Beschluss vom 24.02.2005 -
BVerwG 10 B 3.05ECLI:DE:BVerwG:2005:240205B10B3.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.02.2005 - 10 B 3.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:240205B10B3.05.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 3.05

  • OVG Rheinland-Pfalz - 22.09.2004 - AZ: OVG 9 C 10468/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2005
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r und Prof. Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts für
  2. Rheinland-Pfalz und das Saarland wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 184 000 € festgesetzt.

Die auf Verfahrensfehler und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde rügt zunächst als Verfahrensfehler, dass das Flurbereinigungsgericht es unter Verstoß gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) unterlassen habe, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens den Wert des vom Kläger in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücks Flur 57 Nr. 42 zu klären. Über dieses Grundstück verlaufe auf einer Länge von etwa 400 m in Hanglage eine Straße, deren Trasse zunächst durch die Familie des Klägers angelegt und dann im Jahre 1977 von der Beigeladenen zu 2 mit einer Teerdecke versehen worden sei. Durch den Flurbereinigungsplan sei das Eigentum an der Straße auf die Beigeladene zu 2 übertragen und der Kläger mit einer entsprechenden forstwirtschaftlichen Nutzfläche abgefunden worden. Der Wert der Trasse und der Teerdecke seien dabei völlig unberücksichtigt geblieben und von dem Flurbereinigungsgericht auch nicht weiter aufgeklärt worden.
Die erfolgreiche Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter anderem voraus, dass der Betroffene im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26). Einen Beweisantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht zwar nicht gestellt. Er hat jedoch bereits in seiner Klageschrift die Einholung eines entsprechenden Gutachtens angeregt. Gleichwohl brauchte sich dem Flurbereinigungsgericht die bezeichnete Ermittlungsmaßnahme nicht aufzudrängen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aus der materiellrechtlichen Sicht des Tatsachengerichts, unabhängig davon, ob sie in revisionsgerichtlicher Hinsicht zu beanstanden ist. Aus seiner danach maßgeblichen rechtlichen Sicht war der objektive Wert der Straßenanlage auf dem Grundstück Flur 57 Nr. 42 nicht entscheidungserheblich und brauchte daher auch nicht weiter aufgeklärt zu werden. Ausgehend von der in dem angefochtenen Urteil insoweit unterstellten Annahme, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt Eigentümer der Wegebefestigung war (UA S. 12), hielt das Flurbereinigungsgericht eine Abfindung des Klägers für diesen Grundstücksbestandteil nicht für "erforderlich" im Sinne des § 50 Abs. 4 FlurbG. Hierbei ließ es offen, ob der Weg angesichts der bereits verstrichenen Nutzungsdauer noch einen nach den §§ 21 ff. WertV verbleibenden Sachwert aufweise. Denn eine Abfindung des Klägers sei jedenfalls deshalb entbehrlich, weil er mit dem ihm in der Flurbereinigung eingeräumten Nutzungsrecht an dem Weg als gemeinschaftlicher Anlage ausreichend abgefunden worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Nutzung des Weges dadurch maßgeblich eingeschränkt werde, dass er nicht mehr dessen Eigentümer sei (UA S. 13). Damit hat das Flurbereinigungsgericht für die Wertbestimmung des Weges maßgeblich auf deren subjektiven Nutzungswert für den Kläger abgestellt. Da sich an der Nutzungsmöglichkeit durch die Flurbereinigung im Ergebnis substanziell nichts änderte, bedurfte es aus Sicht des Flurbereinigungsgerichts folgerichtig keiner konkreten Wertermittlung der Straßenanlage. Dies ist nicht Folge verfahrensrechtlicher Erwägungen des Flurbereinigungsgerichts, sondern Ausfluss seiner Auslegung des Erforderlichkeitsbegriffs in § 50 Abs. 4 FlurbG. Auf die von der Beschwerde behauptete Unvereinbarkeit dieser materiellrechtlichen Sichtweise mit Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die anderen Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren kommt es für die geltend gemachte Verfahrensrüge mithin nicht an.
Das angefochtene Urteil verletzt den Kläger auch nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat das Flurbereinigungsgericht das Vorbringen des Klägers zu der nach seiner Auffassung erforderlichen Ermittlung des Straßenwerts nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch in Erwägung gezogen (vgl. UA S. 12 f.). Es hat lediglich nicht die vom Kläger erhoffte rechtliche Schlussfolgerung hieraus gezogen, vielmehr entscheidend auf die subjektive Nutzungsmöglichkeit des Klägers abgestellt. Ein Gehörsverstoß liegt hierin nicht.
2. Ohne Erfolg macht die Beschwerde eine Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1981 - 1 BvL 24/78 - (BVerfGE 58, 137) geltend. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil mit einem inhaltlich bestimmten, entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen, deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widerspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Dass das Flurbereinigungsgericht von abstrakten Rechtssätzen über Zulässigkeit und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, wie sie in der durch die Beschwerde herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgericht aufgestellt wurden, ausdrücklich oder auch nur der Sache nach abgewichen sei, ist nicht erkennbar. Es kann keine Rede davon sein, dass das Flurbereinigungsgericht in dem angefochtenen Urteil abstrakte Rechtssätze aufgestellt hätte, die den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, wie sie von der Beschwerde dargestellt werden, widersprächen oder sie gar in Abrede stellten, denen zufolge die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, soweit sie ohne Ausgleich hingenommen werden muss, nicht zu einer übermäßigen Belastung für den Eigentümer führen und ihn nicht im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen dürfe. Soweit sich die Beschwerde gegen das Ergebnis der Rechtsanwendung durch das Flurbereinigungsgericht im Einzelfall wendet und sie als nicht vereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 14 Abs. 1 GG ansieht, kann damit die Zulassung der Revision wegen Abweichung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von vornherein nicht begründet werden.
Entsprechendes gilt schließlich für die weiter gerügte Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom "27.09.1961, BVerwG I C 37/69" (DÖV 1962, 183). Auch im Hinblick auf das insoweit in Rede stehende, als Weg genutzte Grundstück Flur 61 Nr. 15 stellt das Flurbereinigungsgericht in keiner Weise den von der Beschwerde dem herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen allgemeinen Grundsatz des Verfassungsrechts in Frage, dass eine Enteignung dann unzulässig ist, wenn sie unverhältnismäßig, weil entbehrlich ist. Abgesehen davon, dass die Beschwerde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, von dem das Flurbereinigungsgericht abgewichen sein soll, nicht eindeutig bezeichnet hat, weil Urteilsdatum und Aktenzeichen unterschiedliche Entscheidungen betreffen, enthält das von der Beschwerde wohl gemeinte Urteil vom 27. September 1961 - BVerwG 1 C 37.60 - (BVerwGE 13, 75) offensichtlich keine divergenzfähigen Rechtssätze zu den Verhältnismäßigkeitsgrenzen der Grundstücksneugestaltung in einem Flurbereinigungsverfahren, denn es befasst sich mit der Zulässigkeit der Enteignung für eine Gasfernleitung nach dem damaligen Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft.
In der Sache wendet sich die Beschwerde mit dieser wie auch den beiden anderen Zulassungsrügen gegen die von ihr für fehlerhaft gehaltene Rechtsanwendung durch das Flurbereinigungsgericht in dem konkreten Einzelfall. Revisionszulassungsgründe der Divergenz oder eines Verfahrensfehlers vermag sie damit nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 GKG.