Beschluss vom 24.07.2009 -
BVerwG 1 B 12.09ECLI:DE:BVerwG:2009:240709B1B12.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.07.2009 - 1 B 12.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:240709B1B12.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 12.09

  • Niedersächsisches OVG - 16.12.2008 - AZ: OVG 11 LB 135/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2009
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2008 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Klägerin innerhalb der einmonatigen Frist zur Einlegung der Beschwerde lediglich einen Antrag auf Zulassung der Revision gestellt hat. Prozesshandlungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. Beschluss vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 1 B 110.98 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6). In diesem Sinne hat die Klägerin mit ihrem Antrag hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie die Zulassung der Revision als Voraussetzung für die Durchführung einer Revision anstrebt. Ihr Begehren genügt daher den Formerfordernissen des § 133 Abs. 2 VwGO). Die Beschwerde genügt aber nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2 1. Soweit die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob auch geduldete Personen unter den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, fehlt es schon an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Das Berufungsgericht ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht davon ausgegangen, dass der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nur Ausländer mit rechtmäßigem Aufenthalt umfasst, sondern hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass es diese vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bisher nicht endgültig geklärte Frage nicht abschließend entscheiden muss. Denn selbst bei Annahme, dass die sozialen Bindungen der Klägerin wegen ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK fielen, sei der Eingriff nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt (UA S. 16).

3 Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist das Berufungsgericht bei der Frage, ob die Aufenthaltsbeendigung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, auch nicht davon ausgegangen, dass sich ein langjähriger unrechtmäßiger bzw. geduldeter Aufenthalt und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen faktisch ausschließen. Es hat lediglich festgestellt, dass die Beendigung des Aufenthalts im Fall der Klägerin nicht unverhältnismäßig ist und bei der danach gebotenen Abwägung die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls einen Abwägungsgesichtspunkt bei der Schrankenprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt (UA S. 16 ff.). Hinsichtlich dieser die Entscheidung tragenden Begründung wird von der Beschwerde keine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.

4 2. Die Divergenzrüge genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Insoweit fehlt es bereits an der genauen Bezeichnung der höchstrichterlichen Entscheidung von der das Berufungsurteil abweichen soll. Die Beschwerde verweist lediglich - ohne Angabe eines Aktenzeichens oder einer Fundstelle - auf ein den Schwager der Klägerin betreffendes unveröffentlichtes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2009 bzw. 2008 zu Tragweite und Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Auch die sich angeblich widersprechenden Rechtssätze werden nicht näher dargelegt. Selbst wenn man unterstellt, dass die Divergenzrüge sich auf das - den Bruder des geschiedenen Ehemanns der Klägerin betreffende - Urteil des Senats vom 27. Januar 2009 - BVerwG 1 C 40.07 - (DVBl 2009, 650) bezieht, setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass die Zurückverweisung im dortigen Verfahren darauf beruhte, dass es hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 AufenthG und nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts fehlte. Im Übrigen hat der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung einschränkend zu berücksichtigen ist, dass die Legitimität des Aufenthalts über viele Jahre belastet war, weil der Aufenthaltsstatus in formeller Hinsicht zwar keine Lücken oder sonstigen Mängel aufwies, der Betroffene sich aber materiellrechtlich entgegenhalten lassen muss, dass sein Aufenthalt durch eine bewusste Täuschung seiner Eltern begründet worden ist, und damit der Aufenthaltsdauer insgesamt nicht das Gewicht zukommt, wie wenn der Aufenthalt formell und materiell in jeder Hinsicht unbedenklich wäre (vgl. Urteil vom 27. Januar 2009 a.a.O. Rn. 22). Inwiefern die Entscheidung des Berufungsgerichts hiervon abweicht, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG (Auffangstreitwert jeweils für beide Streitgegenstände).