Beschluss vom 24.06.2013 -
BVerwG 9 B 3.13ECLI:DE:BVerwG:2013:240613B9B3.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.06.2013 - 9 B 3.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:240613B9B3.13.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 3.13

  • VG Freiburg i. Br. - 29.02.2012 - AZ: VG 1 K 2608/09
  • VGH Baden-Württemberg - 11.10.2012 - AZ: VGH 2 S 1419/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juni 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 108,22 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Zulassung der Revision kann nicht auf eine Abweichung des angefochtenen Urteils von den in der Beschwerde genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 1993 - BVerwG 8 C 35.92 - (BVerwGE 92, 157) und vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - (BVerwGE 136, 126) gestützt werden. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Divergenzentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, s. nur Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <nF> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 8. Mai 2008 - BVerwG 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 20). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil die beiden von der Beschwerde zitierten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Anforderungen an das Erschlossensein von (Hinterlieger-) Grundstücken auf die bundesrechtlichen Vorschriften des § 131 Abs. 1 bzw. des § 133 Abs. 1 BauGB gestützt sind, das hier angefochtene Berufungsurteil dagegen auf die in Baden-Württemberg nunmehr landesrechtlich normierten Regelungen in §§ 39 f. KAG BW.

3 2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Daran fehlt es hier.

4 a) Die Frage,
„Ist für das Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks die Eigentümeridentität als solche zwischen Anlieger- und Hinterliegergrundstück nur in den Fällen der ‚echten’ Hinterliegersituation oder auch in den Fällen der ‚unechten’ Hinterliegersituation ausreichend?“,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, denn sie ist im vorliegenden Zusammenhang keine Frage des revisiblen Rechts.

5 Das Berufungsgericht hat angenommen, dass zwar bei einem beplanten, an eine Anbaustraße angrenzenden und durch diese erschlossenen Grundstück grundsätzlich die gesamte Grundstücksfläche (auch) dann durch die Anlage erschlossen ist, wenn das Grundstück zusätzlich noch an eine andere Anbaustraße angrenzt, dass aber von diesem Grundsatz eine Ausnahme anzuerkennen ist, wenn sich die von einer Erschließungsanlage ausgehende Erschließungswirkung nach den insoweit eindeutigen Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans nur auf eine Teilfläche des Grundstücks beschränkt. Die Annahme eines derartigen Ausnahmefalles soll freilich dann ausscheiden, wenn das Erschlossensein des rückwärtigen Grundstücksteils selbst für den Fall zu bejahen wäre, dass es sich um ein selbstständiges Hinterliegergrundstück desselben Eigentümers handelte. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts beruhen, auch wenn sie sich an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 131 Abs. 1, § 133 Abs. 1 BauGB anlehnen (vgl. etwa Urteil vom 3. Februar 1989 - BVerwG 8 C 78.88 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 79 S. 32 f., Beschluss vom 21. Juli 2009 - BVerwG 9 B 71.08 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 119 Rn. 10), nicht auf der Auslegung und Anwendung dieser bundesrechtlichen Vorschriften, sondern der §§ 39 f. KAG BW. Ebenso beantwortet sich auch die von der Beschwerde angesprochene Frage, ob es für das Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks allein auf die Eigentümeridentität mit dem Anliegergrundstück ankommt oder ob jedenfalls bei „unechten“, d.h. noch anderweitig erschlossenen Hinterliegergrundstücken konkrete Anhaltspunkte für eine die Beitragsbelastung rechtfertigende Inanspruchnahme der an das Anliegergrundstück grenzenden Straße hinzutreten müssen (in diesem Sinne Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 17 Rn. 98; Reif/Strayle, Erschließungsbeitrag nach dem KAG BW, Stand Juli 2012, Nr. 3.3.3-1 S. 2 f.), im vorliegenden Fall nach irrevisiblem baden-württembergischem Landesrecht. Sie ist daher einer Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zugänglich.

6 b) Zulassungserheblich ist auch nicht die Frage:
„Ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der gerechten Verteilung beitragsfähiger Erschließungskosten noch zu vereinbaren, wenn die Gemeinde im Wege der Anwendbarkeit der Grundsätze über die beschränkte Erschließungswirkung dem jeweiligen von der Erschließungsanlage betroffenen Grundstückseigentümer im Vergleich zu den übrigen von derselben Erschließungsanlage betroffenen Grundstückseigentümern die Anwendbarkeit der satzungsmäßig fixierten Mehrfacherschließungsregelung verwehrt, so dass hierdurch keine Proportionalität mehr zwischen den einzelnen Grundstücksflächen im Verhältnis zum jeweiligen von der Erschließungsanlage tatsächlich ausgehenden Vorteil besteht?“

7 Zwar stellt die Beschwerde mit der Erwähnung des Art. 3 Abs. 1 GG einen Bezug zum revisiblen Recht her. Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundes-(Verfassungs-) Recht bei der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts vermag aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft; die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit sowie die Entscheidungserheblichkeit in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (s. nur Beschluss vom 8. Mai 2008 a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerde nicht.

8 Im Übrigen kann die Beschwerde, soweit sie unterstellt, dass die hier in Rede stehende, als Stichweg ausgebildete Erschließungsanlage hauptsächlich zur Erschließung zweier anderer Grundstücke errichtet worden sei, auch deshalb nicht zum Erfolg führen, weil das Berufungsgericht einen solchen Sachverhalt nicht festgestellt hat. Sind Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden, so kann die Revision im Hinblick auf diese Frage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (stRspr, vgl. Beschluss vom 17. März 2000 - BVerwG 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 14).

9 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.