Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten über eine telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung, die die Bundesnetzagentur der DT AG erteilt hat.


Die klagenden Unternehmen, die öffentliche Telekommunikationsnetze betreiben und Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbringen, schlossen mit der DT AG Verträge über den Zugang zu deren Teilnehmeranschlussleitung. Diese stellt die Verbindung zwischen dem Hauptverteiler des Netzbetreibers und dem Leitungsabschluss in den Räumlichkeiten des Teilnehmers, der Teilnehmeranschlusseinheit, her. Auf Antrag der DT AG genehmigte die Bundesnetzagentur u.a. monatliche Überlassungsentgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Der Streit der Beteiligten betrifft die Frage, ob die Regulierungsbehörde bei der Bestimmung des Investitionswertes im Rahmen des Kapitalkostenansatzes von Wiederbeschaffungszeitwerten ausgehen durfte oder ob sie den Abschreibungsgrad der teilweise bereits vor Jahrzehnten verlegten Kupferkabelnetze der DT AG stärker in ihre Berechnung hätte einfließen lassen müssen. Umstritten ist in diesem Zusammenhang auch die Auslegung einer im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 24. April 2008 - Az. C-55/06 -.


Gegen die den Klagen stattgebenden Urteile des Verwaltungsgerichts Köln hat das Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.


Pressemitteilung Nr. 99/2011 vom 23.11.2011

Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde bei der Entgeltgenehmigung

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute über die Frage entschieden, inwieweit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (jetzt Bundesnetzagentur) bei der Genehmigung von Entgelten ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt.


Die Klägerinnen betreiben öffentliche Telekommunikationsnetze und erbringen Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit. Sie schlossen mit der beigeladenen Deutschen Telekom AG jeweils Verträge über den Zugang zu deren Teilnehmeranschlussleitung; diese verbindet den Hauptverteiler der beigeladenen Deutschen Telekom AG mit dem Leitungsabschluss in den Räumlichkeiten des Teilnehmers. Auf Antrag der beigeladenen Deutschen Telekom AG genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, unter anderem monatliche Überlassungsentgelte. Die Überlassungsentgelte haben sich nach den hierfür einschlägigen nationalen und unionsrechtlichen Bestimmungen an den Kosten des Betreibers des Teilnehmeranschlussnetzes zu orientieren. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Regulierungsbehörde bei der Bestimmung des Investitionswertes im Rahmen des Kapitalkostenansatzes ausschließlich von Wiederbeschaffungszeitwerten ausgehen durfte oder ob sie den Abschreibungsgrad der teilweise bereits vor Jahrzehnten verlegten Kupferkabelnetze der beigeladenen Deutsche Telekom AG stärker in ihre Berechnung hätte einfließen lassen müssen. Hierzu hatte das Verwaltungsgericht Köln im erstinstanzlichen Verfahren eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs eingeholt.


Von dieser Entscheidung ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren nunmehr entschieden, dass es im Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde liegt, sich zwischen einer Berechnung des Investitionswertes nach den tatsächlich entstandenen Anschaffungs- und Herstellungskosten und einer solchen nach Wiederbeschaffungskosten zu entscheiden. Sie muss beide Berechnungsmethoden in ihre Überlegungen einbeziehen, ohne dass sie aber verpflichtet wäre, stets sowohl die eine wie die andere Methode im Sinne eines gemischten Kostenansatzes in ihre konkrete Berechnung einfließen zu lassen. Die Regulierungsbehörde hat jedoch die widerstreitenden Interessen abzuwägen und zu prüfen, welcher Kostenmaßstab - erstens - den Nutzerinteressen, - zweitens - dem Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs sowie - drittens - dem Ziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen und Innovationen sicherzustellen, jeweils am ehesten gerecht wird. Sodann hat sie unter Bewertung der unterschiedlichen Belange im Einzelnen darzulegen, dass und warum ihrer Ansicht nach im Ergebnis Überwiegendes dafür spricht, den Investitionswert nach der von ihr gewählten Methode zu berechnen. Weil derartige Überlegungen in der Entgeltgenehmigung unterblieben waren, war die Entgeltgenehmigung rechtlich zu beanstanden und aufzuheben.


BVerwG 6 C 11.10 - Urteil vom 23.11.2011

Vorinstanz:

VG Köln, VG 1 K 3427/01 - Urteil vom 27.08.2009 -

BVerwG 6 C 12.10 - Urteil vom 23.11.2011

Vorinstanz:

VG Köln, VG 1 K 3479/01 - Urteil vom 27.08.2009 -

BVerwG 6 C 13.10 - Urteil vom 23.11.2011

Vorinstanz:

VG Köln, VG 1 K 3481/01 - Urteil vom 27.08.2009 -


Beschluss vom 16.06.2010 -
BVerwG 6 B 81.09ECLI:DE:BVerwG:2010:160610B6B81.09.0

Beschluss

BVerwG 6 B 81.09

  • VG Köln - 27.08.2009 - AZ: VG 1 K 3427/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und Dr. Möller
beschlossen:

  1. Unter teilweiser Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 27. August 2009 werden die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zugelassen, soweit sie sich gegen die Aufhebung der Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte in dem Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30. März 2001 richten. Im Übrigen werden die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtsgebühren, die für die Zurückweisung der Beschwerde angefallen sind, je zur Hälfte; im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Von den sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je 1/6. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren insgesamt auf 1 278 230 €, für den erfolglos gebliebenen Teil der Beschwerde auf 460 163 € und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf
  4. 818 067 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts sind begründet, soweit sie sich auf die Aufhebung der in dem Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30. März 2001 ausgesprochenen Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte beziehen. Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie kann im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24. April 2008 - Rs. C-55/06 - zur Klärung des Verhältnisses von „historischen“ Kosten zu „aktuellen“ Kosten bei der Ermittlung und Beurteilung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 24 Abs. 1 TKG 1996, § 31 Abs. 1 TKG 2004) beitragen.

2 2. Dagegen bleiben die Beschwerden gegen das angefochtene Urteil ohne Erfolg, soweit sie sich auf die Aufhebung der Genehmigung der einmaligen Entgelte (Bereitstellungs- und Kündigungsentgelte) beziehen.

