgesamt 14 Fällen im Dienst unversteuerte Zigaretten aus der Tschechischen Republik nach Deutschland eingeschmuggelt hat,
2. mit aufgefundener Munition pflichtwidrig umge-
gangen ist.
Aufgrund des Sachverhalts in Anschuldigungspunkt 1 ist der Beamte durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts ... vom 29. Mai 2000 wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2
AO in 14 Fällen und unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt worden.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 26. April 2002 entschieden, dass der Beamte in das Amt eines Zollobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7 BBesG) versetzt wird. Es hat die Vorwürfe als erwiesen angesehen und hat die festgestellte Handlungsweise des Beamten als schwerwiegendes Dienstvergehen gewertet. Dieser habe als Zollgrenzbeamter und Vorgesetzter wiederholt über einen längeren Zeitraum erheblich versagt. Als Zollbeamter habe er gerade das getan, was er habe verhindern sollen. Mildernd sei zu berücksichtigen, dass er nicht aus eigennützigen Motiven gehandelt habe, bislang weder strafrechtlich noch disziplinar in Erscheinung getreten sei und ansonsten gute dienstliche Leistungen erbringe. Da er schon seit längerem bei einer anderen Dienststelle, weitab von der Grenze, beschäftigt werde, sei die Wiederholungsgefahr gering. Im Vergleich zu den Disziplinarentscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen sei es erforderlich, aber auch ausreichend, eine Degradierung auszusprechen.
3. Hiergegen hat der Bundesdisziplinaranwalt rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Antrag, den Beamten aus dem Dienst zu entfernen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Zwar habe die Vorinstanz das Schwergewicht des Dienstvergehens zu Recht im Anschuldigungspunkt 1 gesehen. Das betreffende Fehlverhalten sei jedoch nicht zutreffend gewürdigt worden. Der Beamte habe sich durch die schwerwiegenden Pflichtverletzungen insgesamt für den öffentlichen Dienst untragbar gemacht und habe deshalb die disziplinare Höchstmaßnahme verwirkt.
Das Bundesdisziplinargericht habe bereits verkannt, dass der Beamte auch aus materiell eigennützigen Motiven gehandelt habe. Er habe die Zigaretten nicht nur für den Eigengebrauch nach Deutschland eingeschmuggelt, sondern habe diese zum Teil weiterverkauft.
Ein Zollgrenzbeamter, der - entgegen seiner eigentlichen Aufgabe der Schmuggelbekämpfung - unversteuerte Zigaretten unerlaubt einführe, versage im Kernbereich seiner Pflichten. Erschwerend komme bei dem hier zu beurteilenden Dienstvergehen der lange Tatzeitraum und die wiederholte Begehungsweise von insgesamt 14 nachgewiesenen Fällen hinzu. Der Beamte habe auch als Vorgesetzter schwer versagt. So habe er nicht nur seine Stellung als aufsichtsführender Beamter zur Planung und Ausführung der Taten ausgenutzt, indem er seine Streifengänge in Zivil oder Dienstuniform zum Teil speziell für seine Schmuggeltouren geplant habe. Er habe auch als Dienstvorgesetzter ein schlechtes Beispiel für seine Untergebenen abgegeben und diese wiederholt in Gewissenskonflikte gebracht. Zeugen hätten bestätigt, dass er, der Beamte, auf Kollegen psychischen Druck ausgeübt habe, um diese davon abzubringen, ihr Wissen um die Schmuggelgänge dem Dienststellenleiter zu melden.
Ferner falle ins Gewicht, dass das Strafgericht den Beamten nicht nur wegen "einfacher" Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, sondern wegen eines "besonders schweren Falles" im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO hätte verurteilen müssen. Denn dieser habe seine Stellung als Amtsträger missbraucht. Das Bundesdisziplinargericht sei an diese falsche strafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht gebunden gewesen.
Schließlich hätte die Vorinstanz auch das "positive Verhalten" des Beamten beim Zollamt ... nicht mildernd berücksichtigen dürfen. Der Beamte habe damals keinerlei Unrechtseinsicht gezeigt. Erst durch die Umsetzung an eine andere Dienststelle sei sein schweres Fehlverhalten beendet worden. Diese Maßnahme sei zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlich gewesen. Der Umstand, dass er nicht vom Dienst sus-
pendiert worden sei, widerspreche nicht der Annahme eines schweren Dienstvergehens. Der Dienstherr habe vorerst und an anderer Stelle auf die Dienstleistung des Beamten nicht verzichten wollen.

