Beschluss vom 22.12.2008 -
BVerwG 9 B 37.08ECLI:DE:BVerwG:2008:221208B9B37.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.12.2008 - 9 B 37.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:221208B9B37.08.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 37.08

  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.03.2008 - AZ: OVG 70 A 15.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. März 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 063 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

2 1. Der behauptete Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) unter dem Gesichtspunkt einer sog. Überraschungsentscheidung ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang zunächst allgemein moniert, dass „irgendwelche Hinweise (...) durch das Erstgericht nicht erteilt worden“ seien, legt sie nicht dar, inwieweit dies im konkreten Fall geboten gewesen wäre, also dass der anwaltlich vertretene Kläger keine Gelegenheit hatte, zu vom Oberverwaltungsgericht als Grundlage seiner Entscheidung herangezogenen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, mit denen er nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl. Urteil vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 2 C 27.98 - BVerwGE 109, 357 <362> m.w.N.). Soweit die Beschwerde konkret beanstandet, dass der Kläger zum Inhalt des in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Beigeladenen vorgelegten und vom Gericht auszugsweise vorgelesenen notariellen Kaufvertrages vom 19. Mai 2004 nicht habe vortragen können und dass die zu Protokoll der mündlichen Verhandlung beantragte Erklärungsfrist nicht gewährt worden sei, legt die Beschwerde nicht dar, was der Kläger bei nach seiner Auffassung ausreichender Gehörsgewährung zur aktuellen Nutzung des Eigenheims und zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. März 2008 (nur darauf bezog sich sein Antrag auf Schriftsatznachlass) sowie zum Inhalt des erwähnten Vertrages noch vorgetragen hätte und inwieweit dies zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. zu diesem Erfordernis den Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Soweit die Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang anführt, dass eine Meldeauskunft und der von zwei Vertretern des Beklagten vor Ort gewonnene Eindruck keine tatsächliche Nutzung belegten, stellt dies lediglich einen Angriff auf die Sachverhaltswürdigung und die Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall dar, mit der ein Verfahrensfehler regelmäßig nicht begründet werden kann (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15).

3 2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierfür ist erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (oder eines der weiteren in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte) aufgestellten entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14). Zwar führt die Beschwerde zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts an, von denen diejenige des Oberverwaltungsgerichts angeblich abweicht. Es fehlt aber an der erforderlichen Gegenüberstellung abstrakter entscheidungstragender Rechtssätze einerseits des Oberverwaltungsgerichts, andererseits des Bundesverwaltungsgerichts.

4 3. Der Rechtssache kommt auch nicht von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

5 a) Die Frage
„Ist der Anwendungsbereich von § 64 LwAnpG auch zugunsten desjenigen eröffnet, der das selbständige Gebäudeeigentum an einem Eigenheim nicht selbst originär als so genannter ‚Häuslebauer’ erworben bzw. begründet hat, sondern dieses nach dem 03.10.1990 durch Kaufvertrag erworben hat und der das Objekt auch nicht vor dem 18.10.1989 auf der Grundlage eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages genutzt hat und zu Vermietungszwecken nutzt?“
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie wäre nicht entscheidungserheblich, weil das Oberverwaltungsgericht den Anwendungsbereich von § 64 LwAnpG unabhängig von der vorstehenden Frage bereits aus einem anderen, diesen Teil seiner Entscheidung selbstständig tragenden Grund als eröffnet angesehen hat, nämlich wegen der Bestandskraft des auch vom Kläger nicht angefochtenen Anordnungsbeschlusses des Beklagten vom 26. April 1995 (UA S. 8 unten). Ist ein Urteil auf mehrere, je selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und dieser auch vorliegt (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15). Daran fehlt es hier.