3 a) Die Beschwerden sind insoweit nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. In Bezug auf die einmaligen Entgelte sind den Darlegungen der Beschwerdeführer keine ausreichenden Hinweise auf eine fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu entnehmen, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten wäre.

4 Die Beklagte will geklärt wissen, ob die Regulierungsbehörde „bei der Genehmigung der Einmalentgelte verpflichtet (ist), umfassend die Prozesszeiten und die Einsparungspotentiale der Beigeladenen zu ermitteln, wenn sich diese nicht aus den von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen ergeben“. Die Beigeladene fragt, ob „die Regulierungsbehörde die Prozesszeiten schätzen (darf), wenn die Antragstellerin kein Prozesszeitengutachten vorgelegt hat, mit dem statistisch mängelfrei abgesicherte Zeitwerte nachgewiesen sind“.

5 Diese Fragen sind, soweit sie sich in dem erstrebten Revisionsverfahren stellen würden, unmittelbar aus dem Gesetz zu beantworten und rechtfertigen daher die Zulassung der Revision nicht. Gemäß § 24 Abs. 1 TKG 1996, der auf den Streitfall noch anwendbar ist, haben Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren. Die Genehmigung der Entgelte ist gemäß § 27 Abs. 3 TKG 1996 zu versagen, wenn die Entgelte mit den Anforderungen dieses Gesetzes nicht in Einklang stehen. Unter dieser rechtlichen Prämisse hat das Verwaltungsgericht die Aufhebung der angefochtenen Entgeltgenehmigung hinsichtlich der Einmalentgelte damit begründet, dass sie nicht auf ausreichend abgesicherten Zeitwerten beruhten und dieser Mangel nicht durch pauschale Abschläge auf früher erhobene Zeitwerte ausgeglichen werden könne. Dem Urteil lässt sich weder entnehmen, dass die Beklagte in jedem Fall zu einer eigenen exakten Ermittlung der Prozesszeiten verpflichtet wäre, wenn sich diese nicht aus den vorgelegten Unterlagen ergeben, noch, dass eine Schätzung der Prozesszeiten in jedem Fall ausgeschlossen wäre. Vielmehr stützt sich das Urteil des Verwaltungsgerichts auf die Annahme, dass eine etwaige Schätzung auf einer hinreichenden Datenbasis beruhen muss. Diese Annahme steht mit der Rechtslage ersichtlich in Einklang. Welche Anforderungen an die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts und an eine etwaige Schätzung der Prozesszeiten konkret zu stellen sind, ist ersichtlich eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich damit einer verallgemeinernden Klärung.

6 Eine grundsätzliche Bedeutung gewinnen die aufgeworfenen Rechtsfragen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer auch nicht im Hinblick darauf, dass ein Entgeltantrag, über den die Regulierungsbehörde nach § 28 Abs. 2 TKG 1996 fristgebunden zu entscheiden hat, von ihr (lediglich) abgelehnt werden „kann“, wenn das Unternehmen die maßgeblichen Kostenunterlagen nicht vollständig vorgelegt hat (§ 27 Abs. 4 TKG 1996 i.V.m. § 2 Abs. 3 TEntgV 1996). Diese Ermessensvorschrift bezweckt, eine Versagung der Genehmigung trotz unzureichender Kostenunterlagen dann zu vermeiden, wenn sich die Behörde die erforderlichen Informationen - etwa durch Marktdaten, durch Kostenunterlagen aus anderen Genehmigungsverfahren und dadurch Kostennachweise von dritter Seite - selbst verschaffen kann; sie bezweckt demgegenüber nicht, die materiellen Anforderungen an die Genehmigungserteilung herabzusetzen (s. Urteil vom 25. November 2009 - BVerwG 6 C 34.08 - N&R 2010, 40 Rn. 29 zu § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG 2004). Daher liegt es auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass über einen Entgeltantrag auch im Hinblick auf den nahenden Fristablauf nicht positiv entschieden werden darf, wenn und solange es für die vorgelegten Entgelte an einer ausreichenden Datengrundlage fehlt.

7 2. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beklagte sieht ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs insofern verletzt, als das Verwaltungsgericht ihren in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2009 gestellten Antrag auf Schriftsatznachlass (§ 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO) zu der Behauptung, es sei ihr „möglich gewesen, zwischen den jeweiligen Genehmigungsverfahren für die Entgelte des Zugangs zur TAL 1999 und 2001 umfassend die Prozesszeiten und die Kostenansätze zu ermitteln, die den jeweiligen Einmalentgelten zugrunde lagen“, übergangen und unmittelbar zur Sache entschieden habe.

8 Diese Rüge genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Ein Beschwerdeführer, der geltend macht, er habe sich zu einer bestimmten Frage nicht äußern können, muss schlüssig und substantiiert darlegen, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde gibt nicht zu erkennen, was die Beklagte im Falle eines Schriftsatznachlasses im Einzelnen vorgetragen hätte. Davon abgesehen kam es auf die Möglichkeit der Beklagten, die betreffenden Prozesszeiten und Kostenansätze selbst umfassend zu ermitteln, nach den Gründen des angefochtenen Urteils nicht an.

9 3. Die Kostenentscheidung folgt, soweit über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden war, aus § 154 Abs. 2 VwGO. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsteht eine Gerichtsgebühr nur, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Die sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens, namentlich die außergerichtlichen Kosten, waren verhältnismäßig zu teilen, und zwar in der Weise, dass die Beklagte und die Beigeladene die Kosten im Maße ihres Unterliegens tragen und die Entscheidung über diejenigen Kosten, die dem Anteil der erfolgreichen Beschwerde am gesamten Beschwerdeverfahren entsprechen, der Kostenentscheidung in der Hauptsache folgt (s. Beschluss vom 10. November 1980 - BVerwG 1 B 802.80 - Buchholz 310 § 155 VwGO Nr. 7; Beschluss vom 3. April 2006 - BVerwG 7 B 95.05 - juris Rn. 52). Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG; die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Soweit die Revision zugelassen worden ist, wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 6 C 11.10 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.

Urteil vom 23.11.2011 -
BVerwG 6 C 11.10ECLI:DE:BVerwG:2011:231111U6C11.10.0

Leitsatz:

Der Regulierungsbehörde kommt bezogen auf das Merkmal der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO - ein Beurteilungsspielraum zu.