II


Die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Degradierung des Beamten um zwei Beförderungsämter.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Feb-ruar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Bundesdisziplinaranwalt greift unter anderem die disziplinarrechtliche Wertung des Dienstvergehens durch die Vorinstanz an und macht - ohne § 54 Satz 2 BBG ausdrücklich zu erwähnen - geltend, der Beamte habe auch eigennützig gehandelt. Das Bundesdisziplinargericht hat eine entsprechende Pflichtverletzung verneint und deshalb § 54 Satz 2 BBG als verletzte Vorschrift auch nicht zitiert (vgl. zur Qualifizierung des Rechtsmittels als "unbeschränkt eingelegt" den umgekehrten Fall eines Beamten, der bestreitet, eigennützig gehandelt zu haben, Urteil vom 14. Ok-tober 1997 - BVerwG 1 D 60.96 ). Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
1. Sachverhaltsfeststellung und disziplinarrechtliche Würdigung:
Zum Anschuldigungspunkt 1:
Ebenso wie das Bundesdisziplinargericht ist der Senat gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO an die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts ... vom 29. Mai 2000, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Anlass für einen Lösungsbeschluss besteht nicht, zumal die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen vom Beamten eingeräumt und vom Bundesdisziplinaranwalt mit seiner Berufung nicht infrage gestellt wird. In dem Strafurteil hat das Amtsgericht ... folgendes festgestellt:
"Im Zeitraum Dezember 1996 bis September 1998 schmuggelte der Angeklagte, der Zollbeamter ist, mindestens 3 720 Stück unversteuerte Zigaretten der Sorten "Marlboro", "HB" und "Gauloises" über Wanderwege im Bereich Deutschg. und Deutschk. aus der Tschechischen Republik nach Deutschland ein, indem er Streifgänge mit Untergebenen dazu nutzte, in der Tschechischen Republik einzukaufen und nach Deutschland zu bringen.
Um für diese Zigaretten die Eingangsabgaben in Höhe von ingesamt 1 116,97 DM (Zoll-Euro 260,67 DM, Tabaksteuer 657,26 DM, Einfuhrumsatzsteuer 199,04 DM) nicht entrichten zu müssen, meldete er die Zigaretten nicht zur Einfuhr nach Deutschland an, obwohl er wusste, dass er dazu verpflichtet war.
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
Nr. Tag Anzahl der einge- verkürzte
schmuggelten Zigarett. Eingangsab-
gaben in DM
1. 20.12.1996 360 89,94
2. 10.01.1997 560 141,21
3. 18.02.1997 160 40,33
4. 14.09.1997 160 39,53
5. 02.11.1997 360 88,98
6. 01.05.1998 360 91,15
7. 09.06.1998 360 91,87
8. 10.06.1998 360 91,87
9. 30.06.1998 360 91,87
10. 15.07.1998 360 90,06
11. 06.09.1998 360 90,06
12. 18.09.1998 160 40,02
13. 19.09.1998 160 40,02
14. 20.09.1998 360 90,06
Diese Zigaretten gab er teilweise seinen Kindern, teilweise verkaufte er sie an eine Frau in einem Altenpflegeheim, in dem seine Ehefrau arbeitete."
Ergänzend hat der Senat festgestellt, dass der Beamte im Anschuldigungszeitraum bei der Grenzaufsichtsstelle O. im Zollkommissariat R. aufsichtsführender Beamter und damit Vorgesetzter von sechs bis sieben Untergebenen war.
Der Beamte hat sich im Wesentlichen dahin eingelassen, er bedauere sein Fehlverhalten. Aber er habe nicht aus eigennützigen Motiven gehandelt. Die insgesamt 25 Stangen unverzollter Zigaretten seien nur für seine größere Tochter, d.h. für den familiären Eigengebrauch, und für eine krebskranke, alte Dame in einem Altersheim bestimmt gewesen, die sich teure Zigaretten von ihrer Rente nicht habe leisten können. Diese Dame habe die Zigaretten zum jeweiligen Einstandspreis von 15 bis 18 DM je Stange erhalten.
