Beschluss vom 26.02.2004 -
BVerwG 5 B 22.03ECLI:DE:BVerwG:2004:260204B5B22.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.02.2004 - 5 B 22.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:260204B5B22.03.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 22.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 13.12.2002 - AZ: OVG 2 A 2955/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nicht begründet. Die als alleiniger Zulassungsgrund geltend gemachte (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) Verfahrensfehlerhaftigkeit des Berufungsurteils (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beschwerde behauptet einen Verstoß gegen die Pflicht des Berufungsgerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das Gericht "für eine Beibringung der 'Forma 1' durch die Beklagte oder durch den Senat selbst (hätte) Sorge tragen ... müssen". Ein solcher Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht ist hier jedoch nicht festzustellen. Das Oberverwaltungsgericht hat in der Berufungsverhandlung unter Hinweis "auf die Schwierigkeiten, die sich bei der Befragung des Klägers zum Passantragsverfahren ergeben hätten", den Kläger zu 1 unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Ausstellung seines ersten Inlandspasses gehört (siehe S. 2 ff. der Sitzungsniederschrift vom 13. Dezember 2002). Das Unterbleiben einer - zusätzlichen - Sachverhaltsaufklärung (hier durch Einholung des von der Beschwerde für erforderlich gehaltenen Urkundsbeweises) wäre nur dann verfahrensfehlerhaft gewesen, wenn ein diesbezüglicher Beweisantrag gestellt worden wäre oder die Einholung eines solchen Beweises sich dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Dies war hier nicht der Fall.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung hat sich dem Oberverwaltungsgericht hier deshalb nicht aufdrängen müssen, weil das Gericht nach der Einvernahme des Klägers zu 1 davon ausgegangen ist, dass er "entsprechend dem üblichen Verfahren bei der Ausstellung des ersten Inlandspasses bewusst und freiwillig einen Antrag unterzeich-net hat, in dem als Nationalität 'Russe' angegeben war" (S. 10 des Berufungsurteils). Da das Gericht bei der Auswahl seiner Erkenntnismöglichkeiten frei war (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), war es durch das Verfahrensrecht auch nicht gehindert, seine Überzeugung auf der Grundlage einer informatorischen Befragung des Klägers zu 1 zu gewinnen, ohne durch eine gegenüber anderen Beweismitteln subsidiäre Parteivernehmung des Klägers förmlich Beweis zu erheben. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat gegenüber dem Berufungsgericht sodann nicht beantragt (§ 86 Abs. 2 VwGO), eine Ablichtung der "Forma 1", die zur Erteilung des Passes an den Kläger zu 1 geführt hat, zu beschaffen und auf diese Weise - zusätzlichen - Beweis über das Verfahren der Ausstellung des ersten Inlandspasses zu erheben.
Es stellt ferner kein Überraschungsurteil dar, dass das Berufungsgericht durch die Anhörung des Klägers zu 1 zu der "Überzeugung (gelangt ist), dass der russische Nationalitäteneintrag im ersten Inlandspass tatsächlich auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers zu 1 beruht" (S. 14 des Berufungsurteils) und hierauf das angegriffene Urteil gestützt hat. Schon der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf Zweifel an den Umständen des Zustandekommens des Passeintrags gestützt gewesen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 22. Mai 2000), das Berufungsgericht hatte die Berufung zugelassen, weil es ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hatte (Beschluss vom 15. August 2000), in der Berufungsverhandlung war sodann der Kläger zu 1 zum Passantragsverfahren gehört worden. Danach konnte für die Kläger nicht zweifelhaft sein, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens von der Beurteilung dieses Gesichtspunktes abhängen könnte. Schon deshalb ist ohne Bedeutung, dass das Oberverwaltungs-gericht in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 13. Dezember 2001 - 2 A 2674/99 -) aufgrund der in jenem Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme einen Verfahrensablauf ermittelt hatte, in dem die russische Nationalität ohne eine entsprechende Erklärung des Passbewerbers in seinen ersten Inlandspass eingetragen worden war.
Soweit die Beschwerde sich gegen die Wertung der vom Kläger zu 1 "aus erster Hand" erhaltenen Informationen infolge eines Widerspruchs zu Angaben seiner Mutter als nicht glaubhaft wendet, liegt darin ein zur Darlegung eines Verfahrensfehlers ungeeigneter Angriff gegen die Beweiswürdigung.
Auch die von der Beschwerde nachgereichten Ablichtungen von Urkunden, durch die der Kläger zu 1 seine Angaben in vollem Umfang bestätigt sieht, eignen sich nicht dazu, einen dem Berufungsurteil anhaftenden Verfahrensfehler darzulegen. Ob sie als Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG angesehen werden können, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.