  • Rechtsquellen
    TAL-VO Art. 3 Abs. 3
    TKG 1996 § 24 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 2 Nr. 1, § 27 Abs. 3

  • VG Köln - 27.08.2009 - AZ: VG 1 K 3427/01

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 6 C 11.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:231111U6C11.10.0]

Urteil

BVerwG 6 C 11.10

  • VG Köln - 27.08.2009 - AZ: VG 1 K 3427/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Möller und
Dr. Wysk
für Recht erkannt:

  1. Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. August 2009 werden zurückgewiesen.
  2. Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Gründe

I

1 Die Klägerin, ein Unternehmen der Telekommunikation, wendet sich gegen einen Bescheid, durch den die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (jetzt Bundesnetzagentur) monatliche Überlassungsentgelte der beigeladenen Deutsche Telekom AG für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung genehmigt hat.

2 Die Klägerin betreibt öffentliche Telekommunikationsnetze und erbringt Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit. Sie schloss 1998 mit der Beigeladenen einen Vertrag über den Zugang zu deren Teilnehmeranschlussleitung; diese verbindet den Hauptverteiler des Netzbetreibers mit dem Leitungsabschluss in den Räumlichkeiten des Teilnehmers. Auf Antrag der Beigeladenen genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post mit Bescheid vom 30. März 2001 ab dem 1. April 2001 Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, und zwar unter anderem monatliche Überlassungsentgelte für 16 Zugangsvarianten, von denen zwei auf Glasfaserleitungen und die übrigen auf Kupferleitungen beruhen. Insoweit war die Genehmigung bis zum 31. März 2003 befristet.

3 Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid der Regulierungsbehörde aufzuheben: Es sei nicht nachgewiesen, dass der Beigeladenen tatsächlich Kosten in Höhe der genehmigten Entgelte entstünden. Dem Ansatz der Kapitalkosten liege ein unzutreffend ermittelter Investitionswert zugrunde. Die Regulierungsbehörde habe nicht den tatsächlichen Wert des Teilnehmeranschlussnetzes zugrunde gelegt. Sie habe ein analytisches Kostenmodell herangezogen, das ausschließlich von Wiederbeschaffungszeitwerten ausgehe. Im Rahmen einer kalkulatorischen Kostenermittlung dürften jedoch die tatsächlichen Abschreibungen nicht unberücksichtigt bleiben. Die in den alten Bundesländern bereits in den 1960er und 1970er Jahren verlegten Kupferkabelnetze seien im Wesentlichen abgeschrieben. Sie dürften nicht mehr als tatsächliche Kostenfaktoren angesetzt werden.

4 Die Beklagte hat den angegriffenen Bescheid verteidigt und unter anderem auf den Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde verwiesen: Er erlaube es, statt auf der Grundlage vollständiger Kostennachweise auf der Grundlage eines analytischen Kostenmodells zu entscheiden. Das hier herangezogene Kostenmodell gehe zu Recht sowohl bei der Abschreibung als auch bei der Kapitalverzinsung von Wiederbeschaffungskosten in der Form aktueller Anschaffungspreise und nicht von den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten aus.

5 Die Beigeladene hat beantragt, die Klage abzuweisen: Die Klägerin werde durch den angegriffenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Die genehmigten Entgelte für die Überlassung der Teilnehmeranschlussleitung seien jedenfalls nicht zu hoch angesetzt.

6 Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren der Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO - vorgelegt, darunter die Frage, ob die Berechnungsgrundlage der Kosten, die bei der Festlegung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu berücksichtigen sind, der Wiederbeschaffungswert des Anlagevermögens nach Abzug der bis zum Bewertungszeitpunkt bereits erfolgten Abschreibungen oder ausschließlich der Wiederbeschaffungszeitwert ist, ausgedrückt durch aktuelle Tagespreise im Zeitpunkt der Bewertung. Diese Frage hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24. April 2008 - Rs. C-55/06 - (Slg. 2008, I-2931) dahin beantwortet, dass die nationalen Regulierungsbehörden im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2887/2000 bei der Ermittlung der Grundlage für die Berechnung der Kosten des gemeldeten Betreibers die tatsächlichen Kosten berücksichtigen müssen, d.h. die historischen Kosten des gemeldeten Betreibers sowie die voraussichtlichen Kosten, wobei Letztere gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren sind (Rn. 119 des Urteils).

7 Das Verwaltungsgericht hat sodann durch das angefochtene Urteil den Bescheid der Regulierungsbehörde aufgehoben: Die Regulierungsbehörde habe zur Berechnung der Kapitalkosten im Rahmen der monatlichen Überlassungsentgelte den Investitionswert in einer Art und Weise bestimmt, die dem Gebot nicht gerecht werde, die Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss an den Kosten zu orientieren. Zwar stehe der Regulierungsbehörde bei der Beurteilung der Kostenorientierung grundsätzlich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zu. Jedoch gelte etwas anderes für die Feststellung des Investitionswerts als Berechnungsgrundlage der Kosten. Insoweit sei es nach der eingeholten Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum einen unzulässig, den Investitionswert ausschließlich auf der Grundlage der Kosten zu bestimmen, die einem anderen Betreiber für die Errichtung einer vollständig neuen Ortsinfrastruktur zur Erbringung gleichwertiger Telekommunikationsdienste (aktuelle Kosten) entstünden. Zum anderen dürften auch nicht ausschließlich die dem Netzbetreiber tatsächlich entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der bereits vorgenommenen Abschreibungen (historische Kosten) angesetzt werden. Vielmehr müsse die Regulierungsbehörde die tatsächlichen Kosten des Betreibers berücksichtigen. Diese setzten sich zusammen aus seinen historischen Kosten, was die Berücksichtigung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als Bezugsgrundlage voraussetze, sowie den voraussichtlichen Kosten, welche gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren seien. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union seien diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen nicht etwa kombiniert auf dieselben Gegenstände und Leistungen anzuwenden. Vielmehr gelte die historische Betrachtungsweise für bereits tatsächlich entstandene Anschaffungs- und Herstellungskosten, während nur die davon zu unterscheidenden voraussichtlichen Kosten, wie diejenigen für die langfristige Entwicklung und Verbesserung der lokalen Infrastruktur, auf Wiederbeschaffungsbasis kalkuliert werden könnten. Die Regulierungsbehörde habe hingegen die Investitionswerte anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen, d.h. nach dem Tageswertprinzip, bestimmt und die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, etwa für längst vorhandene Kabelkanäle, Kabel, Schächte und bereits durchgeführte Tiefbauarbeiten, vollkommen außer Acht gelassen.