Durch diese Handlungsweise hat der Beamte vorsätzlich schuldhaft gegen seine Dienstpflichten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 54 Satz 1 BBG), sich innerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauensgerecht zu verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) und sein Amt uneigennützig zu verwalten (§ 54 Satz 2 BBG), verstoßen. Die zuletzt genannte Pflichtverletzung, die ausdrücklich angeschuldigt ist, liegt nach der ständigen Senatsrechtsprechung bereits dann vor, wenn der Beamte aus persönlichen Gründen tätig geworden ist (vgl. z.B. Urteile vom 24. November 1999 - BVerwG 1 D 68.98 - Buchholz 235 § 18 BDO Nr. 1 = ZBR 2000, 313 = NVwZ-RR 2000, 364 und vom 11. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 2.01 -, jeweils m.w.N.). Davon ist nach dem festgestellten Sachverhalt auszugehen. Offen bleiben kann an dieser Stelle allerdings, ob der Beamte auch aus materiell-eigennützigen Motiven gehandelt hat. Das Vorliegen bzw. Fehlen entsprechender Handlungsabsichten ist allein für die Bemessung der Maßnahme von Bedeutung (vgl. z.B. Urteil vom 24. November 1999, a.a.O. m.w.N.; im genannten Fall wurde eine eigennützige Amtsführung bejaht, aber das Vorliegen materiell-eigennütziger Motive im Sinne einer Zueignungsabsicht verneint).
Zum Anschuldigungspunkt 2:
In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der Beamte auch die Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zu diesem Vorwurf eingeräumt. Danach ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt fand der Beamte beim Waffenreinigen in den Diensträumen der Grenzaufsichtsstelle O. auf dem Arbeitstisch inmitten von Reinigungslappen eine 9 mm-Patrone. Eine Nachfrage bei den noch anwesenden Kollegen ergab, dass die Patrone von niemandem vermisst wurde. Obwohl der Beamte wusste, dass er den Besitz dieser Patrone in der Geschäftsstelle des Zollkommissariats R. melden musste, unterließ er dies und legte die Patrone in einer ihm gehörenden Stahlkassette verschlossen in das ihm für die Aufbewahrung seiner Pistole zugeteilte Schließfach des Waffenschrankes. Der Beamte wollte die Patrone noch in seinem Besitz behalten, um weitere Aufklärungen über deren Herkunft betreiben zu können.
Ebenfalls zu einem heute nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt wurde dem Beamten eine weitere Patrone von einem Kollegen übergeben, die dieser neben der Sandkiste, an der die Waffen ge- und entladen werden, gefunden hatte. Eine Nachfrage bei den noch anwesenden Kollegen ergab wiederum, dass niemand die Patrone vermisste. Der Beamte verfuhr mit dieser Patrone ebenso wie mit der ersten.
Zu den beabsichtigten weiteren Nachforschungen durch den Beamten kam es jedoch nicht mehr, weil er kurz darauf einen Urlaub antrat und anschließend noch krank war. Am 29. Oktober 1998 wurden die Patronen im Rahmen einer Durchsuchung des Schließfaches durch das Zollfahndungsamt D. gefunden und beschlagnahmt.
Der Beamte hat sich unwiderlegt dahin eingelassen, er habe nicht vorgehabt, die beiden Patronen für eigene Zwecke zu verwenden.
Durch dieses Verhalten hat der Beamte als aufsichtsführender Bediensteter seine Dienstpflichten gemäß § 54 Satz 3 BBG und gemäß § 55 Satz 2 BBG vorsätzlich schuldhaft verletzt. Nach Abs. 26 Satz 5 der Dienstanweisung für den Grenzaufsichtsdienst der Zollverwaltung (GADDA) hat der aufsichtsführende Beamte der Grenzaufsichtsstelle Verluste und Mängel sowie überzähliges Gerät unverzüglich dem Zollkommissariat anzuzeigen; nach Abs. 9 GADDA hat der Beamte Vorfälle, Beobachtungen, Feststellungen und sonstige Erkenntnisse von dienstlicher Bedeutung unverzüglich zu melden. Diese dienstlichen Anordnungen, die dem Beamten bekannt waren, hat dieser bewusst nicht befolgt, weil er selbst noch habe aufklären wollen, wem die Patronen gehört haben.
