Beschluss vom 25.07.2003 -
BVerwG 4 BN 45.03ECLI:DE:BVerwG:2003:250703B4BN45.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.07.2003 - 4 BN 45.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:250703B4BN45.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 45.03

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 17.04.2003 - AZ: OVG 2 K 292/02

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l , H a l a m a und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. April 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung des vorinstanzlichen Streitwertbeschlusses vom 17. April 2003 für jeden Rechtszug auf 20 000 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, einer Divergenz zwischen dem Normenkontrollurteil und einer höchstrichterlichen Entscheidung oder eines Verfahrensmangels zuzulassen ist.
1. Die von der Beschwerde in erster Linie aufgeworfene Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, die Fahrtzeiten von Eisenbahnen aus naturschutzrechtlichen Gründen durch eine landesrechtliche Regelung zu beschränken, führt nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie lässt sich anhand des Gesetzes und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes (Art. 70 ff.) verbietet nicht ein Landesgesetz, das die Fahrtzeiten von Eisenbahnen festsetzt oder - wie hier - zu Festsetzungen durch die Exekutive ermächtigt. Zwar lässt sich ein solches Gesetz dem Regelungsbereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG zuordnen, weil mit dem Gebiet der Schienenbahnen die Angelegenheiten des Schienenverkehrs gemeint sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Oktober 1962 - 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61 - BVerfGE 15, 1 <13>). Ist es dem Naturschutz zu dienen bestimmt, ist aber auch Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG angesprochen. Die Materien des Art. 74 Abs. 1 GG hat der Bund unter den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Voraussetzungen selbst zu regeln, während er im Anwendungsbereich des Art. 75 Abs. 1 GG nur Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder erlassen darf. Da nicht unterstellt werden kann, dass das Grundgesetz dieselbe Sachkompetenz in zwei verschiedenen Bestimmungen mit unterschiedlichem Ausmaß regelt, kann Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG nur so ausgelegt werden, dass die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das Schienenbahnwesen nicht denselben sachlichen Bereich erfasst wie die Rahmenkompetenz des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Oktober 1962, a.a.O. <15> zum Verhältnis zwischen Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 und Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GG). Vorrang hat Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG, weil er gegenüber Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG eine kompetenzielle Spezialregelung darstellt. Er schließt in seinem Anwendungsbereich einen Rückgriff auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG aus.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerde hat auch der Bund die Kompetenzabgrenzung beachtet. Es trifft nicht zu, dass § 26 AEG die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes für sich reklamiert. Die von der Beschwerde ins Feld geführte Ermächtigung der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in § 26 Abs. 3 Satz 1 AEG, zur Gewährleistung des Umweltschutzes Rechtsverordnungen nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AEG zu erlassen, bezieht sich auf die Normierung von Bestimmungen, die die Umweltverträglichkeit der Eisenbahnen, insbesondere ihres Fuhrparks, sicherstellen sollen. Darum geht es hier nicht.
Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer landesrechtlichen Festsetzung der Öffnungszeiten gastronomischer Betriebe nötigt ebenfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Auch insoweit hat die streitige Verordnung allein einen naturschutzrechtlichen Regelungsgehalt. Sie unterfällt daher ebenfalls dem Bereich der Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG und nicht dem Recht Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, mag die getroffene Regelung auch von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für das Wirtschaftsleben sein (vgl. Kunig in: von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 74 Rn. 43).
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde benennt weder das Gericht (Bundesverwaltungsgericht, Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Bundesverfassungsgericht) und dessen Entscheidung mit Datum und Aktenzeichen, von der das Normenkontrollgericht abgewichen sein soll, noch zeigt sie auf, dass sich die Vorinstanz mit einem ihr Urteil tragenden Rechtssatz zu einem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat.
3. Schließlich führt die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zur Zulassung der Revision. Dabei kann unterstellt werden, dass eine nach Art. 100 Abs. 1 GG gebotene, aber unterbliebene Anrufung des Bundesverfassungsgerichts einen Verfahrensmangel darstellen kann; denn da das Normenkontrollgericht § 11 Satz 2 NlpG LSA (LSA-GVBl 2001 S. 304) als Rechtsgrundlage für § 3 der angegriffenen Verordnung nicht für verfassungswidrig gehalten hat, sind die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht gegeben. Der Umstand, dass ein Verfahrensbeteiligter eine ihm nachteilige Regelung als verfassungswidrig ansieht, vermag eine Vorlagepflicht nicht auszulösen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG ist entgegen der Auffassung des Normenkontrollgerichts nicht einschlägig, da die Antragstellerin am Ausgang des Verfahrens ein wirtschaftliches Interesse hat. Gegenüber dem Normenkontrollgericht hat sie den jährlichen Einnahmeausfall durch die Reglementierung ihres Fahrbetriebes mit 275 000 € beziffert. Der Senat schätzt, dass ihr damit ein Gewinn von mindestens 20 000 € entgeht. Er setzt deshalb den Streitwert auf diesen Betrag fest. Seine Befugnis, die erstinstanzliche Streitwertentscheidung von Amts wegen zu ändern, ergibt sich aus § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.