8 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte aufgehoben hat.

9 Die Beklagte und die Beigeladene begehren mit ihren Revisionen, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte in dem Bescheid der Regulierungsbehörde richtet. Sie tragen im Wesentlichen übereinstimmend vor: Der Gerichtshof der Europäischen Union habe den Grundsatz der Kostenorientierung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 TAL-VO dahin ausgelegt, dass die Wahl der Berechnungsgrundlage im Ermessen der nationalen Regulierungsbehörde stehe. Diese habe die historischen Kosten des gemeldeten Betreibers sowie die voraussichtlichen Kosten, die aufgrund von Wiederbeschaffungswerten zu ermitteln seien, lediglich zu „berücksichtigen“. Daraus resultiere zwar die Verpflichtung, die verschiedenen Bewertungsmaßstäbe in Erwägung zu ziehen. Indes sei die Behörde nicht gezwungen, sie zu kombinieren. Vielmehr bleibe ihr die Wahl, sich für einen dieser Maßstäbe zu entscheiden. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts würde dazu führen, dass das vorhandene Netz ausschließlich nach den historischen Kosten zu bewerten sei, was der Gerichtshof der Europäischen Union gerade ablehne.

10 Die Klägerin tritt den Revisionen entgegen: Zwischen den Kosten eines neuen Netzes, die der Gerichtshof der Europäischen Union als „aktuelle Kosten“ bezeichne, und der Bewertung des vorhandenen Anlagevermögens anhand von Nettowiederbeschaffungskosten, d.h. unter Berücksichtigung der bereits vorgenommenen Abschreibungen, bestehe ein grundsätzlicher Unterschied. Die Berechnung des Investitionswerts anhand der aktuellen Kosten habe der Gerichtshof der Europäischen Union ebenso verworfen wie eine Bewertung anhand der historischen Kosten. Die vom ihm entwickelte mittlere Linie laufe auf die zwingende Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten hinaus. Danach seien für die Bewertung des Netzanlagevermögens nach seinem Wiederbeschaffungswert nicht die Kosten eines neu zu errichtenden Netzes maßgebend, sondern die Kosten für die Ersetzung dieses Wirtschaftsgutes durch ein Wirtschaftsgut gleicher Merkmale und gleichen Alters. Am Ende der angesetzten Nutzungszeit entspreche die Summe der Abschreibungen dem Wiederbeschaffungswert. Demzufolge sei die angefochtene Entgeltgenehmigung schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihr ausschließlich die aktuellen Kosten, die Bruttowiederbeschaffungskosten, zugrunde gelegt habe. Rechtswidrig sei sie ferner deshalb, weil die historischen Kosten gänzlich unberücksichtigt geblieben seien. Abgesehen davon habe die Beklagte eine fundierte Entscheidung über die Auswahl des Bewertungsmaßstabes überhaupt nicht getroffen.

II

11 Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen sind unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

12 Die allein noch streitige Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die Regulierungsbehörde den Investitionswert ausschließlich anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen, also nach dem Tageswertprinzip, und nicht auch nach historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet hat. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts ist mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO - (ABl Nr. L 336 vom 30. Dezember 2000 S. 4) nicht vereinbar. Allerdings durfte die Regulierungsbehörde den Investitionswert nicht ausschließlich anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen bewerten, ohne sich mit den Vor- und Nachteilen dieser und anderer ebenfalls in Betracht kommenden Berechnungsmethoden abwägend auseinanderzusetzen. Weil sie diese Abwägung unterlassen hat, ist die Entgeltgenehmigung rechtlich zu beanstanden und hat das Verwaltungsgericht sie im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

13 1. Rechtsgrundlage für die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte ist § 39 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 und 3 des hier noch anzuwendenden Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 - TKG 1996 - (BGBl I S. 1120). Danach genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte auf der Grundlage der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG 1996); die Genehmigung ist unter anderem zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996 nicht entsprechen oder mit dem Telekommunikationsgesetz oder anderen Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen (§ 27 Abs. 3 TKG 1996).

14 a) Soweit die Regulierungsbehörde monatliche Überlassungsentgelte für diejenigen Zugangsvarianten genehmigt hat, die auf Kupferleitungen basieren, kommt Art. 3 Abs. 3 TAL-VO als andere Rechtsvorschrift im Sinne des § 27 Abs. 3 TKG 1996 in Betracht. Mit ihr steht die Genehmigung jedoch in Einklang. Nach Art. 3 Abs. 3 TAL-VO müssen sich - unbeschadet des hier nicht einschlägigen Art. 4 Abs. 4 TAL-VO - die von gemeldeten Betreibern in Rechnung gestellten Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss an den Kosten orientieren.

15 aa) Die Vorschrift ist anwendbar. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, ist die Beigeladene im Hinblick auf ihre Marktmacht „gemeldeter Betreiber“ (Art. 2 Buchst. a TAL-VO). Unter einem „Teilnehmeranschluss“ im Sinne der Verordnung ist die Doppelader-Metallleitung zwischen dem Standort des Teilnehmers und dem Hauptverteiler zu verstehen (Art. 2 Buchst. c TAL-VO), was hier alle Zugangsvarianten mit Ausnahme derjenigen einschließt, die auf Glasfaserleitungen beruhen. Wie das Verwaltungsgericht ferner festgestellt hat, sind die Teilnehmeranschlüsse im Sinne von Art. 2 Buchst. f TAL-VO vollständig entbündelt, da sie die Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglichen.

16 bb) Danach unterliegt die Festlegung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss dem Gebot der Kostenorientierung. Welche Vorgaben Art. 3 Abs. 3 TAL-VO insoweit zu entnehmen sind, ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union verbindlich festgelegt, die das Verwaltungsgericht zur Auslegung dieser Vorschrift im Wege der Vorabentscheidung eingeholt hat (Urteil vom 24. April 2008 - Rs. C-55/06 - Slg. 2008, I-2931).