2. Bemessung der Disziplinarmaßnahme:
Die vorsätzlich begangenen Pflichtverletzungen stellen ein einheitlich zu bewertendes Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, das sehr schwer wiegt und eine Herabstufung des Beamten um zwei Beförderungsstufen erforderlich macht.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz liegt das Schwergewicht der Dienstverfehlungen im Anschuldigungspunkt 1. Ein Beamter, der Waren unter Verletzung zoll- und steuerrechtlicher Bestimmungen über die Grenze verbringt und deshalb wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bestraft wird, begeht ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Steuerhinterziehungen, mit denen der Anspruch des Staates auf Einnahmen verkürzt wird, stellen im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden bedeutende Wirtschaftsdelikte dar. Für Steuerhinterziehungen gibt es allerdings keine Regelrechtsprechung des Senats hinsichtlich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme. Diese richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls (Urteil vom 6. Juni 2000 - BVerwG 1 D 34.99 - m.w.N.).
a) Die Dienstpflichtverletzungen im Anschuldigungspunkt 1 sind durch erheblich belastende Umstände gekennzeichnet, die - für sich gesehen - den Senat bereits veranlasst haben zu erwägen, ob die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen ist.
Gegen den Beamten spricht vor allem, dass er als Zollgrenzbeamter im Kernbereich seines Amtes versagt hat. Es gehört gerade zu den Kernpflichten (vgl. zu diesem Begriff: Urteil vom 23. August 1988 - BVerwG 1 D 136.87 - NJW 1989, 851 = ZBR 1990, 90) eines Zollbeamten, der Verletzung von Zoll- und Abgabenvorschriften entgegenzuwirken (vgl. dazu auch § 1 Abs. 1 Zollverwaltungsgesetz). Diese Kernpflichten hat der Beamte nicht nur einmalig, sondern in 14 Fällen über einen langen Zeitraum von über 1 3/4 Jahren wiederholt verletzt.
Von erheblichem Gewicht ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Beamte auch als Vorgesetzter über damals sechs bis sieben Untergebene schwer versagt hat, und zwar in zweifacher Hinsicht:
Indem der Beamte in Anwesenheit seiner Untergebenen über die "kleine" Freimenge von 40 Zigaretten hinaus Zigaretten ohne Anmeldung eingeführt und dadurch offen gegen Zollvorschriften verstoßen hat, hat er seinen Untergebenen gegenüber ein schlechtes Vorbild abgegeben. Dies steht aufgrund glaubhafter Zeugenaussagen fest. So hat der Zeuge S. vor dem Amtsgericht ... ausgesagt, der Beamte habe am 1. Mai 1998 anlässlich eines Streifenganges in seinem Beisein zwei Stangen Zigaretten in Tschechien gekauft, obwohl er nur zwei Schachteln am Tag "frei" gehabt habe. Nach Aussage des Zeugen Ha. hatte der Beamte am 20. September 1998 gerade eine nicht angemeldete zweite Stange Zigaretten im Dienstwagen verstaut, als er, der Zeuge, eine Reisende mit Zigaretten über der Freimenge kontrollierte; es steht allerdings nicht fest, dass die Reisende das zollwidrige Verhalten des Beamten bemerkt hatte. Der Zeuge He. berichtete vor dem Amtsgericht von einem Vorfall im September 1998, als der Beamte aus Tschechien eine Stange Zigaretten im Beutel mitbrachte und noch unter dem Arm ersichtlich mehr als eine Stange transportierte. Der Zeuge V. hat ausgesagt, der Beamte habe am 6. September 1998 in Deutschg. entsprechend seiner vorherigen Ankündigung zwei Stangen Zigaretten gekauft. Der Beamte, der der Richtigkeit dieser Zeugenaussagen nicht entgegengetreten ist und vor dem Amtsgericht noch erklärt hat: "Ich möchte mich bei meinen Kollegen entschuldigen ...", hat vor dem Amtsgericht auch zugegeben, damals von seinem Fehlverhalten kein Geheimnis gemacht zu haben. An den entsprechenden Grenzpunkten habe er gesagt, er gehe jetzt rüber und hole sich eine Stange. Manchmal sei jemand dabei gewesen. Er habe gewusst, dass er nur zwei Schachteln habe mitnehmen dürfen. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der Beamte zudem eingeräumt, den Zeugen S. aufgefordert zu haben, selbst über die Grenze zu gehen und Zigaretten zu kaufen und den Zeugen Sch. aufgefordert zu haben, ihm, dem Beamten, eine Stange Zigaretten mitzubringen. Soweit der Zeuge Sch. den Beamten zusätzlich mit der Behauptung belastet hatte, nach einem Vortrag über zollrechtliche Bestimmungen am 10. Januar 1997 habe der Beamte drei Stangen auf einmal geholt und "das dann mit uns" - gemeint waren offensichtlich die Untergebenen - durchgespielt und gefragt, was sie jetzt machen müssten, konnte der Senat der Zeugenaussage, über die Tatsache des Zollvergehens hinaus, keine besondere belastende Wirkung zusprechen. Der Beamte hat vor dem Senat verneint, damals eine solche provozierende Frage gestellt zu haben. Er sei bei jener Gelegenheit mit dem Zeugen Sch. allein gewesen. Auch bei der Rückkehr zur Dienststelle sei niemand mehr da gewesen. Die Richtigkeit dieser Einlassung kann dem Beamten nicht widerlegt werden, zumal sich keiner der übrigen als Zeugen angehörten Untergebenen an einen solchen Vorfall erinnert und davon berichtet hat.
