Beschluss vom 24.03.2015 -
BVerwG 1 B 6.15ECLI:DE:BVerwG:2015:240315B1B6.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.03.2015 - 1 B 6.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:240315B1B6.15.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 6.15

  • VG Trier - 01.07.2013 - AZ: VG 5 K 195/13
  • OVG Koblenz - 30.10.2014 - AZ: OVG 10 A 11170/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2014 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde, mit der die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

2 Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob bei Zustellung einer Verfügung - hier einem Asylbescheid - mit einem Übergabeeinschreiben die Zustellungsfiktion von drei Tagen gemäß § 4 VwZG eingreift oder bei einer nachweislichen früheren Zustellung dieser tatsächliche Zustellungstermin für den Fristbeginn maßgeblich ist
oder ob die Tatsache, dass der Bescheid mit einem Übergabeeinschreiben wie es das Asylverfahrensgesetz vorschreibt förmlich zugestellt wurde, zu einem konkreten Fristbeginn führt und wegen der tatsächlichen Zustellung die Zustellungsfiktion des § 4 VwZG keine Anwendung findet.“

5 Zur Begründung verweist sie insbesondere darauf, dass das Verwaltungszustellungsgesetz inzwischen novelliert worden sei und nunmehr auch das Übergabeeinschreiben die Voraussetzungen für eine förmliche Zustellung erfülle. Von daher könne auf die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung nicht mehr zurückgegriffen werden. Mit diesem und dem weiteren Vorbringen verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen für eine Grundsatzfrage gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es fehlt insbesondere eine vertiefte Auseinandersetzung mit der vom Gesetzgeber in § 4 VwZG getroffenen Regelung zur Zustellung durch die Post mittels Einschreiben.

6 Im Übrigen rechtfertigt die aufgeworfene Frage mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn sie lässt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne beantworten. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG sind Entscheidungen des Bundesamts zuzustellen. Die Zustellung erfolgt, soweit sich aus der Sondervorschrift des § 10 AsylVfG nichts anderes ergibt, nach den allgemeinen Zustellungsvorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (§ 1 VwZG). Dabei hat die Behörde die Wahl zwischen den einzelnen im Verwaltungszustellungsgesetz geregelten Zustellungsarten (§ 3 Abs. 2 VwZG). Entscheidet sie sich - wie hier - für eine Zustellung durch die Post mittels Einschreiben, kann sie zudem wählen zwischen einem Einschreiben durch Übergabe oder einem Einschreiben mit Rückschein (§ 4 Abs. 1 VwZG). Beim Einschreiben mit Rückschein genügt zum Nachweis der Zustellung der Rückschein (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG). Nach dieser gesetzlichen Fiktion gilt ein Dokument beim Übergabeeinschreiben auch dann mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, wenn feststeht, dass es dem Empfänger vor diesem Zeitpunkt zugegangen ist (so schon BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1965 - 7 C 170.64 - BVerwGE 22, 11 zur wortgleichen Fiktionsregelung in § 4 Abs. 1 Halbs. 1 VwZG 1952 für eingeschriebene Briefe).

7 Dass diese nach dem Wortlaut angeordnete Rechtsfolge vom Gesetzgeber auch gewollt war, belegen die Gesetzesmaterialien. Mit der Neufassung des Verwaltungszustellungsgesetzes im Jahr 2005 sollte die Zustellung mittels Einschreiben weiterhin erhalten bleiben, unter Berücksichtigung der von den Postdienstleistern inzwischen angebotenen Einschreibevarianten aber auf das Übergabeeinschreiben und das Einschreiben mit Rückschein begrenzt werden, ein Einwurfeinschreiben also nicht ausreichen. Zugleich wird in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für das Übergabeeinschreiben die Fiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt (BT-Drs. 16/5216 S. 12). Diese Regelung dient der Rechtssicherheit und -klarheit, da dem Absender nur beim Einschreiben mit Rückschein der Übergabezeitpunkt mitgeteilt wird. Beim Übergabeeinschreiben erhält er hingegen lediglich eine Einlieferungsbescheinigung, aus der sich das Einlieferungsdatum ergibt. Den konkreten Übergabezeitpunkt kann er nur über eine online-Abfrage feststellen. Die Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG auf Übergabeeinschreiben benachteiligt den Zustellungsempfänger nicht unangemessen, da durch die Widerlegbarkeit der Zugangsvermutung sichergestellt ist, dass eine durch ein Übergabeeinschreiben in Lauf gesetzte Frist nicht vor der tatsächlichen Übergabe beginnt. Die Sonderregelung des § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG, wonach Zustellungen mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt sind, steht der Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG im vorliegenden Fall nicht entgegen, da sie nur Zustellungen in einer Aufnahmeeinrichtung an den Ausländer persönlich betrifft. Hier war der Bescheid jedoch dem damaligen Prozessbevollmächtigen der Klägerin zuzustellen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.