17 Als Kosten sind insbesondere die Zinsen für das eingesetzte Kapital und die Abschreibungen der Anlagegüter zu berücksichtigen, die zur Herstellung des Teilnehmeranschlusses verwendet wurden. Sowohl die Zinsen als auch die Abschreibungen beziehen sich auf die Investitionen für die Herstellung des Teilnehmeranschlusses. Die Zinsen sind gleichbedeutend mit Einkünften, die mit dem Kapital erzielt worden wären, wenn es nicht in den Teilnehmeranschluss investiert worden wäre. Die Abschreibungen erfassen die Minderung des tatsächlichen Wertes der Anlagegüter, die für die Errichtung des Ortsnetzes verwendet wurden (Rn. 70 ff. des Urteils).

18 Der Wert des Anlagevermögens (der Investitionen) als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen kann auf unterschiedliche Weise berechnet werden. Zugrunde gelegt werden können zum einen die Kosten, die der Netzbetreiber für die Herstellung und Anschaffung des vorhandenen Anlagevermögens seinerzeit aufgebracht hat, vermindert um die seither vorgenommenen Abschreibungen. Zugrunde gelegt werden können zum anderen die Kosten, die im jeweiligen Bewertungszeitpunkt nach aktuellen Tagespreisen für die Wiederbeschaffung des Anlagevermögens aufzuwenden sind (Wiederbeschaffungswert). Insoweit kann weiter danach unterschieden werden, ob von dem Wiederbeschaffungswert die Abschreibungen abgezogen werden, die auf das Anlagevermögen (im Bewertungszeitpunkt) bereits vorgenommen worden sind (Nettowiederbeschaffungswert), oder ob der Wiederbeschaffungswert ohne diesen Abzug angesetzt wird (Bruttowiederbeschaffungswert). Bei dem Wiederbeschaffungswert kann weiterhin danach unterschieden werden, ob er auf das tatsächlich vorhandene Netz oder auf ein Netz gleicher Funktion bezogen wird, wie es zum Bewertungszeitpunkt nach dem Stand der Technik effizient aufgebaut würde.

19 Nach der Feststellung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist keine dieser Berechnungsmethoden die angemessenste Methode, um im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung die Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu ermitteln. Vielmehr kann sich jede dieser Methoden nachteilig auf die Ziele auswirken, die mit der TAL-VO angestrebt werden, nämlich den Wettbewerb durch die Festlegung harmonisierter Bedingungen für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu intensivieren, um so die wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer breiten Palette von Diensten im Bereich der elektronischen Kommunikation zu begünstigen (Rn. 109 des Urteils).

20 Wären ausschließlich die ursprünglichen Herstellungs- und Anschaffungskosten abzüglich inzwischen getätigter Abschreibungen anzusetzen, die der Gerichtshof der Europäischen Union als historische Kosten bezeichnet (Rn. 86 des Urteils), geriete dies in Konflikt mit dem Zweck des Art. 3 Abs. 3 TAL-VO, es dem Anbieter des Teilnehmeranschlusses zu ermöglichen, seine Kosten zu decken und zugleich einen angemessenen Gewinn zu erzielen, damit die langfristige Entwicklung und Verbesserung der Ortsanschlussinfrastruktur gesichert ist. Wären daher ausschließlich die historischen Kosten zugrunde zu legen, was, je nach Alter des Netzes, zur Berücksichtigung eines beinahe abgeschriebenen Netzes und damit zu einem sehr niedrigen Preis führen könnte, so würde der Netzbetreiber ungerechtfertigt benachteiligt. Zum einen wäre er verpflichtet, sein Netz seinen Wettbewerbern zu öffnen und den damit möglicherweise verbundenen Verlust eines Teils seiner Kundschaft hinzunehmen. Zum anderen könnte er mit der Vergütung, die er als Gegenleistung für die Bereitstellung eines entbündelten Zugangs zum Teilnehmeranschluss erhielte, keinen angemessenen Gewinn erzielen, obwohl er auch die langfristige Entwicklung und Verbesserung der lokalen Infrastruktur zu sichern hat (Rn. 103 ff. des Urteils).

21 Den historischen Kosten stellt der Gerichtshof der Europäischen Union die als aktuelle Kosten bezeichneten Kosten gegenüber, die einem anderen Betreiber für die Errichtung einer vollständig neuen Ortsanschlussinfrastruktur zur Erbringung gleichwertiger Telekommunikationsdienste entstehen würden (Rn. 86 des Urteils). Dabei handelt es sich der Sache nach um die Wiederbeschaffungskosten (Rn. 115 des Urteils). Diese aktuellen Kosten sind zugleich die Grundlage der voraussichtlichen Kosten, die der Gerichtshof der Europäischen Union im Weiteren erwähnt, ohne sie näher zu definieren. Sie können auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten kalkuliert werden (Rn. 119 des Urteils). Der Gerichtshof der Europäischen Union gibt zwar zu erkennen, dass grundsätzlich ein auf die derzeitigen Kosten gestütztes, vorausschauendes Konzept angewandt werden sollte, da ein solches Konzept zu einem gerechten und dauerhaften Wettbewerb beitrage und für alternative Investitionsanreize sorge (Rn. 94 des Urteils). Würde das Anlagevermögen ausschließlich auf der Grundlage aktueller Kosten bewertet, sieht der Gerichtshof der Europäischen Union aber auch den Nachteil, dass der Netzbetreiber die Möglichkeit hätte, diejenigen Kosten zu wählen, die es ihm erlaubten, die Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss auf dem höchsten Niveau festzusetzen und die für die Begünstigten vorteilhaften Preisbildungselemente außer Acht zu lassen (Rn. 98 des Urteils).

22 Der Gerichtshof der Europäischen Union zieht aus diesem Vergleich der Berechnungsmethoden aber nicht den Schluss, sie oder eine von ihnen seien mit der TAL-VO oder anderen in die Betrachtung einbezogenen unionsrechtlichen Regelwerken nicht vereinbar. Er kommt nur umgekehrt zu dem Ergebnis, Art. 3 Abs. 3 TAL-VO gebe keine dieser Methoden als die allein zulässige vor, schließe aber die Anwendung aller anderen Methoden aus. In Ermangelung spezifischer unionsrechtlicher Vorschriften liegt es nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union vielmehr im Ermessen der nationalen Regulierungsbehörden, festzulegen, wie die Berechnungsgrundlage zu bestimmen ist, auf deren Grundlage die Abschreibungen zu berücksichtigen sind (Rn. 116 des Urteils). Der Grundsatz der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO erfordert danach die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten, d.h. der historischen Kosten des Netzbetreibers und der Kosten, die aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon kalkuliert werden (Rn. 115 und 119 des Urteils).