Der Beamte hat gegenüber seinen Untergebenen aber nicht nur ein schlechtes Beispiel abgegeben, sondern hat diese auch insoweit mittelbar unter Druck gesetzt, als diese in Gewissenskonflikte gerieten, wie sie sich angesichts seiner offensichtlichen Zollverfehlungen ihm als Vorgesetzten gegenüber und auch den höheren Vorgesetzten in der Dienststelle gegenüber verhalten sollten. Dies steht ebenfalls aufgrund glaubhafter Zeugenaussagen fest. So hat der Zeuge He. vor dem Amtsgericht angegeben, er habe wegen des Verhaltens des Beamten mit diesem mehrfach Auseinandersetzungen gehabt. Da er, der Zeuge, aber noch auf Probe gewesen sei und selbst die Dienstälteren nichts angezeigt hätten, habe er nichts unternommen, zumal man ihm wohl auch nicht geglaubt hätte. Untereinander hätten sie ein schlechtes Verhältnis gehabt. Jeder habe dem anderen misstraut. Erst im September 1998 hätten sie Mut gefasst, etwas zu unternehmen. Der Zeuge V. hat ausgesagt, er sei im Sommer 1997 neu dazugekommen und habe mit den Jüngeren über das Fehlverhalten des Beamten gesprochen. Sie hätten sich aber nicht getraut, etwas zu sagen, da sie dem Beamten ja ausgeliefert gewesen seien. Ähnlich hat sich auch der Zeuge S. geäußert. Als Dienstanfänger habe er nicht den Mut gehabt, Meldung zu machen. Es hätte ihm sowieso niemand geglaubt. Der Zeuge Ha. hat vor dem Amtsgericht unter anderem angegeben, der Beamte habe die Untergebenen gegenseitig ausgespielt. Vor dem Zollfahndungsamt D. hat der Zeuge Sp. unter anderem ausgesagt, er habe aus Angst vor Repressalien zu dem Verhalten des Beamten geschwiegen. Dieser habe als Dienstvorgesetzter ihn, den Zeugen, auch wegen anderer Vorfälle unter Druck gesetzt und bei den Kollegen schlecht gemacht. Soweit der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Senat erklärt hat, es habe an der Grenzaufsichtsstelle damals untereinander keine Probleme gegeben, das "Klima" sei gut gewesen, ist diese Einlassung nicht geeignet, die große Zahl der in der Sache übereinstimmenden Zeugenaussagen zu entkräften; es handelt sich offensichtlich um eine Schutzbehauptung des Beamten. Sie widerspricht der "Entschuldigung" bei den Kollegen, die er vor dem Amtsgericht zum Ausdruck gebracht hat.
