Beschluss vom 24.06.2004 -
BVerwG 4 B 23.04ECLI:DE:BVerwG:2004:240604B4B23.04.0

Beschluss

BVerwG 4 B 23.04

  • VGH Baden-Württemberg - 29.09.2003 - AZ: VGH 8 S 1787/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w , den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. J a n n a s c h und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. September 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die geltend gemachte Abweichung des angegriffenen Urteils von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 1988 - BVerwG 4 B 71.88 - (BauR 1988, 444 = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 127) liegt nicht vor. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712).
Nach Ansicht der Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof den Rechtssatz auf, dass ein Bebauungszusammenhang über ein Hindernis, das angesichts seiner Breite optisch nicht verbindend wirkt, hinweg selbst dann nicht angenommen werden kann, wenn sich die Bebauung jenseits dieses Hindernisses fortsetzt und eine mögliche Bebauung alsbald auf andere Grenzen stößt.
Einen derartigen Rechtssatz enthält das angegriffene Urteil weder ausdrücklich noch sinngemäß. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - BVerwGE 31, 20, 21) davon ausgegangen, dass ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB eine tatsächlich aufeinander folgende, eben zusammenhängende Bebauung voraussetzt, die - trotz gegebenenfalls vorhandener Baulücken - den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt. Einen Bebauungszusammenhang in diesem Sinne zwischen dem Baugrundstück des Klägers und der nordöstlich der Meersburger Straße gelegenen Bebauung hat es "wegen des Abstands zum Grundstück des Klägers, der topografischen Situation und der trennenden Wirkung der Meersburger Straße" (UA S. 9) abgelehnt. Diese Begründung ist das Ergebnis der konkreten tatrichterlichen Beurteilung der für die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse; einen abstrakten Rechtssatz enthält sie nicht. Auf der Grundlage der tatrichterlichen Beurteilung, dass die Meersburger Straße nicht nur "nicht verbindend", sondern "ersichtlich trennend" (UA S. 9) wirke, hat sich dem Berufungsgericht die Rechtsfrage, ob ein Bebauungszusammenhang über ein optisch nicht verbindend wirkendes Hindernis hinweg angenommen werden kann, nicht gestellt. Es hat diese Rechtsfrage dementsprechend auch nicht verneint. Auf den Inhalt der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts näher einzugehen, gibt das Beschwerdevorbringen daher keinen Anlass.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig die Rechtsfrage auf, ob die Verfestigung einer Splittersiedlung auch dann zu missbilligen ist, wenn die von einem Vorhaben ausgehende Vorbildwirkung aufgrund der räumlichen Begrenzung des Außenbereichs genau übersehbar ist und somit feststeht, dass nur in verlässlich eingrenzbarer Weise weitere Bauten hinzutreten werden.
Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, denn das Berufungsgericht hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu Recht nicht angenommen, dass die vom Vorhaben des Klägers ausgehende Vorbildwirkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genau übersehbar ist und dass nur in verlässlich eingrenzbarer Weise weitere Bauten hinzutreten werden. Allein die - auch vom Berufungsgericht nicht übersehene - räumliche Begrenzung des Außenbereichs rechtfertigt diese Annahme nicht.
Splittersiedlungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht schon um ihrer selbst Willen zu missbilligen. "Zu befürchten" im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nur, wenn das Vorhaben zu einer "unerwünschten Splittersiedlung" führt. Unerwünscht in diesem Sinne ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1967 - BVerwG 4 C 95.65 - BVerwGE 27, 137, 139; vom 3. Juni 1977 - BVerwG 4 C 37.75 - BVerwGE 54, 73, 76). Das anzunehmen, rechtfertigt sich in der Regel. Die Berechtigung einer solchen Annahme bedarf aber - zumindest in Fällen der Verfestigung - einer konkreten Begründung; sie rechtfertigt sich mithin auch in der Regel nicht einfach aus sich (vgl. BVerwGE 54, 73, 78; Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG 4 C 37.75 - BauR 1977, 398, 401). Als Grund für eine Missbilligung kommt u.a. in Betracht, dass das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich zersiedelt werden würde. "Weitreichend" ist die Vorbildwirkung deshalb immer dann, wenn sich das Vorhaben und die weiteren Vorhaben, die nicht verhindert werden könnten, zusammen der vorhandenen Splittersiedlung nicht unterordnen, sondern diese erheblich verstärken und dadurch eine weitergehende Zersiedelung des Außenbereichs bewirken würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 13.97 - BauR 1999, 373, 374 = Buchholz 406.11 § 35 Nr. 338). Dass sich das Vorhaben des Klägers und eine etwaige Folgebebauung des derzeit als Bootsliegeplatz genutzten Grundstücks Flst.-Nr. 463 und des dem Kläger gehörenden Grundstücks Flst.-Nr. 463/4 der vorhandenen Splittersiedlung, also dem Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. 463/1 und dem Kiosk mit Gartenwirtschaft auf dem Grundstück Flst.-Nr. 462/1 unterordnen würden, hat das Berufungsgericht schon wegen der Zahl der Gebäude zu Recht nicht in Erwägung gezogen. Die sich an das Grundstück Flst.-Nr. 463/1 anschließende Seeuferbebauung auf der Gemarkung der Stadt Merseburg ist in die Beurteilung nicht einzubeziehen. Denn für den Begriff der Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB) ist - ebenso wir für den Begriff des Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 4 C 7.98 - BauR 1999, 232 = DVBl 1999, 249 = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 193) - allein auf die Siedlungsstruktur im Gebiet der jeweiligen Gemeinde abzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2000 - BVerwG 4 B 49.00 - BauR 2001, 79 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 345; Urteil vom 17. Februar 1984 - BVerwG 4 C 56.79 - BauR 1984, 495 = Buchholz 406.11 § 35 Nr. 211). Ordnet sich das Vorhaben der vorhandenen Splittersiedlung nicht unter, kommt es für die Bewertung der Splittersiedlung auf die räumliche Begrenztheit des Außenbereichs nicht an. In einer räumlich verhältnismäßig beschränkten, nach ihrer Landschaftsstruktur von der Umgebung klar abgehobenen Außenbereichsfläche hat das öffentliche Interesse an der Verhinderung einer Zersiedelung der für die Bebauung nicht vorgesehenen Flächen sogar besonderes Gewicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1966 - BVerwG 4 C 16.66 - BVerwGE 25, 161, 164). Aus der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Urteil vom 27. Februar 1996 - 11 A 1897/94 - BRS 58 Nr. 92) ergibt sich nichts anderes. Das dort zu beurteilende Vorhaben ordnete sich der vorhandenen Bebauung unter; es hatte auch keine Vorbildwirkung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3 sowie auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.