23 Dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt sich nicht entnehmen, dass unter dem Wiederbeschaffungswert dabei nur der Wiederbeschaffungswert nach Abzug bereits getätigter Abschreibungen (also der Nettowiederbeschaffungswert) verstanden werden darf.

24 Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt eingangs seiner Überlegungen den historischen Kosten die aktuellen Kosten gegenüber. Er definiert dabei ausschließlich die historischen Kosten unter Einbeziehung der bereits getätigten Abschreibungen, ordnet diese aber nicht auch den davon zu unterscheidenden aktuellen Kosten zu (Rn. 86 des Urteils). Dass in dem Urteil unter dem Wiederbeschaffungswert (zumindest auch) die Bruttowiederbeschaffungskosten verstanden werden, wird durch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 18. Juli 2007 erhärtet, die dem Urteil zugrunde liegen. Darin werden die Zielsetzungen der vorgeschriebenen Kostenorientierung hervorgehoben, nämlich einerseits den Wettbewerb auf dem Teilnehmeranschlussmarkt zu fördern, ohne andererseits Investitionen des marktmächtigen Betreibers in die Infrastruktur zu verhindern. Vor dem Hintergrund dieser konfligierenden Zielsetzungen wird je nach der abschließenden Beurteilung der nationalen Regulierungsbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sowohl eine Berechnungsmethode, die auf den Bruttowiederbeschaffungskosten, als auch eine Berechnungsmethode, die auf den Nettowiederbeschaffungskosten beruht, als angemessen angesehen (Schlussanträge Rn. 50 ff.). Von einem entsprechenden Verständnis auch des Urteils auszugehen, liegt umso näher, als der Gerichtshof der Europäischen Union ebenfalls die beiden genannten, einander widerstreitenden Zielsetzungen, die er dem 6. und dem 11. Erwägungsgrund der TAL-VO entnimmt, ausdrücklich in den Blick genommen hat (Rn. 101 und 106 des Urteils).

25 Dass der Wiederbeschaffungswert des Teilnehmeranschlussnetzes ausschließlich über die Nettowiederbeschaffungskosten zu bestimmen ist, lässt sich nicht aus der Empfehlung der Kommission zur Zusammenschaltung in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt (Teil 2 - Getrennte Buchführung und Kostenrechnung) vom 8. April 1998 (98/322/EG, ABl Nr. L 141 vom 13. Mai 1998 S. 6) herleiten. Nach Nr. 4 dieser Empfehlung ist die Bewertung von Netzanlagevermögen nach seinem zukunftsrelevanten bzw. Wiederbeschaffungswert für einen effizienten Betreiber ein entscheidendes Element der auf Wiederbeschaffungskosten beruhenden Methodik der Kostenrechnung. Dazu sei der auf Abschreibungen entfallende Anteil der Betriebskosten auf der Grundlage des Wiederbeschaffungswerts für äquivalentes Anlagevermögen zu berechnen und demzufolge auch die Erfassung des eingesetzten Kapitals auf Wiederbeschaffungskostenbasis vorzunehmen. Die Empfehlung verweist sodann auf eine Anlage, die Orientierungshilfen zu zeitgemäßen Methoden der Bewertung von Anlagevermögen und der Kostenanpassung auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten vermittele. In der Anlage werden die Nettowiederbeschaffungskosten definiert als die Kosten für das Ersetzen eines Wirtschaftsguts durch ein Wirtschaftsgut gleicher Merkmale und gleichen Alters, wobei in Anbetracht eines raschen technologischen Wandels gegebenenfalls der Wert eines modernen Äquivalenzguts zu berechnen sei.

26 Sollte diese Empfehlung, insbesondere mit ihrem Hinweis auf ein Wirtschaftsgut gleichen Alters, überhaupt so zu verstehen sein, dass der Wiederbeschaffungswert des Teilnehmeranschlussnetzes vorrangig über die Nettowiederbeschaffungskosten zu bestimmen ist, entfaltet sie jedenfalls keine bindende Wirkung. Als bloße Empfehlung ist sie bei der Auslegung der einschlägigen Normen des Unionsrechts lediglich zu berücksichtigen. Nur in diesem Sinne hat der Gerichtshof der Europäischen Union sie in seinem Urteil herangezogen (Rn. 94 des Urteils). Sie gehört mit ihren Hinweisen damit zu den Erwägungen, die die Regulierungsbehörde berücksichtigen muss, wenn sie den ihr sowohl in den Schlussanträgen des Generalanwalts als auch im Urteil zugebilligten Gestaltungsspielraum ausfüllt.

27 Art. 3 Abs. 3 TAL-VO ist in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht so zu verstehen, dass der Wert des Anlagevermögens stets nur im Zusammenwirken einer Berechnung nach historischen Kosten und nach Wiederbeschaffungskosten zu bestimmen ist. Art. 3 Abs. 3 TAL-VO lässt es grundsätzlich zu, den Wert des Anlagevermögens ausschließlich nach einer dieser Methoden zu berechnen.

28 Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union von tatsächlichen Kosten spricht (Rn. 119 des Urteils), werden damit nicht die historischen Kosten und die voraussichtlichen Kosten (Wiederbeschaffungskosten) untrennbar in einem eigenständigen Kostenbegriff im Sinne eines gemischten Kostenansatzes vereinigt, der dann allein maßgeblich ist. Vielmehr ist der Begriff der tatsächlichen Kosten nur der Oberbegriff für die historischen und die voraussichtlichen Kosten, die je nach den Verhältnissen zu berücksichtigen sind und damit auch für sich allein berücksichtigt werden können.