Den Beamten belastet ferner, dass er nicht freiwillig von seinem pflichtwidrigen Verhalten Abstand genommen hat. Nur durch die Zivilcourage neuer Kollegen wurden die Taten im September/Oktober 1998 der Dienststellenleitung bekannt und damit entdeckt. Der Beamte wurde dann zum 1. November 1998 zum Zollamt N. umgesetzt.
b) Trotz dieses Versagens des Beamten im Kernbereich seiner Pflichten als aufsichtsführender Zollgrenzbeamter hat der Senat von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme abgesehen. Das Dienstvergehen ist - auch unter Berücksichtigung der Verfehlung im Anschuldigungspunkt 2 - noch nicht so schwerwiegend, dass das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn bereits als endgültig zerstört angesehen werden muss. Dabei hat sich der Senat an Vergleichsfällen orientiert, in denen wegen zusätzlich vorliegender, erschwerender Umstände der Zollbeamte aus dem Dienst entfernt (Senatsurteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 D 16.97 ), bzw. mangels solcher Umstände gegen den Zollbeamten lediglich eine Degradierung ausgesprochen worden ist (Senatsurteil vom 22. Januar 1991 - BVerwG 1 D 23.90 - DokBer B 1991, 161).
Das vorliegende Dienstvergehen unterscheidet sich zugunsten des Beamten von dem Fall, der dem Urteil in der Sache BVerwG 1 D 16.97 zugrunde liegt und in dem ein Zollbeamter wegen gewerbsmäßigen Zigarettenschmuggels, zwar außerdienstlich begangen, aber mit engem innerdienstlichen Bezug, nach Verurteilung zu einer elfmonatigen Freiheitsstrafe vom Senat aus dem Dienst entfernt worden ist. In jenem Fall war nicht nur der Umfang der Verfehlungen größer als im vorliegenden Fall (dort 400 Stangen zu je 200 Zigaretten, Steuerschaden 21 750 DM, hier 25 Stangen zu je 160/180 Zigaretten, Steuerschaden ca. 1 117 DM); der dortige Zollbeamte hatte auch aus erheblichem materiellen Eigennutz gehandelt und einen Gesamtgewinn von etwa 1 600 bis 2 000 DM gemacht. Insoweit unterscheidet sich jener Fall auch von dem Sachverhalt, der der Sache BVerwG 1 D 23.90 zugrunde liegt. Dort hat der Senat die Degradierung eines Zollbeamten bestätigt, der innerdienstlich fortgesetzt Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hatte und deshalb - wie hier - zu einer Geldstrafe verurteilt worden war; mildernd ist vom Senat dort berücksichtig worden, dass der Zollbeamte ohne materiell-eigennützige Motive gehandelt hatte.
Ein solches Fehlverhalten aus erkennbar materiell-eigennützigen Motiven, das nach der ständigen Senatsrechtsprechung (z.B. Urteil vom 24. November 1999, a.a.O. m.w.N.) grundsätzlich maßnahmeverschärfend wirkt, kann dem Beamten auch im vorliegenden Fall nicht mit der Folge, dass deshalb die Höchstmaßnahme verhängt werden müsste, zur Last gelegt werden. Zwar ist der typische Fall des Schmuggels durch materiell-eigennützige Motive - in der Regel durch die Absicht, Eingangsabgaben nicht zu zahlen, d.h. Geldaufwand zu vermeiden - gekennzeichnet (vgl. Urteil vom 22. Januar 1991, a.a.O.). Ein solcher Fall, der eine Maßnahmeverschärfung rechtfertigen würde, ist hier jedoch nicht erwiesen. Über den Umstand des Schmuggelns hinaus ist das Fehlverhalten des Beamten nicht durch erheblichen finanziellen Eigennutz geprägt. Aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vor dem Senat kann dem Beamten, der wie seine Frau Nichtraucher ist, nicht widerlegt werden, dass er die (allein) vom Vorwurf und der Sachverhaltsfeststellung erfassten Zigaretten der Marken "Marlboro", "HB" und "Gauloises" an seine größere Tochter und an die im Altenpflegeheim lebende krebskranke Frau R. zum Einstandspreis, den er den vietnamesischen Händlern für unverzollte Ware gezahlt habe, weitergegeben hat. Der Beamte hat sich dahin eingelassen, soweit die Zigaretten nicht für seine rauchende Tochter, d.h. für den familiären Eigengebrauch bestimmt gewesen seien, habe die alte Dame im Pflegeheim die Zigaretten erhalten. Es habe sich gelegentlich, nicht monatlich, aber auch nicht mehr als einmal in dem betreffenden Monat um eine Stange gehandelt. Diese Stange habe seine Frau, die damals in dem Altenpflegeheim beschäftigt gewesen sei, an Frau R. zum jeweiligen Einstandspreis vom 15 bis 18 DM pro Stange weitergegeben. Wenn seine frühere Aussage so protokolliert worden sei, dass er von Frau R. etwa zwei- bis dreimal im Jahr 10 DM erhalten habe, so gebe es dafür nur eine Erklärung: Da Frau R. im Allgemeinen nur 15 DM bezahlt habe, seien manchmal überschießende Forderungsbeträge offen geblieben. Auf diese Beträge habe sie dann in anderen Monaten zusätzlich gezahlt. Insgesamt seien aber nur seine Aufwendungen ausgeglichen worden.
