Beschluss vom 25.07.2006 -
BVerwG 4 B 54.06ECLI:DE:BVerwG:2006:250706B4B54.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.07.2006 - 4 B 54.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:250706B4B54.06.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 54.06

  • Bayerischer VGH München - 24.04.2006 - AZ: VGH 14 B 04.2707

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Hofherr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung
  2. der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-gerichtshofs vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Beschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Soweit sie ausführt, der Fall gebe Gelegenheit, die Anwendung von § 31 Abs. 2 BauGB in Zeiten der Reduzierung von landesrechtlichen Bauvorschriften zu konkretisieren, lässt sie es bereits an der Formulierung einer hinreichend konkreten klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlen. Auch die weitere als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob die Ermessensentscheidung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen eines „Etikettenschwindels“ auf „Null resultiert“, kann eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat bereits die Vorfrage, ob die Verwaltungsbehörden und das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die landesrechtlichen Abstandsvorschriften das Vorhaben des Beigeladenen als Motorradgarage ansehen durften oder nicht vielmehr als Aufenthaltsraum hätten ansehen müssen - hierin sehen die Kläger den „Etikettenschwindel“ - als nicht entscheidungserheblich für das allein nach bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende streitgegenständliche isolierte Befreiungsbegehren angesehen. Die fehlende Entscheidungserheblichkeit dieser Vorfrage wird von der Beschwerde nicht substantiiert angegriffen. Im Übrigen ist die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Ermessensreduzierung bei Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB geboten ist, einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, da ihre Beantwortung von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls abhängt. Die weiteren Ausführungen der Beschwerde in diesem Zusammenhang erschöpfen sich in einer auf den Streitfall bezogenen Kritik der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung, insbesondere dahin, dass das Berufungsgericht fehlerhaft eine Verletzung von Rechten der Kläger unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das in § 31 Abs. 2 BauGB verankerte drittschützende Rücksichtnahmegebot verneint habe.

3 2. Die Rechtssache ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2) zuzulassen. Die Divergenzrüge ist im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nur schlüssig dargelegt, wenn aufgezeigt wird, dass die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie arbeitet keine miteinander unvereinbaren Rechtssätze aus der Entscheidung des Berufungsgerichts und den von ihr zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2001 - BVerwG 4 B 34.01 -, vom 8. Juli 1998 - BVerwG 4 B 64.98 - und vom 25. Februar 1977 - BVerwG 4 C 22.75 - heraus, sondern beanstandet die unrichtige Anwendung höchstrichterlicher Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall. Dies verkennt die Beschwerde selbst nicht, da sie ausführt: „Hätte der Verwaltungsgerichtshof die Kriterien aus den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts konkret subsumiert, hätte der Berufung stattgegeben werden müssen.“ Subsumtionsfehler - wenn sie denn vorlägen - vermögen den Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO indes nicht zu begründen.

4 3. Schließlich rechtfertigt auch die (vorsorglich) erhobene Aufklärungsrüge,
die darauf gerichtet ist, das Berufungsgericht habe einen Ortstermin durchführen müssen, nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage, ob die vorinstanzliche Entscheidung an einem Verfahrensmangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts her zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Da die Entscheidung über die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB aus Sicht des Berufungsgerichts nicht von der Funktion des umstrittenen Vorhabens abhing, brauchte es nicht zu ermitteln, ob es sich bei dem Vorhaben um eine Motorradgarage oder um einen Aufenthaltsraum handelt.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.