29 In der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind nach Art. 3 Abs. 3 TAL-VO die historischen Kosten sowie die voraussichtlichen Kosten zu berücksichtigen, die nach dem Brutto- oder Nettowiederbeschaffungswert zu kalkulieren sind (Rn. 115 des Urteils). Unmittelbar im Anschluss daran billigt der Gerichtshof der Europäischen Union der Regulierungsbehörde Ermessen bei der Festlegung zu, wie die Berechnungsgrundlage zu bestimmen ist (Rn. 116 des Urteils). Im Zusammenhang mit einem Ermessensspielraum kann „berücksichtigen“ aber nur im Sinne von „in Erwägung ziehen“ verstanden werden. Nach der bindenden Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union verpflichtet Art. 3 Abs. 3 TAL-VO die Regulierungsbehörde zu einem Regulierungskonzept, in dem sie die auf historische Kosten bzw. voraussichtliche Kosten gestützten Berechnungsmethoden in Erwägung zieht, d.h. einander gegenüberstellt und auf ihre jeweiligen Vorteile und Nachteile im Hinblick auf die widerstreitenden Zielsetzungen der TAL-VO überprüft, einerseits das Teilnehmeranschlussnetz möglichst rasch dem Wettbewerb zu öffnen und doch andererseits die langfristige Entwicklung und Verbesserung der lokalen Infrastruktur durch den marktmächtigen Betreiber zu sichern (Rn. 101 und 106 des Urteils). Zu welchem Ergebnis sie dabei kommt, unterliegt aber ihrer Entscheidungsprärogative. Dem Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind insbesondere keine bindenden Vorgaben dahin zu entnehmen, dass die Regulierungsbehörde beide Berechnungsmethoden zu kombinieren oder die historische Betrachtungsweise für bereits tatsächlich entstandene Anschaffungs- und Herstellungskosten, die voraussichtlichen Kosten dagegen für die langfristige Entwicklung und Verbesserung der Infrastruktur heranzuziehen hätte. Der Gerichtshof der Europäischen Union geht ausdrücklich davon aus, dass die voraussichtlichen Kosten gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren sind (Rn. 119 des Urteils). Wenn aber (auch) das gesamte Teilnehmeranschlussnetz zu Wiederbeschaffungswerten kalkuliert werden darf, kann die Regulierungsbehörde nicht gezwungen sein, stets Elemente beider Kostenberechnungsmethoden nebeneinander anzuwenden.

30 Darüber hinaus hat der Gerichtshof der Europäischen Union an anderer Stelle seines Urteils festgestellt, das Unionsrecht schließe es in Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung nicht aus, die Kosten auf der Grundlage eines analytischen Top-down- oder Bottom-up-Kostenmodells zu bestimmen (Rn. 134 des Urteils). Dabei geht der Gerichtshof der Europäischen Union davon aus, dass bei einem Bottom-up-Modell der Gegenwartswert der Investitionen zur Errichtung eines neuen Netzes zu berücksichtigen ist. Dieses Modell stützt sich mithin auf die Kosten, die einem Betreiber für den Erwerb und den Betrieb seines eigenen Netzes entstanden wären (Rn. 128 des Urteils). Dagegen stützt sich das Top-down-Modell auf die dem Netzbetreiber tatsächlich entstandenen Kosten. Kann die Regulierungsbehörde aber die Kosten auf der Grundlage eines analytischen Top-down- oder Bottom-up-Kostenmodells bestimmen, wäre es nicht stimmig, wenn sie bei der Bewertung der Investitionswerte sowohl historische Kosten als auch Wiederbeschaffungswerte rechnerisch ansetzen müsste. Denn dann hätte sie gerade keinen Spielraum bei der Auswahl der Kostenmodelle, weil sie ein Top-down-Modell zur Bestimmung des nach historischen Kosten zu bewertenden Anteils am Investitionswert einzusetzen und ein Bottom-up-Modell für die nach Wiederbeschaffungswerten zu bepreisenden Anlagegüter zu verwenden hätte.

31 Schließlich hat der Gerichtshof der Europäischen Union Art. 4 Abs. 1 und 2 TAL-VO dahin ausgelegt, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Prüfung der Preise, die von den gemeldeten Betreibern für die Bereitstellung eines entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen in Rechnung gestellt werden, anhand des in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO verankerten Preisbildungsgrundsatzes über eine weitreichende Befugnis verfügen, die die Beurteilung der verschiedenen Aspekte dieser Preise umfasst. Diese weitreichende Befugnis bezieht der Gerichtshof der Europäischen Union auch auf die den gemeldeten Betreibern entstandenen Kosten und führt dafür neben den Zinsen für das eingesetzte Kapital und die Abschreibungen der Anlagegüter ausdrücklich die Berechnungsgrundlage dieser Kosten und die Kostenrechnungsmodelle an (Rn. 159 des Urteils). Mit dieser weitreichenden Befugnis ist nicht zu vereinbaren, den Entscheidungsspielraum bei der Wertermittlung der Anlagegüter so einzuengen, dass stets ein gemischter Ansatz von historischen Kosten und Wiederbeschaffungskosten herangezogen werden muss.

32 b) Soweit die Regulierungsbehörde monatliche Überlassungsentgelte für diejenigen Zugangsvarianten genehmigt hat, die auf Glasfaserleitungen basieren, hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Entgelte entsprächen nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996. Das trifft indes ebenfalls nicht zu.

33 Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996 dürfen Entgelte keine Aufschläge enthalten, die nur aufgrund der marktbeherrschenden Stellung eines Anbieters auf dem jeweiligen Markt durchsetzbar sind. Das bedeutet, dass die Entgelte - anders gewendet - an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996) orientiert sein müssen.

34 § 24 TKG 1996 stellt eine detaillierte Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung dar, der dem Art. 3 Satz 3 TAL-VO zugrunde liegt, wie der Gerichtshof der Europäischen Union auf das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts ebenfalls festgestellt hat (Rn. 145, 149 des Urteils). § 24 TKG ist daher unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bestimmung der am besten geeigneten Kostenberechnungsmethode auch für Teilnehmeranschlussleitungen, die auf Glasfaser basieren, nach den dargelegten Maßgaben der Beurteilung der Regulierungsbehörde unterliegt. Die Genehmigung monatlicher Überlassungsentgelte für diese Teilnehmeranschlussleitungen hätte das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht schon deshalb beanstanden dürfen, weil das Anlagevermögen nicht auf der Grundlage eines gemischten Ansatzes von historischen Kosten und Wiederbeschaffungskosten bewertet worden ist.

