Beschluss vom 25.11.2003 -
BVerwG 8 B 141.03ECLI:DE:BVerwG:2003:251103B8B141.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.11.2003 - 8 B 141.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:251103B8B141.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 141.03

  • VG Potsdam - 24.06.2003 - AZ: VG 9 K 4277/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. November 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 142 241,40 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr vorgebrachten Gründe rechtfertigen es nicht, die Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen.
1. Die Beschwerde rügt eingangs zu Unrecht eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie meint, die Annahme des Verwaltungsgerichts sei falsch, dass langjährige Mieter "zweifellos zu den - vorrangig - erwerbsberechtigten Personen" nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (GBl DDR I 578) gehört hätten. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die "Freiheit" bezieht sich auf die Bewertung von Tatsachen und Beweisergebnissen, d.h. auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Hier hat das Verwaltungsgericht seine beanstandete Schlussfolgerung aus der Durchführungsbestimmung zu dem vorgenannten Gesetz gezogen, nach der volkseigene Eigenheime u.a. an Bürger verkauft werden konnten, die das Eigenheim zum Zeitpunkt des Verkaufs bewohnt hatten. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass damit langjährige Mieter "vorrangig" erwerbsberechtigt gewesen seien, ist denkgesetzlich nicht zu beanstanden. Der Einwand der Beschwerde, dass nach § 1 Abs. 2 des vorgenannten Gesetzes "bevorzugt" Arbeiterfamilien und kinderreichen Familien volkseigene Gebäude anzubieten gewesen seien, besagt nicht, dass es sich insoweit um ein abschließendes Auswahlkriterium gehandelt hatte. Die Durchführungsbestimmung hat ausdrücklich auch Mieter zum begünstigten Personenkreis gezählt. Wenn das Verwaltungsgericht mit dem Erfahrungswissen seiner Richter zu der Einschätzung gelangt, dass danach in der Rechtswirklichkeit der DDR langjährige Mieter vor anderen Interessenten als erwerbsberechtigt angesehen wurden, nimmt es eine Wertung der damaligen Rechtslage vor, gegen die revisionsrechtlich nichts einzuwenden ist. Ein Fehler in der Überzeugungsbildung ist dabei nicht ersichtlich (vgl. hierzu Beschluss vom 22. April 2003 - BVerwG 8 B 28.03 - bei juris).
2. Die Divergenzrüge, mit der die Beschwerde ihre Begründung fortsetzt, ist ebenfalls nicht revisionseröffnend. Eine Abweichung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die Beschwerde muss die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier. Rechtsanwendungsfehler - sollten sie dem Verwaltungsgericht bei Anwendung von § 4 Abs. 2 VermG unterlaufen sein - stellen keine relevante Divergenz dar.
3. Die geltend gemachte Verletzung des Überzeugungs- und des Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 108, 86 VwGO) hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen die Wohnraumlenkungsverordnung hilft der Beschwerde ebenfalls nicht weiter. Die beanstandeten Wertungen sind vom Verwaltungsgericht nur hilfsweise vorgenommen worden, tragen also das angegriffene Urteil nicht. Entscheidend ist die Einschätzung der Sachlage, dass der Erwerbsvorgang nicht gezielt von den Umständen beeinflusst war, die zur Wohnraumzuweisung geführt hatten.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die konkrete Wohnraumsituation im Obergeschoss eingeht, bleibt die Erheblichkeit ihrer Ausführungen unklar; denn das Verwaltungsgericht hat in seine rechtlichen Erwägungen ausdrücklich die Möglichkeit mit einbezogen, dass das Eigenheim eine zweite Wohnung enthielt (UA S. 8 f.). Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, dass diese Wohnung mangels eigener Toilette nicht für familienfremde Personen zuweisungsgeeignet war, kann nicht Inhalt einer Verfahrensrüge sein.
