Beschluss vom 25.03.2010 -
BVerwG 9 B 75.09ECLI:DE:BVerwG:2010:250310B9B75.09.0

Beschluss

BVerwG 9 B 75.09

  • OVG Rheinland-Pfalz - 19.03.2009 - AZ: OVG 9 C 11011/08

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und Dr. Christ
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts für Rheinland-Pfalz und das Saarland vom 19. März 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3 tragen die Kläger zu je 1/2. Die Beigeladene zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

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1 Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

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2 1. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Die Beschwerde rügt, das Flurbereinigungsgericht habe Vortrag der Kläger zu bestimmten tatsächlichen Umständen des Streitfalls nicht berücksichtigt, nämlich (1.) dass den Klägern von Vertretern der Flurbereinigungsbehörde mitgeteilt worden sei, eine Bauvoranfrage sei nicht erforderlich, (2.) dass die Kläger auf die Möglichkeit eines freiwilligen Landtauschs hingewiesen hätten, (3.) dass der Wert ihres Weideschuppens nicht nach dessen Sachwert, sondern auch an dessen Nutzwert zu bemessen sei und (4.) dass die Möglichkeit einer Nachsichtgewährung wegen Versäumung eines Widerspruchs gegen die Nichtberücksichtigung einer Verzichtserklärung der Ortsgemeinde G. in Betracht zu ziehen sei. Der Vorwurf eines Gehörsverstoßes ist jedoch unberechtigt. Sämtliche genannten Aspekte sind im Tatbestand (UA S. 3 bis 5) bzw. in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (UA S. 9/10, S. 13 und 14) behandelt, jedoch hat das Flurbereinigungsgericht daraus nicht die von den Klägern gewünschten rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt aber nicht davor, dass ein Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des materiellen Rechts für nicht entscheidungserheblich hält bzw. ihm nicht folgt (vgl. Beschluss vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 7 Rn. 3 = NVwZ 2008, 1027 <1028>; stRspr).

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3 2. Der Rechtssache kommt auch mit keiner der von ihr angeführten Fragestellungen eine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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4 a) Die Beschwerde hält die Fragen für klärungsbedürftig,
„ob § 59 Abs. 3 FlurbG so zu verstehen (ist), dass eine während des Verfahrens abgegebene Verzichtserklärung nur dann berücksichtigt werden kann, wenn diese im Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG mitgeteilt wird,“
und
„ob der Widerspruch gegen die Landabfindung, welcher fristgerecht eingelegt wurde, nicht auch einen Widerspruch gegen eine unvollständige Berücksichtigung der Einlagegrundstücke und die Berechnung des Abfindungsanspruchs darstellt.“

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8 Die erste Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Sie geht an der Begründung des angefochtenen Urteils vorbei. Ob im Streitfall die von der Ortsgemeinde G. erteilte Verzichtserklärung zugunsten der Kläger im Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG „mitgeteilt“ wurde oder nicht, war für das Flurbereinigungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat das Begehren der Kläger nach höherer Abfindung (unter Berücksichtigung der Verzichtserklärung) vielmehr deshalb verneint, weil ihr Abfindungsanspruch unanfechtbar feststehe mangels rechtzeitiger Einlegung eines Widerspruchs gegen die aus dem Nachweis des neuen Bestands des Zusammenlegungsplans ersichtliche Mehr- und Minderausweisung (UA S. 9).

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9 Hinsichtlich der zweiten Frage, ob ein Widerspruch gegen die in einem Flurbereinigungsplan vorgesehene Landabfindung auch einen Widerspruch gegen eine unvollständige Berücksichtigung der Einlagegrundstücke und die Berechnung des Abfindungsanspruchs darstellt, zeigt die Beschwerde nicht auf, dass diese Frage revisionsgerichtlicher Klärung zugänglich ist. Was Inhalt und Angriffsgegenstand eines Widerspruchs ist, ist in erster Linie eine Frage der Auslegung des jeweiligen konkreten Rechtsbehelfs, die das Tatsachengericht entsprechend den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen hat, und entzieht sich einer generalisierenden Aussage des Inhalts, wie sie von der Fragestellung der Beschwerde angestrebt wird. Wenn das Flurbereinigungsgericht in tatrichterlicher Würdigung des Widerspruchs der Kläger mit Blick auf die dort konkret erhobenen Beanstandungen (UA S. 3) gefolgert hat, dass der Widerspruch nicht auch die unerwähnt gebliebene, aber aus dem Nachweis des neuen Bestands ersichtliche Nichtberücksichtigung der Verzichtserklärung der Ortsgemeinde G. und eine daraus folgende Minderausweisung der Landabfindung umfasste (UA S. 9), zeigt dies keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf.