35 2. Die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte ist in allen Zugangsvarianten deshalb rechtswidrig, weil die Regulierungsbehörde den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum aus anderen Gründen fehlerhaft ausgefüllt hat.

36 a) Der Regulierungsbehörde kommt bezogen auf das Merkmal der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO ein Beurteilungsspielraum zu. Dasselbe gilt für das Erfordernis in § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996, Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren.

37 Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume nicht grundsätzlich aus. Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiellrechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert. Ob dies der Fall ist, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - NVwZ 2011, 1062 <1065>). Die hier inmitten stehende Entscheidungsprärogative der Regulierungsbehörde bei der Entgeltregulierung ist durch das Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union unmittelbar vorgegeben. Soweit er in seinem Urteil auf das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts von Ermessen spricht, das der Regulierungsbehörde durch Art. 3 Abs. 3 TAL-VO eingeräumt wird, handelt es sich nach deutscher Rechtsterminologie um einen Beurteilungsspielraum in Bezug auf das Merkmal der Kostenorientierung in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO und korrespondierend damit in § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996, der nur eine Anwendung dieses unionsrechtlichen Grundsatzes darstellt.

38 b) Das hier anwendbare Unionsrecht macht keine Vorgaben für den Umfang der gerichtlichen Kontrolle des als „Ermessen der nationalen Regulierungsbehörden“ deklarierten Entscheidungsspielraums. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union an anderer Stelle seines Urteils hervorgehoben hat, ist die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung (Rn. 163 ff. des Urteils). Die Kontrollmaßstäbe sind daher den Grundsätzen zu entnehmen, die das Bundesverwaltungsgericht zum deutschen Verwaltungsrecht entwickelt hat. Diese Maßstäbe unterscheiden - jedenfalls verbal, weniger in der Sache - danach, ob es sich um die Kontrolle eines Beurteilungsspielraums auf der Tatbestandsseite der Norm oder um die Kontrolle von (Regulierungs-)Ermessen auf der Rechtsfolgenseite handelt: Die Ausübung eines Beurteilungsspielraums wird herkömmlich darauf überprüft, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat (Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 <Rn. 21>). Die Ausübung des Regulierungsermessens wird vom Gericht beanstandet, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität; grundlegend: Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 <Rn. 47>). Bei dem hier in Rede stehenden „Ermessen“ hinsichtlich der Kostenorientierung der Preise handelt es sich, wie schon erwähnt, im Sinne der deutschen Rechtsterminologie um einen Beurteilungsspielraum. Er weist allerdings im Hinblick auf die unionsrechtlich vorgegebene Abwägung widerstreitender Regulierungsziele eine besondere Nähe zum Regulierungsermessen auf. Bei einem derartigen Entscheidungsspielraum, der gewissermaßen auf der Nahtstelle zum Regulierungsermessen steht, ist die eigentliche Bewertung der Behörde jedenfalls auch darauf nachzuprüfen, ob sie im Hinblick auf die Kriterien, die in der Rechtsnorm ausdrücklich hervorgehoben oder doch in ihr angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert hat (Urteil vom 23. März 2011 - BVerwG 6 C 6.10 - juris Rn. 38).

39 c) Daran fehlt es hier. Die Regulierungsbehörde hat die beiden mit „historische Kosten“ bzw. „voraussichtliche Kosten“ bezeichneten Methoden weder abstrakt berücksichtigt noch in ihre Abwägung einfließen lassen; vielmehr haben die historischen Kosten bei ihrer Kostenberechnung ersichtlich überhaupt keine Rolle gespielt. Die Regulierungsbehörde hat ohne Weiteres auf das analytische Kostenmodell zurückgegriffen, das, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, auf aktuellen Wiederbeschaffungspreisen beruht, und die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung allein aus diesem Blickwinkel beurteilt (Entgeltgenehmigung S. 36). Eine methodische Auseinandersetzung mit historischen Kosten im Sinne einer Bewertung der Vor- und Nachteile der einen und der anderen Berechnungsweise für die Erreichung der Regulierungsziele hat in dem angegriffenen Bescheid nicht erkennbar stattgefunden. Die Regulierungsbehörde hätte die konfligierenden Interessen abwägen und prüfen müssen, welcher Kostenmaßstab - erstens - den Nutzerinteressen, - zweitens - dem Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs sowie - drittens - dem Ziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen und Innovationen sicherzustellen, jeweils am ehesten gerecht wird. Sodann hätte sie unter Bewertung der unterschiedlichen Belange im Einzelnen darlegen müssen, dass und warum ihrer Ansicht nach im Ergebnis Überwiegendes dafür spricht, den Investitionswert auf der Basis einer Bruttowiederbeschaffung zu Tagesneupreisen zu berechnen.

40 Unerheblich ist, ob derartige Überlegungen der angegriffenen Entgeltgenehmigung unausgesprochen zugrunde gelegen haben, wie die Beklagte geltend macht. Die effiziente gerichtliche Kontrolle eines Gestaltungsspielraums, der der Behörde eingeräumt ist, ist grundsätzlich auf diejenigen Erwägungen zu erstrecken und zu beschränken, die die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung dargelegt hat. Bei der Entgeltgenehmigung hat es sich um eine Entscheidung der Beschlusskammer gehandelt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996). Das schließt es aus, eine unterbliebene oder defizitäre Abwägung als durch anderweitige Unterlagen geheilt oder ersetzt anzusehen.

41 Ebenso ist unerheblich, ob die Klägerin oder andere im Verwaltungsverfahren beigeladene Wettbewerber ihrerseits Einwände gegen das analytische Kostenmodell vorgebracht haben, das die Regulierungsbehörde zugrunde legen wollte. Die notwendige Abwägung und ihre Darstellung im Bescheid dienen der objektiven Feststellung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der erteilten Genehmigung vorliegen. Sie bezwecken jedenfalls nicht allein die Bescheidung erhobener Einwendungen, sondern sollen zumindest auch die nachgehende gerichtliche Kontrolle ermöglichen, die angesichts des ohnehin eingeräumten Beurteilungsspielraums sonst gänzlich um ihre Effizienz gebracht zu werden drohte.

42 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.