Beschluss vom 24.11.2004 -
BVerwG 7 B 128.04ECLI:DE:BVerwG:2004:241104B7B128.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.11.2004 - 7 B 128.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:241104B7B128.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 128.04

  • VG Chemnitz - 18.03.2004 - AZ: VG 9 K 1398/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. März 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

1. Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme eines Bescheides, mit dem ihre Entschädigungsberechtigung hinsichtlich eines ausreisebedingt veräußerten Eigenheims festgestellt worden war. Ihre nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 48 VwVfG für eine Rücknahme vorlägen; denn der zurückgenommene Bescheid sei rechtswidrig gewesen, der Rücknahmebescheid sei fristgerecht ergangen und das Landratsamt habe auch sein Rücknahmeermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Klägerin wendet sich in weiten Teilen ihrer Beschwerdebegründung in der Art einer Berufungsbegründung mit tatsächlichen und rechtlichen Einwänden gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, ohne Gründe zu bezeichnen, die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO allein die Zulassung der Revision rechtfertigen können. Aber auch dort, wo sich ihrem Vorbringen bei wohlwollender Auslegung die Darlegung eines gesetzlich vorgesehenen Revisionsgrundes entnehmen lässt, ist ihrer Beschwerde kein Erfolg beschieden.
1. Das gilt zunächst, soweit sie die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits darin sieht, dass die Ausreise, die zum Verkauf des Eigenheims geführt habe, nachgewiesener Maßen verfolgungsbedingt gewesen sei. Ihre Vorstellung, unter dieser Voraussetzung müsse auch der Verlust des unter Inanspruchnahme eines Nutzungsrechts errichteten Gebäudes in derselben Weise wie ansonsten die ausreisebedingte Veräußerung eines in Volleigentum stehenden Hausgrundstücks als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG eingeordnet werden, begründet keinen Klärungsbedarf, der die Durchführung eines Revisionsverfahrens fordert. Dass und warum das behördliche Verlangen, vor der ständigen Ausreise aus der DDR ein auf einem volkseigenen Grundstück errichtetes Eigenheim zu veräußern, aus vermögensrechtlicher Sicht anders zu beurteilen ist, als die behördliche Forderung auf Verkauf eines Hausgrundstücks, hat der Senat in seinem der Klägerin bekannten Urteil vom 29. August 1996 - BVerwG 7 C 38.95 - (BVerwGE 102, 53; bestätigt mit Urteil vom 16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 36.97 - BVerwGE 107, 156) eingehend dargelegt. Bisher nicht berücksichtigte Gründe, die den Senat veranlassen könnten, diese Rechtsprechung zu überdenken, benennt die Klägerin mit ihrer Beschwerde nicht. Das behördliche Verlangen auf Veräußerung von Gebäudeeigentum vor der Ausreise wird auch nicht allein dadurch zu einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG, dass die Ausreise als solche verfolgungsbedingt war; denn die behördliche Forderung war auch unter dieser Voraussetzung die notwendige Folge des Umstandes, dass der Nutzungsberechtigte seiner Pflicht zur persönlichen Nutzung des Objekts nicht mehr nachkommen konnte. Insoweit hat das Verwaltungsgericht in seinem im Vorprozess ergangenen Urteil vom 27. Mai 1998 (VG 5 K 1356/95) die Klägerin zutreffend auf die Vorschriften über die strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Rehabilitierung hingewiesen, die unter den dort genannten Voraussetzungen zur Wiedergutmachung von vermögensrechtlichen Folgen einer politischen Verfolgung führen können. Eine Anwendung des § 1 Abs. 3 VermG kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die staatlichen Stellen die Ausreise des Betroffenen gezielt herbeigeführt haben, um auf sein Eigentum zugreifen zu können. Dafür gibt es hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Anhaltspunkte; ein solcher Sachverhalt wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
2. Soweit die Klägerin eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO rügt, weil das Gericht ihre Beweisanträge abgelehnt habe, liegt kein Verfahrensmangel vor, der zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen kann. Die Klägerin verkennt, dass sich der Umfang der Sachaufklärungspflicht nach der dem Urteil zugrunde liegenden materiellen Rechtsauffassung richtet. Danach kam es aber auf die von der Klägerin unter Beweis gestellten Tatsachen nicht an, weil nach Auffassung des Gerichts der Beginn der Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG weder durch die Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur unterschiedlichen Behandlung der ausreisebedingten Veräußerung von Volleigentum und Gebäudeeigentum noch durch den Zugang von Rundschreiben und Weisungen zur Umsetzung dieser Rechtsprechung bewirkt wurde, solange der Behörde nicht die weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen bekannt waren, die das Gericht auf Seite 11 der Urteilsgründe im Einzelnen nennt.
3. Die in diesem Zusammenhang erhobene Grundsatzrüge (Blatt 10 der Beschwerdebegründung, am Ende des 1. Absatzes) ist unzulässig, weil die Klägerin zu ihrer Begründung lediglich behauptet, das Verwaltungsgericht stelle "die rechtseinheitliche Auslegung des § 48 Abs. 4 VwVfG in Frage", aber keine konkrete klärungsbedürftige und klärungsfähige, über den Fall hinaus weisende Frage bezeichnet, wie es § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO für die ordnungsgemäße Begründung einer solchen Rüge verlangt. Unzulässig ist auch die damit verbundene Abweichungsrüge. Die Klägerin arbeitet keinen dem angegriffenen Urteil zugrunde liegenden Rechtssatz heraus, der von einem in dem herangezogenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 - (BVerwGE 70, 356) aufgestellten Rechtssatz abweicht. Vielmehr begnügt sie sich mit dem Vortrag, dass selbst bei Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht die Rede davon sein könne, die Jahresfrist sei eingehalten. Mit der Behauptung solcher vermeintlicher Subsumtionsmängel wird eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan.
4. Schließlich ist auch die auf die ordnungsgemäße Besetzung der Kammer zielende Rüge, die Richterin sei befangen gewesen, nicht berechtigt. Allein der Umstand, dass die Richterin Berichterstatterin des Vorprozesses war, der die Ablehnung der Rückübertragung zum Gegenstand hatte, begründet keine Besorgnis ihrer Voreingenommenheit. Insoweit hat der Senat den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem den Befangenheitsantrag der Klägerin ablehnenden Beschluss vom 2. September 2004 (VG 9 K 1398/01) nichts hinzuzufügen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 72 Nr. 1 GKG.