Diese Einlassungen des Beamten können ihm nicht widerlegt werden. Sie stimmen mit seinen früheren Äußerungen überein, wonach er die Zigaretten nur zum Selbstkostenpreis abgegeben habe; er habe nie Gewinne erzielt. Anhaltspunkte oder gar Beweismittel dafür, dass es sich insoweit nur um Schutzbehauptungen handelt, gab und gibt es nicht. Frau R. war schon während des Strafverfahrens nicht mehr vernehmungsfähig. Auch nach Aussage der Zeugin K., die damals im selben Pflegeheim beschäftigt war, ist nur erwiesen, dass Frau R. fast jeden Monat vom Beamten unversteuerte Zigaretten erhalten hat; zum Preis der Zigaretten hat sich die Zeugin nicht geäußert. Soweit der Beamte auch der Zeugin K. zum - ebenso nicht widerlegbaren - Selbstkostenpreis von 25 DM pro Stange bei tschechischen Händlern gelegentlich Zigaretten der Marke "Camel" besorgt hat, die mit einer tschechischen Steuer-Banderole versehen waren, ist dieser Sachverhalt, der nicht Gegenstand der vorliegenden Anschuldigung und des Verfahrens ist, nicht geeignet, die Richtigkeit der Einlassungen des Beamten bezüglich der hier in Rede stehenden anderen Zigarettenmarken in Zweifel zu ziehen.
c) Scheidet nach alledem die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme aus, so hält der Senat doch wegen der nicht unerheblichen Vertrauenseinbuße des Beamten und zur eindringlichen Pflichtenmahnung für die Zukunft eine Dienstgradherabsetzung gemäß § 10 BDO um zwei Beförderungsämter für erforderlich. Der bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getretene Beamte hatte zwar nach langjähriger Dienstzeit noch vor seinem Dienstvergehen überdurchschnittliche dienstliche Leistungen erbracht (vgl. Beurteilung vom 4. Oktober 1995). Nach Entdeckung seiner Taten zum 1. November 1998 ist er zum Zollamt N. umgesetzt worden und wird dort als Abfertigungsbeamter in der Wareneinfuhr beschäftigt. Sowohl die Vorbehaltsbeurteilung vom 2. November 1999 als auch die Regelbeurteilung vom 13. Februar 2003 lauten auf: "Entspricht den Anforderungen". Der Beamte hatte aber bereits zwei Jahre nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit (15. Dezember 1994) schwer versagt. Zudem hatte er seinem Dienstherrn persönliche Eignung vorgetäuscht, sodass er noch während seines Fehlverhaltens am 31. Januar 1997 in sein jetziges Amt befördert worden ist. Vor allen Dingen hat der Beamte als Vorgesetzter und Führungskraft das besondere Vertrauen seiner Untergebenen und seines Dienstherrn missbraucht und sich damit an die Grenze seiner Tragbarkeit für den öffentlichen Dienst gebracht. Er muss sich darüber im Klaren sein, dass er bei einer erneuten Dienstverfehlung riskiert, aus dem Dienst entfernt zu werden.
Über den (engeren) Zweck der Degradierung hinaus hat die Maßnahme auch pflichtenmahnende (Außen-)Wirkung auf die Beamtenschaft im Allgemeinen. Durch die Herabstufung bis in das Eingangsamt seiner Laufbahn wird nicht nur dem Beamten selbst, sondern auch seiner Umgebung die Schwere des Dienstvergehens, das sich wegen der unverholenen Begehungsweise im Kollegenkreis herumgesprochen haben wird, nachhaltig vor Augen geführt (vgl. dazu Urteil vom 27. Juni 1995 - BVerwG 1 D 12.94 - BVerwGE 103, 248 = Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 6 = NVwZ-RR 1996, 97 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 2, § 115 Abs. 5 Satz 1 BDO.