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10 b) Die Beschwerde will weiter die Frage geklärt wissen,
ob ein qualifizierter Planwunsch angenommen werden muss, sofern
1. auf die Bauabsichten mündlich hingewiesen wurde,
2. seitens des zuständigen Sachbearbeiters eine vorsorgliche Bauvoranfrage im Hinblick auf eine in Aussicht gestellte Zuteilung nicht erforderlich gehalten wurde,
3. auf die Möglichkeit des freiwilligen Landtauschs hingewiesen wurde,
4. die Gemengelage mit der vorhandenen Wohnbebauung die Aussiedlung geradezu aufdrängt,
5. Vieh- und Flächenbedarf im Falle der Aussiedlung noch klärungsbedürftig, aber klärungsfähig ist.

8

17 Damit ist eine rechtsgrundsätzliche Frage von fallübergreifender Bedeutung nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Vielmehr erschöpft sich die Fragestellung in der (egal ob alternativ oder kumulativ gemeinten) Auflistung von tatsächlichen Umständen, die dem Sachverhalt des Streitfalls entnommen sind. Hiernach wendet sich die Beschwerde „im Gewand“ einer vermeintlichen Grundsatzrüge in Wahrheit gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Flurbereinigungsgericht im konkreten Streitfall. So kann eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erreicht werden.

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18 c) Soweit die Beschwerde anführt, es stelle sich
in diesen Fällen die Frage der Nachsichtgewährung gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 144, 146 Nr. 2, §§ 32, 59 Abs. 2 FlurbG,

10 sind die Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ebenfalls schon deshalb nicht erfüllt, weil die Beschwerde auch insoweit keine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage formuliert, sondern allenfalls - ohne weitere Begründung - ein „Thema“ benennt.

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21 d) Mit der weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Frage,
„unter welchen Voraussetzungen ein Grundstück als zugänglich bezeichnet werden kann“,

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23 ist ebenfalls kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat jeder Teilnehmer gemäß § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG Anspruch auf eine Erschließung, die ihm die Benutzung seiner Abfindungsflurstücke jederzeit ohne besondere Schwierigkeiten ermöglicht; der Neubesitz soll dem Teilnehmer für jede dort mögliche und erlaubte funktionsgerechte Benutzung „zugänglich“ sein (Urteil vom 30. September 1992 - BVerwG 11 C 8.92 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 71 S. 30; Beschluss vom 8. April 2009 - BVerwG 9 B 55.08 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 90 Rn. 13). Das Gesetz gibt allerdings keinen Anspruch auf eine bestimmte Qualität der Erschließung, namentlich nicht auf eine feste Wegedecke. In welchem Umfang und in welcher Qualität die Wege auszubauen sind, hängt von den Umständen im Verfahrensgebiet ab. Der Wegeausbau muss der Nutzung der neuen Grundstücke entsprechen. Daher müssen nicht alle Wege in gleicher Weise ausgebaut und befestigt sein (vgl. Beschluss vom 9. Juli 1964 - BVerwG 1 CB 43.64 - RdL 1964, 328 <330>; Urteil vom 25. November 1970 - BVerwG 4 C 80.66 - RdL 1971, 97 <100>). In Einklang mit dieser Rechtsprechung hat das Flurbereinigungsgericht einen Anspruch der Kläger auf Befestigung des Erdweges zu dem Abfindungsgrundstück Flur 3 Nr. 137/2 verneint, weil ein Erdweg zur Erschließung eines Waldgrundstücks grundsätzlich ausreiche und außerdem in geringer Entfernung ein ausgebauter Verbindungsweg vorhanden sei. Das lässt keinen Bedarf nach weitergehender revisionsgerichtlicher Klärung erkennen.

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24 e) Die schließlich aufgeworfene Frage,
„ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Abfindung in bestimmter Lage besteht und gegenüber den Interessen anderer Teilnehmer vorrangig ist“,

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26 rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass grundsätzlich kein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens einen Anspruch auf Abfindung in bestimmter Lage hat, sondern nur auf eine insgesamt wertgleiche Abfindung nach den Maßgaben von § 44 Abs. 1 bis 4 FlurbG (vgl. nur Beschlüsse vom 25. April 1956 - BVerwG 1 B 201.55 - BVerwGE 3, 246 <248> und vom 27. November 1961 - BVerwG 1 B 127.61 - RdL 1962, 243 <244>; Urteil vom 23. August 2006 - BVerwG 10 C 4.05 - BVerwGE 126, 303 Rn. 27). Mit diesem Anspruch einschließlich der Frage, ob die Kläger einen ggfs. zu berücksichtigenden qualifizierten Planwunsch geäußert haben, hat sich das Flurbereinigungsgericht im angefochtenen Urteil eingehend befasst. Die Beschwerde zeigt auch insoweit keinen über den bisher erreichten Stand der Rechtsprechung hinausweisenden revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf.

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27 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3 für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.