Die Angriffe der Beschwerde gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, mögliche Fehler im Genehmigungsverfahren seien nicht der Beigeladenen zu 1 zuzurechen, richten sich ebenfalls nur gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Wenn anschließend die Beschwerde einwendet, dass "die Beigeladene ... das Objekt auf Kosten der KWV zunächst umfangreich (habe) sanieren lassen, um sich dann im Alter das Objekt billigst für sich zu sichern", setzt sie der tatsächlichen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts eine davon abweichende Beweiswürdigung entgegen. Mit solchen Angriffen lässt sich ein zur Revision führender Verfahrensmangel nicht erfolgreich dartun.
4. Die Aufklärungsrüge wegen der nicht beigezogenen Bauakten ist unbegründet. Einen entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt, und eine solche Beweisaufnahme hat sich der Vorinstanz auch nicht aufdrängen müssen. Andeutungen für eine der Beigeladenen zu 1 zurechenbare Manipulation haben sich für das Verwaltungsgericht nicht ergeben (UA S. 13). Das ist schon angesichts der zeitlichen Verhältnisse verständlich.
5. Das Verwaltungsgericht brauchte auch der Behauptung der Fälschung der maßgeblichen Erwerbsunterlagen nicht weiter nachzugehen. Der Kläger hat für seine Behauptung keine Beweismittel benannt. Seine Behauptung, es habe in der DDR "bekanntermaßen zahlreiche Aktenfälschungen" gegeben, reicht nicht aus und die, dass die Nutzungsurkunde das Datum " 30. 09. 89" (und nicht "30. 09. 85") ausweise, ist neu. Einen entsprechenden Tatbestandsberichtigungsantrag hat der Kläger nicht gestellt.
6. Der Sache kommt auch die ihr beigegebene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu. Die Beschwerde hält die Aufhebung der Ersatzgrundstücksregelung in § 9 VermG durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz vom 15. September 2000 (BGBl I 1382) für verfassungswidrig. Der Senat hat indes mit Urteil vom 30. Mai 2001 - BVerwG 8 C 13.00 - (BVerwGE 114, 291 = Buchholz 428 § 9 VermG Nr. 5) befunden, dass die Aufhebung von § 9 VermG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16. August 2001 - 1 BvR 1270/01 - nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Senat sieht keinen Grund, seine Auffassung zu revidieren. Auf die aus Art. 41 Einigungsvertrag hergeleiteten Einwände ist er in der zitierten Entscheidung bereits eingegangen. Er ist auch schon der Meinung entgegengetreten, der Anspruch auf ein Ersatzgrundstück habe eine Eigentumsposition ergeben und den Schutz von Art. 14 GG genossen. Nach der geänderten Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung ist der Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks nicht durch das Eigentumsrecht geschützt gewesen; bloße Chancen, eine Übereignung erlangen zu können, stehen einer Rechtsposition, die ein Rechtssubjekt bereits innehat, nicht gleich.
Entgegen der Beschwerde scheidet deshalb auch eine Verletzung des in Art. 1 Abs. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerten Rechts auf Achtung des Eigentums aus. Dieses Eigentum ist zwar nicht auf das an körperlichen Gegenständen beschränkt, erfasst aber begrifflich nur solche Vermögenswerte, die als Rechte und Interessen die Aktiva darstellen (EGMR, Urteil vom 12. Dezember 2002 - Nr. 37290/97 - Ziff. 42, EuGRZ 2003, 224 <227>). Ferner ist der Gerichtshof nach dieser Entscheidung hinsichtlich der Zweckbestimmtheit der Auffassung, dass das Vermögensgesetz, welches vermögensrechtliche Konflikte infolge der Wiedervereinigung Deutschlands durch Suche nach Gestaltung eines sozialverträglichen Ausgleichs zwischen den unterschiedlichen Interessen regeln soll, ohne Zweifel ein Allgemeininteresse verfolgt (a.a.O. Ziff. 50). Ein Eingriff, sollte er vorliegen, ist danach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.