6 b) Dasselbe gilt für die weiteren Fragen,
„Ergibt sich aus § 57 LwAnpG und/oder aus § 891 BGB eine den Untersuchungsgrundsatz einschränkende Vermutung zugunsten der Richtigkeit eines Grundbucheintrages gemäß Art. 233 § 2b EGBGB nicht nur in Bezug auf das Bestehen von selbständigem Gebäudeeigentum, sondern auch hinsichtlich einer konkreten Flächenangabe? Ist dies auch dann der Fall, wenn diese Angabe in Widerspruch zum Inhalt der entsprechenden Vertragsurkunden steht?“

7 Diese Fragen zielen auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass der Umfang der der Beigeladenen zugeordneten Fläche mit insgesamt 1 000 m2 nicht zu beanstanden sei. Auch dies hat das Oberverwaltungsgericht nicht allein wegen der aus § 891 BGB folgenden Vermutung der Richtigkeit der diesbezüglichen Eintragung im Grundbuch angenommen (UA ab S. 12 unten), sondern „unabhängig davon“ (UA S. 14, 2. Abs.) damit begründet, dass im Falle der Errichtung von Nebengebäuden entsprechend der Wertung des § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG auch eine Funktionsfläche für mit Billigung der staatlichen Stellen errichtete Nebengebäude, die mit dem Eigenheim eine wirtschaftliche Einheit bilden, in die bodenordnungsrechtliche Zuordnung an den Gebäudeeigentümer einbezogen werden dürfe. Da die Beschwerde gegen diese die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts insoweit wiederum selbstständig tragende Begründung keinen erfolgreichen Revisionszulassungsgrund vorbringt, wären auch die genannten Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und können schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen.

8 c) Die Frage,
„Ist es im Rahmen der Ermittlung und Zuordnung eines Abfindungsgrundstücks zulässig, für die Beurteilung der Vergleichbarkeit von dessen Nutzungsart auf die vorhandene Bebauung des abzugebenden Grundstücks, die den Bereinigungsanspruch gerade auslöst und bei der Bewertung des letzteren als fiktiv unbebaut, aber baureif unberücksichtigt bleibt, abzustellen oder hat die Nutzungsart des Abfindungsgrundstücks der - hier gewerblichen - Nutzungsmöglichkeit des abzugebenden Grundstücks ohne die vorhandene (Eigenheim-)Bebauung zu entsprechen?“
rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil sie von Tatsachen ausgeht, nämlich von einer gewerblichen Nutzungsmöglichkeit des abzugebenden Grundstücks, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat (vgl. Beschluss vom 30. Juni 1992 - BVerwG 5 B 99.92 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43). Im Übrigen zeigt die Beschwerde keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf. Das Oberwaltungsgericht ist ausweislich seines rechtlichen Obersatzes zu der Frage, ob das Abfindungsflurstück auch den weiteren sich aus § 58 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG ergebenden Anforderungen an die Wertgleichheit der Abfindung genügt (UA ab S. 18 unten), davon ausgegangen, dass insoweit die beteiligten Grundstücke hinsichtlich aller den Grundstückswert bestimmenden Merkmale, zu denen in Verfahren nach § 64 LwAnpG auch die bauliche Nutzbarkeit gehört, in der Beschaffenheit einzustellen sind, die sie zum maßgeblichen Zeitpunkt konkret und aktuell haben. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die abzugebende Fläche - unabhängig davon, dass sie nicht in einem baunutzungsrechtlich als Gewerbegebiet einzuordnenden Bereich, sondern in einem Misch- oder Dorfgebiet liegt - durch die Überbauung mit dem Eigenheim der Beigeladenen tatsächlich nicht gewerblich, sondern für Wohnbebauung genutzt wird. Dass das Oberverwaltungsgericht damit (auch) auf die tatsächlich vorhandene Bebauung als ein die Beschaffenheit und damit den Grundstückswert wesentlich beeinflussendes Merkmal abgestellt hat, entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 58 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG, wonach die Landabfindung den alten Grundstücken in Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Lage entsprechen soll, und zeigt keinen höchstrichterlichen Klärungsbedarf auf. Das Oberverwaltungsgericht hat dem noch weitere Erwägungen hinzugefügt (UA S. 20), weshalb „jedenfalls im konkreten Fall“ (UA S. 19 letzter Absatz) die Wertgleichheit von abzugebendem und Abfindungsgrundstück nicht zu beanstanden sei. Damit erweist sich die vorstehende Frage in Wahrheit als ein Angriff auf die konkrete Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts, ohne in einer dem Darlegungserfordernis (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügenden Weise anzugeben, worin die über den konkreten Einzelfall hinausgehende, fallübergreifende Bedeutung der Rechtsache liegen soll (vgl. auch hierzu den Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).

9 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.